Organisation

Referat für Schöpfungsverantwortung

Grenzen anerkennen

Was das GDK Klagenfurt und Belo Monte verbindet

Ernst Sandriesser, Protestkundgebung Gasdampfkraftwerk Klagenfurt am 24. März 2012 (© Foto: Stefan Merkac)
Ernst Sandriesser, Protestkundgebung Gasdampfkraftwerk Klagenfurt am 24. März 2012 (© Foto: Stefan Merkac)

Dom Erwin Kräutler, der austrobrasilianische Bischof von Altamira am Rio Xingu schreibt, dass nun der seit 40 Jahren versprochene Strassenteil der Transamazonia endlich asphaltiert wurde: In der Regenzeit braucht man für dieses kurze Stück bis zu vier Tagen. Aber „die Freude der Armen dauert kurz“, sagt ein brasilianisches Sprichwort. Die Strecke, die in Rekordzeit asphaltiert wurde, ist jener Teil der Transamazonica, den man als Zubringerstraße für das Kraftwerk Belo Monte benötigt. Kein Kilometer mehr! Nicht die Menschen und ihr Wohl stehen im Mittelpunkt. Nein, ein Riesenwasserkraftwerk wird zum Inbegriff allen Fortschritts. Damit Belo Monte gebaut werden kann, muss nicht nur der tropische Regenwald weichen. Die seit Jahrzehnten ansässigen Familien werden enteignet, bewusst und vorsätzlich ihrer Lebensgrundlagen beraubt, in die Armut gejagt. „Viel zu viel Land für die Indios!“, „Indios sind ein Hemmschuh für den Fortschritt!“
Jährlich sind Dutzende Indios Opfer von Mordanschlägen. Jugendliche wählen den Freitod, um der Qual zu entkommen. Weil die Indios „anders“ sind und nicht im Sinne des neokapitalistischen Systems „produzieren“, wird ihnen das Recht auf Leben abgesprochen.

Mehr als 10.000 Kilometer entfernt freuen sich dieser Tage tausende Österreicher, weil sich der Wert ihrer Anteilscheine am Konzern Andritz  um 30% erhöht hat – auch wegen Belo Monte, wo Andritz am Kraftwerk mitbaut.
Wenn wir heute im Zusammenhang mit dem Gasdampfkraftwerk in Klagenfurt auch an die indigene Bevölkerung am Belo Monte denken, fragen wir uns, ob wir nicht selber in einer ähnlichen Situation sind ?
Denn es geht nicht nur um dieses Kraftwerk in Klagenfurt, dass nur eines  - hoffentlich das letzte - in der Kette vieler energiepolitischer Fehlentscheidungen und Sackgassen ist, die wir betreten haben. Es geht auch nicht nur um einen Energieerzeuger, der hier bauen will. Es geht letztlich um die Anerkennung einer Grenze, die uns die Natur vorgibt.
Deshalb kann sich eine Neuordnung der heimischen Energiepolitik nach den Katastrophen von Fukushima und der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nicht mit der bloßen Bewertung von Einzelsektoren begnügen („Kärnten ist führend bei der Nutzung von Wasserkraft“, „Gas ist klimaschonender als Öl“, etc.), sondern ist verpflichtet, neben der Gruppe der Verbraucher und der Lobby der Erzeuger auch die Ökosphäre und die künftige Generationen als Anspruchsgruppen in die Beurteilung mit einzubeziehen.

Der Mensch zerreist das Band zwischen sich und seiner Mit-Welt. Er bricht den Bund mit der Schöpfung, beginnt die Natur zu manipulieren und zu vergewaltigen. Die Folgen sind verheerend. An die Stelle verbindlicher ethischer Richtlinien und gemeinsamer Maßnahmen zum Schutz der geschundenen Mit-Welt treten Konzessionen für den Raubbau an den Naturreichtümern und Lizenzen für umweltzerstörende Mammutprojekte.

Es ist an der Zeit, zusammen mit den Schwestern und Brüdern aller Religionen und Bekenntnisse für die bedrohte Schöpfung einzutreten. Das allein aber genügt nicht! Jede und jeder von uns hat sich zu fragen, inwieweit sie oder er für den langsamen Tod unseres Planeten mitverantwortlich ist, so Bischof Erwin Kräutler.

Ein bescheidener, maßvoller und genügsamer Lebensstil ist das Gebot der Stunde und der Mut zum Verzicht.

(Rede von Mag. Ernst Sandriesser im Rahmen der Kundgebung am 24. März 2012)