Organisation

Referat für Tourismusseelsorge

Dem Ziel entgegen

Während sich die Pilger auf der Krainer Wallfahrt von Mariahilf aus über Guttaring, den Kalvarienberg in Althofen und Pöckstein-Zwischenwässern auf den kürzesten Weg nach Gurk machten und dabei im Gurktal entlang der Schattseite vorbei an der längst abgetragenen Kirche St. Agathen dem Ziel entgegen eilten, legen wir heute einen zweitägigen „Umweg“ ein. Nach der Tagesetappe von Guttaring über Maria Waitschach und Zeltschach nach Friesach folgt schließlich die letzte Etappe von Friesach nach Gurk.

In Friesach verlässt man den Hauptplatz mit seinem berühmten, eigentlich aus dem Schloss Tanzenberg stammenden Renaissancebrunnen über die Langegasse, und geht über die Kirchenruine am Virgilienberg und die Ruine Rotturm stets bergwärts bis auf den Pirkerkogel mit dem gleichnamigen Wegkreuz. Hier folgt man einem völlig ebenen Waldweg, der etwa 100 m ober halb des Gehöftes vulgo Fasch und der Filialkirche hl. Leonhard bis zum Gasthaus Panoramablick (vulgo Ofner) führt. Im Gurktal hält sich hartnäckig die Geschichte, dass es sich bei diesem Höhenweg um einen Abschnitt des einstigen Römerweges durch das Tal handelt. Tatsache ist natürlich, dass in Zeiten von unregulierten Bächen und regelmäßigen Überschwemmungen vor allem im Frühling nach der Schneeschmelze, neben den bestehenden Verbindungswegen am Talboden auch immer höher gelegene Alternativwege genutzt wurden. Aber ob die Römer gerade hier unterwegs waren, sei dahingestellt.

In Höllein, kurz „in der Höll“ genannt, gab es einst ein florierendes Bergbaugebiet. Die erwähnte Filialkirche hl. Leonhard und hl. Laurentius wurde bereits im 11. Jh. errichtet. 1170 schenkte Kaiser Friedrich Barbarossa dem Bistum Gurk die Silbergruben in Höllein. Vermutlich haben die Bergknappen bzw. deren Herren den Bau der Kirche betrieben und für ihre künstlerische Ausstattung gesorgt. Der kleine romanische Bau beinhaltet einen massiven Vorhallenturm im Westen in voller Breite des Langhauses mit einem jüngeren hölzernen Aufbau sowie eine halbkreisförmige Chorapsis. Eine Besonderheit der Kirche ist eine geschmiedete eiserne Kette, mit der das gesamte Bauwerk umgeben ist. Aus dieser Kirche stammt das berühmte romanische „Hölleiner Kruzifix“ – ein knapp ein Meter hohes Holzkreuz – sowie eine gotische Leonhardfigur, die beide in der Schatzkammer Gurk ausgestellt sind. 2016 wurde die Außenfassade der Kirche renoviert und dabei eine vorhandene Quaderung, ein zierliches Fries am Turm und Umrahmungen der Fensteröffnungen freigelegt und ergänzt. Im Jahr darauf, im August 2017, erhielt das romanische Kirchlein eine neue 42 kg schwere Kirchenglocke aus der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck. Diese wird nun als zweite Glocke neben der bereits bestehenden weit über das Tal erklingen. Das Berggasthaus Panoramablick, bei welchem die Pilger unterwegs stets gerne einzukehren pflegten, hat inzwischen geschlossen. So muss man sich mit seiner eigenen Jause begnügen oder zuwarten, bis man Straßburg erreicht, wo man den mehrfach prämierten Gurktaler Luftgeselchten verkosten kann.

Die Entwicklung der kleinsten Stadt Kärntens ist auf das Engste mit der Kirchengeschichte des Landes verbunden. So schenkte im Jahr 864 König Ludwig der Deutsche diesen Platz den Salzburger Kirchenfürsten. Um 1147 errichtete Bischof Roman I., der auch den Gurker Dom erbauen ließ, hier eine Burg, die zu einer der schönsten und größten Wehranlagen Österreichs zählt. Bereits 1382 erfolgte die Erhebung Straßburgs zur Stadt. Als der Bischofssitz bedingt durch das Erdbeben von 1767 nach Pöckstein-Zwischenwässern verlegt wurde, verlor Straßburg zunehmend an Bedeutung.

Zu den baulichen Kostbarkeiten der einstigen Bischofsstadt zählen etliche kunsthistorisch bemerkenswerte Kirchen, darunter die dem hl. Nikolaus geweihte Stadtpfarrkirche. Westlich von Straßburg erhebt sich auf einem weithin sichtbaren Hügel die 975 vermutlich als Eigenkirche von Gräfin Imma - wahrscheinlich die Großmutter Hemmas - gegründete Pfarrkirche hl. Margaretha. Hier sollte auf Wunsch der Kirchengründerin auch ein Kloster entstehen. Der geplante Klosterbau wurde jedoch niemals fertig gestellt, weil der Abschluss der Klostergründung vermutlich am Widerstand der Salzburger Erzbischöfe scheiterte. Für die Kirche von Lieding erwarb Gräfin Hemma 1043 die Pfarrrechte. Die erste Kirche wurde nach einem Brand im Jahr 1200 durch einen Neubau ersetzt. Unter den zahlreichen Kostbarkeit befindet sich in der Kirche über dem Portal zur Sakristei ein aus dem 17. Jh. stammendes Relief, das Hemma mit ihrem Gemahl in prunkvollen Gewändern zeigt. Auch das sogenannte Liedinger Kreuz am Fuß des Kirchhügels besitzt eine Darstellung der Heiligen. Rund einen Kilometer westlich trifft man in der Ortschaft St. Johann bei Straßburg auf einen weiteren Bildstock mit einem Hemmabild, das sogenannte Pratzenkreuz. Spätestens hier haben sich einst die Krainer Wallfahrer versammelt, um das letzte Stück des Weges gemeinsam nach Gurk zurückzulegen.

Hier sei abschließend nochmals ein Textausschnitt von Josef Till zitiert, der in seinem Buch „Auf Hemmas Spuren“ dazu schreibt: „Unmittelbar nach Straßburg erblickten die Pilger die reizende Kirche Liedings, betraten diese aber nicht. Stattdessen eilten sie zu jenem Bildstock, von dem aus die Kirche von Gurk das erste Mal zu sehen war. Hier blieben sie stehen, rasteten, berechneten die angefallenen Spesen. Am Freitagabend erreichten sie schließlich das ersehnte Ziel, das Grab der seligen Hemma im Gurker Dom. Von Ferne schon empfing sie das kraftvolle Geläute des Gurker Domes. An der Kreuzigungskapelle (Anm.: diese stand damals noch am östlichen Ortsbeginn von Gurk an der Straße) formierten sich die Wallfahrer zu einer Prozession, schulterten die beiden Statuen der seligen Hemma und ihres Gatten Wilhelm, wobei die Mädchen die Hemmastatue und die Burschen die Wilhelmstatue trugen. Mit ihnen gingen sie durch den Ort und stellten die beiden schließlich vor dem Kirchenportal ab.“

Es folgten eine Prozession mit Andacht und Augensegen und am darauffolgenden Morgen eine abschließende Eucharistiefeier, nach welcher sich die Pilger auf den Rückweg über die Berge bis nach St. Veit und weiter nach Krain machten. Mit der Fertigstellung der Eisenbahnstrecke zwischen Kärnten und Slowenien zu Beginn des 20. Jhs. kamen viele Hemmawallfahrer mit dem Zug nach Klagenfurt, wodurch sich der Weg nach Gurk entscheidend verkürzte.