Organisation

Referat für Kirchenmusik

Chor im Monat Dezember

Im Gespräch mit Orthulf Prunner

Orthulf Prunner
Orthulf Prunner

Gerda Heger war zu Gast bei Orthulf Prunner in Villach. Die gemütliche, heimelige Küche war der Ort, wo über Chor, Chorleiten und darüber hinaus gesprochen wurde:

1. Lieber Ulf, seit deiner Pensionierung als Regionalkantor sind schon zwei Jahre vergangen, aber wie ich höre und sehe bist du nach wie vor in der Kirchenmusik tätig, als Organist in der Stadthauptpfarrkirche St. Jakob und Chorleiter dreier Ensembles bzw. Chöre. Wer sind diese Chöre und was ist dein Antrieb bzw. deine Motivation, sich dieser Aufgabe anzunehmen?

Das Ensemble, das ich am Längsten leite, ist die Schola Michaelis, und zwar genau 26 Jahre. Der damalige Leiter des Seelsorgeamtes Lenkh hat mich beim Anstellungsgespräch gebeten, es wäre ihm ein Anliegen, wenn Gregorianische Gesänge erklingen würden. Dem bin ich dann als damals neuer Regionalkantor gerne nachgekommen und habe die Schola Michaelis gegründet. Mittlerweile sind etwa 70 Leute durch diese Schola gegangen und die Größe der Schola war immer zwischen 7 und 10 Leuten. Schwerpunkt der Schola ist der lateinische einstimmige Kirchengesang, so wie er sich im Graduale Romanum bzw. Triplex zeigt. Wir singen aber auch Deutsche Gregorianische Gesänge, wie sie dem Stundenbuch Münster Gladbach zu entnehmen sind. Die Schola hat seit ihrer Gründung im Schnitt 6 - 7 Gottesdienste im Kirchenjahr gestaltet. Der Name der Schola leitet sich von dem Bild auf unserem Gesangsbuch her, das ein Gründungsmitglied, Franz Jeschke, gebunden und mit einem Bild des Erzengels Michael aus der Kirche in Ravenna geschmückt hat, und so beschlossen wir, uns Schola Michaelis zu nennen. Die Schola arbeitete auch mit anderen Scholen zusammen, mit einer Gruppe in Friesach und mit deiner Schola, liebe Gerda, und mit unserem lieben und verehrten Professor aus Regensburg, Josef Kohlhäufl, der uns vor 5 Jahren in Villach beehrte und im Pfarrsaal sein Wissen weitergab. Die Schola Michaelis hat in verschiedensten Kirchen Kärntens gesungen, in Italien in der St. Anna Kirche des Vatikans und im Petersdom. Dort im Petersdom hat sich Mysteriöses ereignet: Regens Chori war anwesend mit einem Mönch an der Orgel, der in allen Tonlagen die Gregorianischen Gesänge zu begleiten vermochte. Der Zelebrant hat angestimmt in allen möglichen und unmöglichen Höhen, und der Regens Chori hat auf einem kleinen Keyboard neben der Orgel im Geheimen herausgefunden, in welchen Gefilden der Zelebrant sich gerade befand und dem Organisten dieses zugeflüstert, der daraufhin in den ausgefallensten Tonarten begleiten konnte, und so waren die Antworten immer in der "korrekten" Tonhöhe. Die Aufpasser bzw. Ordnungskräfte im Petersdom, allesamt stramme Burschen und Männer, wirkten wie die Vatikanpolizei, die offenbar alle Gregorianischen Messen mitsingen konnten und uns mit ihren kräftigen Stimmen bevormunden wollten, zur Sicherheit, dass wir nichts falsch machten - bis es dann meiner lieben Frau Ellen zu bunt wurde und beim nächsten Einsatz hinausposaunte und alle Einsatzkräfte zu Grund und Boden sang. Jetzt haben sie verstanden, dass wir des Singens mächtig waren und mischten sich nicht mehr ein.

Das zweite meiner Ensembles ist der Kirchenchor Capella Sancti Jacobi, den ich seit 11 Jahren leite. Damals habe ich den Chor vom früheren Chorleiter Dir. Rudolf Einhauer übernommen. Unser Altpfarrer Prof. Wedenig hat mich gebeten, den Chor zu übernehmen und ich habe mit dem Chor in den letzten Jahren viele klassische Orchestermessen, ca. 22, einstudiert: von Joseph Haydn, Mozart, Schubert; und Messen von Hassler u.a.
Vor dem Corona Shut-Down haben wir begonnen, wieder an der Nelson-Messe zu arbeiten, denn mir schien der Titel "in Angustiis" passend zu dieser Zeit.

Das dritte Ensemble leite ich seit 2014: die Capella Trinitatis, der Kirchenchor der Dreifaltigkeitskirche in Villach Völkendorf. Die Größe des Chores ist derzeit 16 Personen. Nicht alle trauen sich unter andere Menschen, die Abstandbedingungen schränken sehr die Möglichkeiten ein. Das Repertoire des Chores ist sehr weit gefächert, vor allem anspruchsvolle Kirchenmusik von Josquin Deprez, Orlando di Lasso, Hans Leo Hassler, Monteverdi, J. S. Bach, Johannes Brahms, Mendelssohn bis hin zu Anton Bruckner, Antonin Dvorak, Komponisten der Moderne des 20. Jahrhunderts, Paul Hindemith, Anton Heiller, Zoltan Kodaly und Komponisten der Gegenwart wie z.B. Eric Whitacre.

Was mich antreibt und warum ich das mache? Einerseits wurde ich von diversen Geistlichen gebeten, diese Arbeit zu machen. Eigentlich kam der Impuls immer von außen, auch bei der Schola Trinitatis sind Menschen an mich herangetreten, mit der Bitte, diesen Chor zu leiten. Ich habe diese Arbeit immer gerne gemacht, einerseits weil ich es als meine Aufgabe gesehen habe als Regionalkantor und auch als Interesse und aus Liebe zur Musik und zur Kirchenmusik. Ich bin ja mein ganzes Leben lang in der Kirche musikalisch tätig gewesen. Durch meine Großmutter, die Gesangsstunden und Konzerte in Wien gegeben hat, wo der Reinerlös der Kirche St. Nepomuk zu Gute kam, habe ich die ersten Ansätze von Musik erfahren. Auch ich war dann in frühen Jahren in der Kirche tätig - in der Jungschar und in der Pfarrband. Meine erste Berührung war das neue geistliche Lied. Prof. Peter Planyavsky war mein erster Orgellehrer und so bin ich in die Kirchenmusik hineingewachsen. Später hab ich dann zur Musikhochschule gewechselt. Mein erster Chorleitungslehrer war Prof. Gillesberger, dann Erwin Ortner. Mein erster Gregorianiklehrer war Prof. Hubert Dopf, bei dem ich die ersten Eindrücke in die Gregorianik gesammelt habe. So wuchs langsam das Interesse an Kirchenmusik und alles, was die Musik betrifft.

2. Was zeichnet für dich einen guten Chorleiter aus?


Gute Chorleitung zeichnet sich als gute Menschenführung aus, d.h. Geduld und Einfühlungsvermögen; wissen, was im Augenblick Nottut und vor allem kein Selbstdarsteller sein! Das handwerkliche Können ist für mich Voraussetzung, Verständnis für den guten musikalischen Satz, Kontrapunkt, Rhythmik. Praktisch ist, wenn man halbwegs gut Klavierspielen kann. Vor allem ist es das Gefühl, das Wissen, aus welchen Traditionen die Musik kommt, und das ist durchaus keine kleine Aufgabe. Einen guten Chorleiter zeichnet ein wacher und weiter Geist aus.

3. Welche Voraussetzungen sollten deiner Meinung nach Leute mitbringen, die in einem Chor singen möchten?


Eine natürliche Musikalität, die sich äußert in einem guten Gehör, gutem musikalischen Gedächtnis, rhythmisches Empfinden, eine gesunde Stimme. Durch die Arbeit meiner Großmutter als Gesangspädagogin - ich lag bei ihr in der Kinderkrippe und lauschte - hab ich diese Klänge und die Gesangsliteratur aufgesaugt und wurde mit Stimmübungen und Umgang mit Stimme im Allgemeinen vertraut und konnte im Laufe der Zeit miterleben, was aus einer Stimme herausgeholt werden kann.

(Einschub: Ellen kocht gerade Gemüsesuppe und möchte anmerken: gute Chorleitung habe ich daraus erfahren am Beispiel Ulf, dass man als Sänger große Freiheit hat, die Musik mitzugestalten und nicht alles im voraus festgelegt wird, so kann auch Spontanität gelebt werden, das schätz ich sehr.)

4. Du kannst auf ein jahrzehntelanges Wirken im Bereich der Kirchenmusik zurückblicken, wie siehst du die Entwicklung im Hinblick auf Liturgie und Musik?

Ich habe sowohl in der katholischen Kirche, als auch in der evangelischen Kirche gewirkt. Zuerst in Österreich bis zu meinem 25. Lebensjahr, dann 16 Jahre in Island in der evangelischen lutherischen Staatskirche von Island. Ich habe miterlebt: den Wandel von der lateinischen zur volkssprachlichen Liturgie, den Umbau vom Hauptaltar zum Volksaltar, die Realisierung der Ideen der Klosterneuburger Bewegung (Pius Parsch und Vinzenz Goller). Ebenso den Einzug der sogenannten Jazzmessen, die eigentlich mit Jazz nichts zu tun haben, den Beginn des neuen geistlichen Liedes. Es waren einfach Rhythmische Messen, aber das ist ein irreführender Name, denn irgendein Rhythmus ist immer, man könnte sagen eine rhythmusbetonte Musik, eine Anbiederung an die Popularmusik der 60-er Jahre. Was die Behandlung des Antwortpsalmes seit dem Konzil anbelangt, habe ich erlebt, wie man versucht hat, diesen musikalisch zu gestalten auf die verschiedenste Art. Die Ergebnisse sind aber, wenn man die große Tradition der Kirchenmusik betrachtet, dürftig. Ich glaube, es liegt an der Form. Nicht, dass es nicht gute Antwortpsalmen gäbe, aber das haben Meister wie Heinrich Schütz und Mendelssohn schon viel besser gestaltet. Ich verstehe es aus dem Anliegen der Volksliturgie heraus, dass man Antwortpsalmen praktizieren möchte und da passen vielleicht kurze Rufe. Im Großen und Ganzen ist es aber eine Verarmung der Kirchenmusik. Die großen Messen, die wir bereits haben, erheben die Herzen ungleich höher, als die leider auch oft schlecht vorgetragenen Rufe und Antwortpsalmen. Es ist natürlich auch Aufgabe der Kirchenmusiker, das so schön wie möglich zu gestalten. Aber es ist meines Erachtens doch ein Rückschritt im Vergleich zur Musik und Vertonungen von Schütz und dergleichen.

5. Gibt es eine Aufführung oder ein Ereignis, an das du dich als Chorleiter gerne erinnerst?

An sich ist für mich jede Aufführung ein schönes Ereignis, weil ich gerne Musik mache, ich lebe vor allem in der Gegenwart und da ist für mich immer das, was ich gerade erarbeite, das Wichtigste und Schönste.

6. Hast du Projekte in Aussicht, die du in näherer Zukunft verwirklichen möchtest?

Ja, wenn der Wahnsinn der neuen Normalität vorüber ist, die für mich nie normal werden wird.
Die Messe von Paul Hindemith und die achtstimmige Messe von Poulenc dirigieren und erarbeiten und vielleicht auch noch ein paar Chorwerke, die mir am Herzen liegen, komponieren.

7. Wenn jemand Lust hast, bei einem deiner Chöre mitzusingen, wo und bei wem kann man sich melden?
Über die Pfarre St. Jakob oder über die Pfarre Heiligste Dreifaltigkeit, die stellen den Kontakt her.