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Referat für Spiritualität

Alle Menschen ehren - Teil 9 der Reihe Benediktinische Lebensimpulse

Eine Serie von P. Maximilian Krenn OSB, Administrator des Stiftes St. Paul im Lavanttal

Gottesdienstfeier im Stiftsgarten St. Paul (Foto: Stift St. Paul i. Lav.)
Gottesdienstfeier im Stiftsgarten St. Paul (Foto: Stift St. Paul i. Lav.)

Der Hl. Benedikt ist kein Freund eines theoretischen Christentums und schwülstiger Erklärungen, sondern ein Liebhaber der religiösen Praxis und des klaren, aber maßvollen Wortes. So birgt das 4. Kapitel seiner Regel, die „Werkzeuge der christlichen Kunst“, eine nüchterne Aufzählung von lebenstauglichen Hinweisen, wie ein Leben mit Gott und seiner Schöpfung im Alltag gelebt werden und gelingen kann.

Den Anfang dieses Kapitels macht der Dekalog (10 Gebote), den er mit einem Zusatz abschließt: alle Menschen ehren. Dieser Satz ist typisch für den benediktinischen Geist, weil er noch einmal eine wunderbare Hilfe darstellt, wie die Liebe zum Nächsten und alle anderen Gebote in Geist und Herz präsent sein können und jederzeit anzuwenden sind.

Im „Ehren“ des Nächsten liegt ein großer und auch kleiner Anspruch: groß, weil es ausnahmslos allen Menschen gilt, also auch meinem Feind. Klein, weil noch nicht das große Wort „lieben“ gebraucht wird. Wenn ich den anderen ehre, ehre ich auch mich selbst. Ich beginne damit, auch den Schöpfer zu ehren, weil ich anerkenne, dass er „alles gut gemacht hat“, wie es im Buch Genesis heißt. So beginne ich in Frieden zu kommen mit allem, was lebt.

Ehren bedeutet auch, dass ich die Demut einübe, die ja ein Zeichen für Gottes Gegenwart ist. Ich verzichte damit auf das Richten, vor dem Jesus besonders warnt. Im Verzicht auf den Richterstuhl, der mich über den anderen erhebt, trete ich wieder in den Lebensstrom Gottes ein, der „Seine Sonne über Böse und Gute aufgehen lässt“. Ich erkenne dadurch an, dass wir alle Seine Geschöpfe, Seine Kinder sind und dass der Schöpfer, solange er uns Lebensatem lässt, am Werk ist. Diese Ehrfurcht wird in der Folge zur echten Liebe führen, die ein Geschenk von oben ist.


Fragen

  • Wie kann ich einen Menschen ehren, auch wenn er mir zuwider ist?
  • Kenne ich die bewusste (innere) Verbeugung vor anderen?

Geben Sie ein Feedback, schreiben Sie bitte per E-Mail an P. Maximilian Krenn OSB

Regeltext


Kapitel 4: Die Werkzeuge der geistlichen Kunst

1. Vor allem: Gott, den Herrn, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.
2. Ebenso: Den Nächsten lieben wie sich selbst.
3. Dann: nicht töten.
4. Nicht die Ehe brechen.
5. Nicht stehlen.
6. Nicht begehren.
7. Nicht falsch aussagen.
8. Alle Menschen ehren.
9. Und keinem anderen antun, was man selbst nicht erleiden möchte.