Organisation

Katholischer Akademikerverband

Durst nach Gerechtigkeit - oder die Sehnsucht nach einem besseren Leben

Clemens Sedmak sprach an der Universität Klagenfurt über Gerechtigkeit aus philosophischer und theologischer Sicht

von links: S. Schlager (KAV), Prof. C. Sedmak, Prof. R. Neck (Karl-Popper-Foundation - KPF), C. Mick (KPF) und W. Sattlegger (KAV) (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
von links: S. Schlager (KAV), Prof. C. Sedmak, Prof. R. Neck (Karl-Popper-Foundation - KPF), C. Mick (KPF) und W. Sattlegger (KAV) (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)

„Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.“ So lautet ein bekanntes tröstendes Wort der Bergpredigt. Ein Streben nach Gerechtigkeit, das oft aus einer heilsam motivierenden Empörung erwächst, treibt Menschen an, die Welt zum Besseren hin zu verändern. Aber was ist gerecht? Wer ist gerecht? Und: Kann das Leben je gerecht sein?

Derzeit lehrt der österreichische Theologe, Philosoph, Sozialethiker und Armutsforscher Clemens Sedmak an der größten katholischen Universität der USA, an der University Notre Dame in Indiana. Dem Katholischen Akademikerverband Kärnten gelang es gemeinsam mit der Karl-Popper-Foundation Klagenfurt, den international gefragten Referenten für einen Vortrag am 21. Juni 2016 an die Universität Klagenfurt zu holen.

Mit klarer Struktur und erkennbarem Willen zur Systematik gelang es dem leidenschaftlichen Redner, das eher spröde Thema „Die Idee der Gerechtigkeit in der Katholischen Soziallehre“ dem zahlreich erschienenen Publikum schlüssig darzustellen. Schon die Einstiegsfrage war eine Steilvorlage: „Wie würde eine Gesellschaft aussehen, in der sich die Gerechtigkeitsfrage nicht stellt. Und würden wir in einer solchen Gesellschaft überhaupt leben wollen? Sedmak verneinte diesen Wunsch, indem er einen realistischen Blick auf menschliche Bedingtheiten warf. Auch bei großer Gleichheit unter den Menschen wird immer noch das Gerechtigkeitsproblem aufgeworfen. So kommt es eben auch vor, dass eineiige Zwillinge, die mehr oder weniger gleich aufgewachsen sind, sich nach Jahrzehnten z. B. auf einem extrem ungleichen (=ungerechten) Lohnniveau wiederfinden.

Mit einem kurzen Streifzug durch die Philosophiegeschichte - von Platon bis zur Sphärentheorie eines David Miller - gelang es dem Referenten, wesentliche Aspekte der Thematik schlaglichtartig vorzustellen: das Seine tun und nicht Vielerei (Platon), der feste und dauerhafte Wille zur Gerechtigkeit (Ulpian) oder die Verallgemeinerung des Themas bei Immanuel Kant.

Für die Katholische Soziallehre, die - basierend auf einer langen in der Bibel wurzelnden Tradition -  als sozialethische Theorie erst mit der ersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“ von Papst Leo XIII. Ende des 19. Jahrhundert auf den Plan trat, ist die Gerechtigkeit eine Folge der konsequenten Umsetzung der sozialethischen Prinzipien Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl. Aber das ist nicht einfach. Sedmak zitiert Papst Franziskus, der in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium (182) von der „Versuchung“ schreibt, „die katholische Soziallehre nur auf ihre Prinzipien zu reduzieren … wir können nicht vermeiden, konkret zu sein … damit die großen sozialen Grundsätze nicht bloße allgemeine Hinweise bleiben“. Der Referent benannte in diesem Zusammenhang auch Spannungen zwischen den einzelnen Prinzipien, wie z. B. zwischen der „Option für die Armen“ und der „Verantwortung für die Schöpfung“, die sich u. a. bei großen „Public-Work-Projekten“ - wie etwa dem Bau eines Staudammes nicht so einfach auflösen lassen.

Mit Thomas von Aquin gab der Referent dann auch eine (katholische) Definition von Gerechtigkeit. Sie ist für den großen Kirchenlehrer des 13. Jahrhunderts eine menschliche Tugend, die man sich durch beharrliche Übung zu eigen machen kann. So kann die Verhältnismäßigkeit zwischen den Menschen geachtet und jedem das Seine (suum cuique) zugestanden werden. Thomas wusste aber auch, dass die höchste Form der Zuwendung Gottes nicht in seiner Gerechtigkeit liegt. Der Mensch verdankt sein Erlöstsein vielmehr der göttlichen Barmherzigkeit.

Die Rolle des Glaubens - gab der Theologe Sedmak zu bedenken - liegt in der Motivation der Menschen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Die Kirche glaubt besonders auch im Blick auf die Heilige Schrift, dass es der Liebe und der Barmherzigkeit als Motor bedarf. Die rein irdische Gerechtigkeit, nach der wir dürsten, reicht nicht aus, sagte Sedmak und fasst zusammen: Es gibt so etwas wie eine natürliche Gerechtigkeit, die vor menschlicher Vereinbarung liegt. Und es gibt auch eine übernatürliche Gerechtigkeit, die nach den menschlichen Vereinbarungen liegt. Und dann gibt es für den gläubigen Menschen auch noch einen Zusammenhang zwischen dem Leben hier und dem Leben dereinst. Das lässt sich als „konnektive Gerechtigkeit“ im Sinne von Jan Assmann fassen. Und Clemens Sedmak veranschaulich diesen Begriff in einem Satz: „Ich hoffe auf den Himmel und ich hoffe, dass andere auch in den Himmel kommen.“

In der anschließenden Diskussion wurden noch (zeitlos) aktuelle Themen wie gerechte Entlohnung oder das Modell eines bedingungslosen vs. bedarfsorientierten Grundeinkommens ausführlich besprochen. (KHK)