Organisation

Referat für Schöpfungsverantwortung

Das Klimabündnis - ein weltweites Vorbild für partnerschaftlichen Klimaschutz

Eine Delegation aus Amazonien besuchte die Klimabündnisgemeinden in Kärnten

Die 30-jährige Partnerschaft zwischen Österreichs Städten und Gemeinden mit den indigenen Organisationen vom Rio Negro trägt Früchte: Das Klimabündnis Österreich schützt das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet in Amazonien.

Eine Delegation aus Amazonien besuchte die Klimabündnisgemeinden in Kärnten

Janete Figueredo Alves vom Volk der Desana war als „Landeshauptfrau“ eines riesigen Teilgebietes des Rio Negro in Amazonien drei Tage im Bundesland Kärnten unterwegs. Die Mutter von vier Kindern war das erste Mal in ihrer Funktion als Regionaldirektorin der FOIRN, des Dachverbands der indigenen Organisationen vom Rio Negro, in Europa. Alves war in wissenschaftlicher Begleitung der Biologin Natalia Camps Pimenta vom brasilianischen Institut für Umwelt und Soziales zu Besuch in Klimabündnis-Gemeinden.

Die erste Station ihrer Reise war Wolfsberg. Nach einem stilgerechten Empfang mit dem Lastenrad in Wolfsberg durch Stadtrat Jürgen Jöbstl und den Chef der Umweltabteilung, Günter Rampitsch, ging es weiter nach St. Michael ob Bleiburg / Šmihel pri Pliberku.

„Der Weltacker steht symbolisch für die 2000 Quadratmeter, die jeder Erdbewohner im Schnitt für den eigenen Konsum zur Verfügung hat. Wir in Europa brauchen wesentlich mehr als 2000 Quadratmeter! Wenn wir vor Ort nachhaltig wirtschaften, wie hier am Weltacker und in Kreisläufen denken, brauchen wir nicht billige Futtermittel wie Soja, dessen Anbau indirekt die Regenwaldzerstörung in Brasilien mitverursacht, nach Europa importieren“,

mit diesen aufrüttelnden Worten begrüßte Bischofsvikar Hans Peter Premur die Delegierten aus Amazonien auf dem "Weltacker / Njiva zemljanov" in St. Michael ob Bleiburg / Šmihel pri Pliberku. Dort lernen alle, ob Jung oder Alt, wie viel wir auf 2000 Quadratmeter ernten können. Im Anschluss wurde bis spät in die Nacht im nahen Gšeft, einer authentischen Bio-Greißlerei mit integriertem Café, über Gott und die Welt diskutiert.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Villach. Besonders spannend war dort ein Videochat mit Schüler:innen, welcher österreichweit übertragen wurde. Die Schüler:innen des Centrums Humanberuflicher Schulen in Villach organisierten eine hochprofessionelle Videokonferenz mit Live-Stream aus dem Klassenzimmer. Die beiden Gäste wurden von den Jugendlichen regelrecht mit Fragen bombardiert. „Werdet ihr bedroht?“, fragte ein Schüler. „Ja, es ist teils absolut lebensgefährlich, sich Gruppierungen, die den Regenwald abholzen und Rohstoffe illegal abbauen, entgegenzustellen“, erklärt Janete Figueredo Alves vom Volk der Desana. Doch auch Praktisches weckte großes Interesse bei den Schüler:innen. Ob man mit der Schulausbildung an Unis kann, wovon man sich vornehmlich ernährt oder wie man mobil ist, waren nur einige der Fragen.

Das Rio Negro-Flussbecken

Bei einer Gelegenheit wurde Janete gefragt, wer auf ihre vier Kinder aufpasst, wenn sie so weit und so lange von zu Hause weg ist. Sie hat das Glück, dass alle Menschen im Dorf, Männer wie Frauen gleichermaßen, ihre eine Stütze sind. Ihre männlichen Kollegen haben sie bestärkt, nach Europa zu reisen, um ihr Potential als Führungskraft voll entfalten zu können. Die Verantwortung über ihre Kinder wird in der Zwischenzeit vom Vater und den anderen Dorfmitgliedern getragen. Nicht nur ihr Dorf, sondern alle Menschen im Regenwald vom Rio Negro wissen um die große Verantwortung, die sie trägt. Denn ohne intakten Lebensraum am Rio Negro haben alle Kinder des Regenwaldes keine Zukunft!

Das Rio Negro-Flussbecken ist jenes Gebiet, welches die österreichischen Klimabündnisgemeinden partnerschaftlich seit 30 Jahren unterstützen. Damals in den 1990er Jahren als exotisch beschrieben und oftmals belächelt, wenn nicht ignoriert, haben hier die Klimabündnis-Gemeinden inzwischen Großes geleistet. Ende des vorigen Jahrhunderts wurde der Regenwald meist noch als nahezu menschenleerer Raum gesehen. Es galt, Tiere und Pflanzen zu beschützen. Es war die Zeit, zu der man den Regenwald per Quadratmeter „freikaufte“. Dieses Freikaufen war jedoch für die vor Ort lebenden indigenen Völker völlig unverständlich: „Wieso sollten sie freikauft werden, wo sie doch seit Jahrtausenden von und mit dem Regenwald leben?“

Man stelle sich vor: Eine Delegation aus Amazonien kommt ins Kärntner Mölltal und will die dort lebenden Einheimischen per Quadratmeter freikaufen. Da gäbe es einen Aufschrei, den man über weit übers Mölltal hinaus hören würde!

Menschenrechte und Naturschutz müssen zusammen gedacht werden

Was nach allen Kriterien der Menschenrechte und des Klimaschutzes inzwischen zum Hausverstand gehört, war vor 30 Jahren „ganz was Neues“. Denn das Klimabündnis schützte nicht vordergründig den Regenwald, sondern die Menschen, die dort lebten. Und das wichtigste war, ihnen die Landrechte zu sichern. Mithilfe der Klimabündnisgemeinden ist es gelungen 135.000 Quadratkilometer Regenwald – eine Fläche, die 1,6-mal so groß wie Österreich ist – als indigenes Siedlungsgebiet anzuerkennen und so langfristig gesetzlich unter Schutz zu stellen.

„Die Hilfe der Klimabündnisgemeinden hat die indigene Bevölkerung sehr gestärkt, unsere Großeltern hatten das nicht. Vor allem in der Amtszeit unter Präsident Jair Bolsonaro war dies sehr wichtig. Wir hatten in unseren Gebieten dadurch nicht so große Probleme mit der Abholzung“,

berichtet Janete, die vom Volk der Desana stammt. In der Region leben 23 verschiedene Völker in 750 Dorfgemeinschaften. „Es werden 17 verschiedene Sprachen gesprochen, die fünf Sprachstämmen angehören“, so Janete, die selbst neben Portugiesisch noch drei indigene Sprachen spricht.

Sie können nun selbst bestimmen, was mit ihrem Land geschieht. Inzwischen ist der Obere und Mittlere Rio Negro gemeinsam mit den angrenzenden Gebieten eines der größten zusammenhängenden und nachgewiesen intakten Regenwaldgebiet weltweit. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf unser Weltklima. Auf den Indigenen Territorien liegt die Rodungsrate bei nur 0,06%! Was in den 90er Jahren noch belächelt wurde, ist nun ein weltweites Vorbild für partnerschaftlichen Klimaschutz. Die sorgsam und über die Jahre aufgebaute Partnerschaft trägt nun erste Früchte und auch immer mehr Menschen in Europa beginnen zu verstehen, wie wichtig der Regenwald für uns alle ist.

Villach als Wiege des Klimabündnis Österreichs

Die theoretischen Grundlagen für die globale Partnerschaft wurden vor über 30 Jahren großteils in Villach erarbeitet. Daher war es der Delegation auch eine große Ehre, von der Stadt Villach empfangen zu werden. Im Stadtmuseum traf man sich mit den Klimapionier:innen Christa Pfeiler, Claudia Pacher, Andreas Strasser, die schon von Anfang an dabei waren. „Als Vizebürgermeister:in der Stadt Villach freut es mich besonders die Regionaldirektorin eines riesigen Gebiets am Alto Rio Negro begrüßen zu dürfen.

"Es ist für die Stadt Villach eine große Verantwortung, die Klimabündnispartnerschaft seit 30 Jahren begleiten zu dürfen. Und was mich besonders freut ist, dass Frauen hier in Villach mit ihrer Weitsicht die wesentlichen Grundlagen für globalen Klimaschutz geschaffen haben“,

brachte es Sarah Katholnig auf den Punkt.

Der anthropogene Klimawandel ist auch in Österreich angekommen

Mitten in den Alpen zeigten wir der Delegation, die schon sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels. Die Folgen des Unwetters vom Juni in Treffen zeigten ihnen, wie auch hierzulande die unheimliche Kraft von Starkniederschlägen großflächige Schäden anzurichten vermag. Innerhalb von Minuten kam es im Ortsgebiet zu gewaltigen Zerstörungen.

„Nach nur 15 Minuten war das riesige Rückhaltebecken voll mit Geschiebe“,

erzählte Bürgermeister Klaus Glanznig, der es sich nicht nehmen ließ, der Delegation die Orte der katastrophalen Zerstörung persönlich zu zeigen.

In Millstatt empfingen Bürgermeister Alexander Thoma, Amtsleiter Peter Pirker und die KLAR!-Managerin Franziska Weineiss die Delegation. Franziska Weineiss lebte selbst einige Monate in einem Dorf namens Sani Isla im ecuadorianischen Teil des Amazonas. Natur- und Artenschutz sowie nachhaltiger Tourismus werden hier im Kampf der einheimischen Bevölkerung gegen die Erdölindustrie genutzt.

„Das natürliche Verständnis für den sorgsamen Umgang mit der Natur aufgrund der Abhängigkeit in allen Lebensbereichen ist in vielen Teilen Amazoniens noch weit verbreitet. In der westlichen Welt geht dies leider aus unterschiedlichen Gründen immer mehr verloren, weshalb solche interkulturellen Austausche ganz wichtig sind“,

so beschrieb Franziska Weineiss ihre Erfahrungen. Nach einem intensiven Erfahrungsaustausch und der Eintragung ins Ehrenbuch von Millstatt war die nächste Station der Nationalpark Hohe Tauern.

Erstaunt waren sie von der gewaltigen Dimension des Rückgangs des Gletschers Pasterze. Der größte Gletscher Österreichs wird bald in zwei Teile zerbrechen und dann nur mehr in unseren Geschichtsbüchern der größte Gletscher der Ostalpen sein.

Voller Faszination beobachteten sie die Bergsteiger und die Gämsen an den Berghängen. „In Amazonien würden wir niemals auf die Idee kommen, Häuser in den Bergen zu bauen. Wir bauen unsere Dörfer entlang der Flüsse, die Berge sind bei uns heilig, da darf kein Mensch ein Haus bauen“, wunderte sich Janete über die Baukultur in unseren Bergen. Im Laufe der Reise erzählten die Bürgermeister:innen immer wieder, wie der Klimawandel vor Ort sich durch Sturm, Hagel, Borkenkäfer, Hitzewelle auswirkt. So erschreckte auch der Anblick der unzähligen Käferbäume während der Reise Janete:

„Es ist traurig, anzusehen, wie viele Bäume hier bereits ihr Leben lassen. Bäume sind unsere Quelle der Luft, ohne sie gibt es kein Leben. Sie und unsere Wälder zu schützen ist für uns Indigene selbstverständlich.“

Umgekehrt erzählten die Gäste aus Amazonien wiederholt, wie sich bei ihnen der Klimawandel auswirkt. „Die Jahreszeiten haben sich geändert. Früher haben wir gewusst, wann wir aussäen und wann wir ernten können. Jetzt haben wir mehr Extreme. Einmal ist Hochwasser, dann wieder einen fast ausgetrockneten Flusslauf!“, erklärt Janete: „Für uns, die sich hauptsächlich von dem ernähren, was sie anbauen, birgt das große Gefahren. Wir verlieren bei großer Trockenheit oder übermäßigen Überschwemmungen nicht nur die heurige Ernte, sondern auch unsere Samenbank für das kommende Jahr. Zudem sind wir ob Hoch oder Niederwasser in unserer Mobilität eingeschränkt. Wir haben keine Straßen, der Fluss ist unsere Lebensader.“

Auf die Frage der KLAR-Managerin Sabine Seidler, wie die Janet und Natalia das Verhältnis von Mensch und Natur in unseren Regionen wahrnehmen würden.

„Die Menschen hier in Österreich haben einen ganz anderen Bezug zur Natur. Man lebt entkoppelt von ihr. Es wäre wichtig sich selbst wieder als Teil der Natur zu verstehen“,

war unisono die Antwort von Janete und Natalia.

Beim Abendessen im ehemaligen Kloster Döllach wurde bis spät in die Nacht mit der Nationalparkdirektorin Barbara Pucker, Bürgermeister Peter Suntinger und Eckhard Sauper über die unterschiedlichen Zugänge von Mensch und Natur und die Folgen des Klimawandels diskutiert,

Zum Abschluß der dreitätigen Reise durch Kärnten wurden Fotos von der Delegationsreise von 1996 gezeigt. Damals waren Jose Luis Gonzales und Juan Chavez die ersten Vertreter Amazoniens zu Besuch im Nationalpark. „Damals war die Pasterze noch viel größer“, erwähnte Eckhard Sauper, der 1996 auch dabei war, so nebenbei. In diesem Moment wurde allen schlagartig bewußt, dass Klimaschutz das Gebot der Stunde ist und warum das Klimabündnis als globale Partnerschaft zum Schutz des Weltklimas so notwendig ist!

Text: Christian Salmhofer, Kerstin Plass, Brigitte Drabeck, Franziska Weineiss, Sabine Seidler

Rückfragen:

Klimabündnis Kärnten
Wieningerallee 19
9201 Krumpendorf
www.klimabuendnis.at

Mag.Christian Salmhofer
0699/ 109 76 125
christian.salmhofer@klimabuendnis.at

Das Klimabündnis ist ein globales Klimaschutz-Netzwerk. Die Partnerschaft verbindet 23 indigene Völker in Amazonien mit mehr als 1.700 Gemeinden aus 26 Ländern in Europa. In Österreich setzen sich über 1000 Klimabündnis-Gemeinden, 1.300 Klimabündnis-Betriebe sowie 700 Klimabündnis-Schulen und -Kindergärten für Klimaschutz und Regenwald ein.