Organisation

Katholischer Akademikerverband

Das Gericht als Ort der Hoffnung

Ein KAV-Studientag mit Prof. Jan-Heiner Tück im Maria Saal

„Der christliche Auferstehungsglaube ist nicht unvernünftig.“ Mit dieser Feststellung begann der renommierte Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück seine Ausführungen zur christlichen Eschatologie bei einem Studientag des Katholischen Akademikerverbandes Kärnten am 14. Oktober 2016 in Maria Saal. Die Sehnsucht, den Tod zu überdauern und Bleibendes zu stiften, ist vielen Menschen zu eigen. Auch die Hoffnung für geliebte Menschen geht erfahrungsgemäß über die Grenze des Todes hinaus. Gabriel Marcel hat es klassisch formuliert: „Einen Menschen lieben heißt sagen: Du sollst nicht sterben.“ Auch Gerechtigkeitsmotive, wie etwa das Postulat, dass Täter nicht auf Dauer oder gar ewig über ihre Opfer triumphieren mögen, ragen in das überiridische Leben hinein.

Einmalige Lebensgeschichte - befristet und unwiederbringlich

Christen glauben an die Auferstehung der Toten. Die Auferstehung Jesu ist keine Wiederbelebung eines Leichnams, sondern der „Übergang in ein neues Leben, das keinen Tod mehr kennt“. Tück sprach von einer „verklärten Identität des Auferstandenen“, dessen einmalige Lebensgeschichte nicht annulliert, sondern verwandelt wurde (transfiguratio). An dieser Stelle zog der Referent auch klar die Grenze zu diversen Reinkarnationsvorstellungen, die mit dem christlichen Geschichts- und Zeitverständnis und den damit verbundenen „Momenten der Einmaligkeit, der Befristung und der Unwiederbringlichkeit“ nicht vereinbar sind. Das Geschehene ist geschehen und kann in einem späteren, weiteren Leben nicht besser oder gar rückgängig gemacht werden. Die Erlösung von Schuld und Sünde ist aus christlicher Perspektive eben nicht das Ergebnis menschlicher Leistung, sondern unverdiente Gnade Gottes. Sie ist ein Geschenk, das angenommen werden will.

«Gott ist das Letzte Ding des Geschöpfs.
Er ist als Gewonnener Himmel,
als Verlorener Hölle,
als Prüfender Gericht,
als Reinigender Fegfeuer»
(Hans Urs von Balthasar)

Im zweiten Hauptteil seiner Ausführungen zeigte Professor Tück, dass die in Volksfrömmigkeit und christlicher Kunst oft besonders fantasiereich ausgestalteten Bilder von Hölle - Fegefeuer (Purgatorium) und Himmel keine lokalisierbaren Orte beschreiben, sondern letztlich „Christus umschreiben, der das wahre Licht und das wahre Leben, der Lebenbaum ist“, wie der Theologe Joseph Ratzinger schon in seinem Eschatologiebuch schrieb.

Hölle als absolute Kommunikationsverweigerung

Die christliche Lehre von der Hölle, über die schon die Kirchenväter vortrefflich streiten konnten, hat letztlich nicht die Funktion, über Jenseitiges zu informieren und in naiver Weise unsere Raum-Zeit-Vorstellung ins Jenseits zu projizieren. Wir dürfen uns nicht die „Hölle im Sinne eines postmortalen KZs“ ausmalen. Diese Lehre kann als deutlicher Hinweis auf die reale Möglichkeit einer Selbstverfehlung des Menschen verstanden werden. Der Jesuit Medard Kehl spricht von der „absoluten Kommunikationsverweigerung gegenüber der Liebe Gottes“. Zu beachen ist, dass es der Mensch selbst ist, der in einem freien Akt der Abwendung bzw. Selbstverschließung den ewigen Gottesverlust wählt.

In einer angeregten Diskussion über das Thema Hölle wurde auch der große Theologe Hans Urs von Balthasar als Anwalt einer Hoffnung für alle Menschen zitiert. Er schrieb: „Der Sünder, der von Gott weg verdammt sein will, findet in seiner Einsamkeit Gott wieder, aber Gott in der absoluten Ohnmacht der Liebe, der sich unabsehbar in der Nicht-Zeit mit dem sich Verdammenden solidarisiert.“ (Mehr über H. U. v. Balthasar und seine Eschatologie lesen Sie >> HIER )


Gerechtigkeit und Gnade - Christus als Richter und Retter

Das Purgatorium (Fegfeuer) beschrieb Tück als einen „Prozess des In-die-Wahrheit-Kommens durch Christus, den Richter und Retter. Er verwies dabei auf die zu wenig beachtete Enzyklika SPE SALVI (Nr. 46f) von Papst Benedikt XVI. „Das Gericht Gottes ist Hoffnung, sowohl weil es Gerechtigkeit wiewohl weil es Gnade ist“, heißt es dort. Christus selbst ist „das verbrennende und zugleich rettende Feuer“, er ist der Richter und der Retter zugleich.


Das unverzeihliche Verzeihen - Hoffnung für alle

Kann auch das Unverzeihliche verziehen werden, werden die Täter bereuen, können die Opfer verzeihen, wird es eine eschatologische Aufrichtung der Gerechtigkeit geben? Diese brennenden Fragen standen im Mittelpunkt des dritten Vortrages der Tagung.

In einem exzellenten Stück narrativer Theologie, das im neuesten Buch von Jan-Heiner Tück auch nachzulesen ist, führte der Referent das interessierte Auditorium anhand der Novelle „Das Konzert“ von Hartmut Lange in diese komplexe Thematik ein. In dieser Erzählung wird die Grenze zwischen Lebenden und Toten aufgehoben, es geht um die verdrängte Schuld der Täter und um das vergessene Leid der Opfer und um die Frage, ob dieses Missverhältnis im Gericht geheilt werden kann.

Eine eschatologische Hoffnung für alle setzt darauf, dass trotz allem, was geschehen ist und sich historisch auch nicht mehr ungeschehen machen lässt, „keiner dem ewigen Tod überlassen wird, dass vielmehr die Opfer zur Vergebung und die Täter zur Annahme der Vergebung befähigt werden. In der Person des auferweckten Gekreuzigten, der die Inkarnation der unbedingten Feindesliebe ist, hat diese Hoffnung ihren Anhalt.“

Das Gericht als Topos der Hoffnung steht dafür, dass am Ende alles ans Licht kommt und die mit Füßen getretene Gerechtigkeit aufgerichtet wird. Wenn aber der Richter, der alle mit der Wahrheit ihres Lebens konfrontiert, zugleich der Retter ist, der den Verlorenen bis in den Abgrund ihrer Schuld nachgegangen ist, dann steht auch die Frage im Raum, ob am Ende nicht doch alle gerettet werden können – ja, ob es vielleicht sogar eine Versöhnung zwischen Tätern und Opfern geben kann.

Das ist hoffnungsvoller Ausblick!

 

Bericht: KH Kronawetter