Organisation

Katholische Aktion

“Stärkung der Solidarität”

KA-Vizepräsident Dr. Rudolf Likar betont den Handlungsbedarf beim Thema Sterbehilfe

Die Corona-Krise bestimmt unser aktuelles Tagesgeschehen, dennoch tragen wir als Gesellschaft Verantwortung, Leben darüber hinaus gelingen zu lassen und zu schützen.

Die Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes, wonach zwar die Tötung auf Verlangen und die Verleitung zur Selbsttötung strafbar bleiben, das ausnahmslose Verbot der Suizidbeihilfe hingegen verfassungswidrig ist, brachte die Diskussion nun wieder ins Rollen bezüglich Sterbehilfe.

Der Gesetzgeber ist nun gefordert bis Ende des Jahres 2021 ein dementsprechendes Maßnahmenpaket um dieses Gerichtsurteil zu schnüren.

Was bedeutet das aus medizinischer Sicht?

In der Pandemie wird nun Schutz des Lebens, Recht auf Leben, Recht auf Privatleben, freie Selbstbestimmung zugunsten der Pandemie untergeordnet. Das heißt, es werden Maßnahmen gesetzt, die in die Freiheit eingreifen, Ausgangsbeschränkungen, es wurde sogar überlegt, das Privatleben zu kontrollieren. Die Maßnahmen, die auch sehr sinnvoll sind, sind die sogenannten AHA-Regeln: Abstand halten, Handhygiene, Alltagsmaske, besser gesagt wäre FFP2/FFP3 Maske.

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
KA Vizepräsident Dr. Rudolf Likar (Bildrechte: Sissi Furgler Fotografie)

Es wird immer auch erklärt, dass diese Maßnahmen sehr effektiv sind, dass man verhindert, dass Menschen sterben. Es wird von der vulnerablen Gruppe von den alten Menschen gesprochen, die geschützt werden sollen. Wobei man die alten Menschen nie gefragt hat, ob sie sich als vulnerable Gruppe empfinden. Es wurde hier vom Staat erklärt, dass diese Gruppe zu schützen ist. Diese Gruppe ist nun auch als erste Gruppe zu impfen. Mein Kommentar soll hier keine Wertigkeit darstellen, sondern nur einen Vergleich ziehen. Weil nämlich in der Pandemie die Autonomie komplett untergeordnet wird.

Es wird hier dargestellt, man hat ein Recht auf Leben, aber man muss alles tun um das Recht zum Sterben zu minimieren.

Es werden Menschen im multimorbiden Sterbeprozess, nur, weil sie Covid positiv sind, noch in die Kliniken gebracht, weil hier vorher keine ausreichenden Gespräche stattgefunden haben im Sinne einer Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht oder besser gesagt Advance Care Planning.

Die Erkenntnis des Verfassungsgerichthofs, dass das Verbot der Suizidbeihilfe verfassungswidrig ist, stellt die Autonomie in den Vordergrund. Man hat Recht auf Selbstgestaltung des Lebens, Recht das Leben in Würde zu beenden.

Aus medizinischer Sicht erwarte ich mir vom Staat, dass er hier das Korsett genauso eng schließt wie in der Pandemie, dass die Menschen, die eventuell unter Druck geraten könnten, weil sie vulnerabel sind, nicht erklären müssen, warum sie noch leben, warum sie nicht „ihr Leben in Würde beenden“.

Es gehören dann eben auch diese vulnerablen Gruppen geschützt, da erwarte ich mir eben dieses Schutzkorsett, das vom Gesetzgeber dann veranlasst wird und auch die Definition erfolgt wäre, wer gehört zu der Gruppe, die ein Recht auf Suizidbeihilfe hat. Sind es die kranken Menschen mit begrenzter Lebenserwartung? Ab wann hat der Mensch ein Anrecht? Betrifft es nur die Volljährigen? Was heißt begrenzte Lebenserwartung? Wie kommt die Entscheidung zustande? In welchem Zeitfenster muss die Entscheidung geprüft werden? Wer prüft diese Entscheidungen und wer ist laut Definition zu einer Hilfe „Dritter“ zu nehmen?

Der Verfassungsgerichtshof argumentiert das Recht umfasse nicht nur das Recht auf Selbstgestaltung des Lebens, sondern auch auf menschenwürdiges Sterben. Wer definiert menschenwürdiges Sterben? Warum wurde Sterben zu einer medizinischen Diagnose gemacht? Menschen können auch in Ruhe einschlafen, wenn sie das Alter erreicht haben. Wenn sie unter keinen Beschwerden leiden, können sie friedlich einschlafen. Warum sollte menschenwürdiges Sterben nur durch die Hand eines Menschen und nicht an der Hand eines Menschen – wie schon Kardinal König gesagt hat möglich sein. Wir sollten in der Medizin alles tun und die Hand ausstrecken, um den Menschen aufzufangen im Netz der Wärme und Geborgenheit, im Netz der Solidarität und Verbundenheit, im Netz der menschlichen Wärme statt der todbringenden Spritze, die die menschliche Kälte verursacht.

Autonomie heißt der Betroffene kann, wenn er krank ist, seine letzte Lebensphase gestalten, in dem er anhand von einer Patientenverfügung Behandlungen ablehnt. Wenn er urteils- und entscheidungsfähig ist, dann gibt es keine Behandlung gegen den Willen des Patienten. Der Patientenwille ist oberstes Gut. Man muss sich auch nicht vor der Übertherapie fürchten durch die Intensivmedizin, denn auch hier gelten ethische Entscheidungen. Das heißt, wenn ich eine Therapie durchführe, muss ein Therapieziel vorhanden sein. Es muss eine Verbesserung der Lebensqualität erfolgen und ich brauche eine Prognose. Anderwärtig bewege ich mich hin zur verbotenen eigenmächtigen Heilbehandlung. Menschen, die Angst haben, wenn sie dann nicht mehr kognitiv entscheidungs- und urteilsfähig sind, können eben eine Patientenverfügung vorher ausfüllen, eine Vorsorgevollmacht übertragen. Weitere Instrumente, die gestärkt werden sollen, um die Autonomie der Betroffenen zu schützen, ist der Vorsorgedialog, der zwingend eingeführt gehört oder besser gesagt, das Konzept des Advance Care Planning – Behandlung im Voraus planen, welches in Deutschland auch rechtlich verankert ist. Das heißt mit jedem Bewohner, der in ein Pflegeheim kommt, wird dieses Konzept „Behandlung im Voraus planen“ besprochen und dementsprechend auch schriftlich festgehalten. Es existiert eine breite Palette von Möglichkeiten, die das Leiden lindern können. Wichtig wäre es hier das Geld in die Durchführung dieser Instrumente zu investieren, die die Autonomie des Menschen schützen, damit es nicht zum ungerechtfertigten Leiden kommt.

Die Österreichische Palliativgesellschaft tritt dafür ein und fordert nachträglich die rasche Umsetzung, die Verankerung eines individuellen Rechts auf Palliativversorgung durch geeignete rechtliche Instrumente.

  • Zu diesem Zweck muss die flächendeckende Palliativversorgung in allen Bundesländern und auf allen Versorgungsstufen sichergestellt werden. Von der Grundversorgung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte und andere Gesundheitsberufe bis zum spezialisierten ambulanten Angebot und Einrichtungen.

  • Stärkung der Aus- und Fortbildung Palliative Care für alle Gesundheitsberufe, damit auch außerhalb spezialisierte Einrichtungen die vielfältigen Instrumente der Palliativversorgung bestmöglich zum Einsatz kommen.

  • Palliative Care muss Haltung sein aller im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen. Es verbessert das psychosoziale Betreuungsangebot für Krisensituationen und einschließlich einer Situation angemessenen sensiblen Suizidprävention.

  • Eine bessere Aufklärung über ein über und ein vereinfachter Zugang zu Instrumenten Vorsorgevollmacht oder Patientinnen- oder Patientenverfügung, Vorsorgedialog, Advance Care Planning, die wichtige Mittel zur Selbstbestimmung am Lebensende darstellen.

Wir schützen die Gesellschaft derzeit vor dem biologischen Virus. Wir sollen auch die Gesellschaft vor dem geistigen Virus des assistierten Suizids schützen. Das heißt, hier braucht es Solidarität, dass es nicht zu den sogenannten therapierefraktären Leiden kommt. Das geht weit über die Medizin hinaus, weit über das biologische Leiden, inkludiert das psychosoziale Leiden, spirituelle und existentielle Leiden.

Stärkung der Solidarität, Stärkung der Wärme der menschlichen Gesellschaft könnte eine Antwort darauf sein.

(Text: Dr. Rudolf Likar)