Pfarre

Villach-St. Martin

Filialkirche St. Thomas

 (© Foto: pfarre villach-st. martin)
(© Foto: pfarre villach-st. martin)

Seit dem Jahr 811, als Karl d. G. einen Streit zwischen den Bischöfen von Salzburg und Aquileja durch sein Machtwort regelte, war die Drau durch ganz Kärnten Diözesangrenze (sie blieb es bis vor 200 Jahren). Alles was südlich der Drau lag, gehörte zum Patriarchat von Aquileja bzw. dessen Nachfolgern.
So machten sich - wohl nach langer Zeit wieder einmal - im Auftrag des Patriarchen von Aquileja der Bischof von Caorle, Pietro, und der Sekretär des Patriarchen im Jahre 1485 und 1486 auf den Weg in das deutsche Gebiet der Diözese, um die bischöflichen Funktionen auszuüben.

Santoninos Bericht

Der Sekretär Paolo schrieb bei dieser Reise ein Tagebuch, das seit 1549 in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird und erst 1947 ins Deutsche übersetzt und bei uns bekannt wurde. Darin heißt es:
"Am 11.September (1486) erhoben wir uns frühzeitig und kamen zur neuen Kirche St. Thomas und der anderen Apostel, die eine Filiale der Pfarre von St. Martin nahe Villach ist. Dort weihte der Herr Bischof diese Kirche zu Ehren des Hl. Thomas und der anderen Apostel, ebenso den Hochaltar unter dem gleichen Titel.
Desgleichen weihte er zwei andere Altäre, den rechten und den linken, den rechten zu Ehren des hl. Johannes des Täufers und Abtes Ägidius, den linken aber zu Ehren der seligen Jungfrau Maria. Das Kirchweihfest aber setzte er jährlich am Sonntage nach dem Fest der hl. Anna, der Mutter der seligen Jungfrau Maria, an. Ferner hinterlegte er in diesen Altären Reliquienpartikel von Johannes d. Täufer, den 11.000 Jungfrauen, dem Märtyrer Protus, von Hiero und Genossen, von den Jungfrauen Anastasia, Agatha und Agnes, von den Aposteln Petrus und Jakobus, vom Erzmärtyrer Stephanus, von Gregor und Sebastian, vom Grabsteine der seligen Jungfrau. Die genannte Kirche des hl. Martin, die der ehrwürdige Herr Pfarrer Johann Fröhlich leitet, besitzt außer der besagten Kirche des hl. Thomas noch vier andere Filialkirchen und steht laut Mitteilung unter dem Patronatsrechte des ehw. Herrn Bischofs von Bamberg. Nach dem Gottesdienste kehrten wir im nahen Dorfe Vellach zum Mittagessen ein. Vellach ist ein wenig mehr als eine Meile von der Stadt Villach entfernt.
Daselbst wurden mehr und schmackhaftere Gänge aufgetragen als anderswo, ein Verdienst des sorgsamen Herrn Johann Fröhlich, den ich soeben erwähnt habe. Wir bekamen nämlich: erstens junge Hühner in weißer, köstlich gewürzter Soße, zweitens fette Hennen mit Rindfleisch, in eigenem Saft gedünstet und eingemacht, drittens ganz frische Forellen, die aus dem nächsten Bache gebracht waren, viertens gebratene Hühner mit Lendenbraten vom Rind, fünftens frisches Kraut, als Nachspeise eine fette Mehl- bzw. Reissuppe, die vortrefflich schmeckte. Dabei fehlten nicht weißes Gebäck von prächtiger Form und nicht Wein, der den guten Gerichten nicht nachstand. Am selben Tag kehrten wir nach Villach zurück und bekamen dort ebenfalls gutes Abendessen."
Einen interessanten Einblick in das Leben dieser Zeit gibt Santonino, wenn er an anderer Stelle "Alles über die genannten Deutschen" schreibt:
"In allen Orten, wo wir gewesen sind und von denen vorher die Rede war, fanden wir die Frauen schöner als die Männer. Es haben aber fast alle Leute beiderlei Geschlechts Kröpfe, die nach meiner Ansicht vom kalten bzw. frischen Wasser entstehen.
Von der Pfarre St. Daniel im Gailtale abwärts bis Villach leben unter den Deutschen Slawen, und beide Völker sind zweisprachig. Zu verwundern ist es, wie sie Zeit für Festmähler und Trinkgelage haben, so dass sie Tag und Nacht nicht aufhören. Man hat den Eindruck, dass je mehr und je verschiedenere Gänge aufgetragen werden, sie ihren Appetit immer wieder erneuern. Ein Zuschauer mag nicht ohne Übertreibung sagen: Diese Leute haben allmächtige Mägen. Sie haben allenthalben Überfluss an Gänsen, und davon kommt es, dass auch die kleinsten Keuschler erlesene Federbetten besitzen. Nach dem Schnitte wird, was sie ernten, auf Holzstangen gehängt, die an freiem und sonnigem Platze gesetzt werden. Die Kleidung fast aller besteht aus grobem Tuche. Sie tragen auch Mützen aus Pelzwerk. Die Edelfrauen tragen in dieser Jahreszeit Mäntel aus Fuchspelz. Diese sind unschön in der Form, doch teuer und sehr nützlich gegen Kälte und Schlechtwetter.
Die Geistlichen haben meistenteils Wirtschafterinnen, junge und schöne, denen auch Mägde beigegeben sind. Die Zivilbevölkerung nimmt daran keinerlei Anstoß, denn fast überall werden von ihr die Geistlichen verehrt, geachtet und hochgeschätzt.
Nirgends ist bei den vielen Weihen von Kirchen und Altären, welche der ehw. Bischof vollzogen hat, getanzt worden, sondern alle wohnten lediglich in einziger Andacht, dem Gottesdienste bei. Nirgends kam es zum Raufen oder zu Streitigkeiten, nirgends gab es auch nur den geringsten Skandal. Es mögen sich daher die Friauler Bauern schämen, die an Zucht und Frömmigkeit von den Barbarenleuten übertroffen werden.
Allenthalben leiden die Leute in den Orten sowohl als in den Burgen und am flachen Lande durch den äußersten Mangel an Haarschneidern, da sich fast nirgends ein guter und meist auch kein schlechter Haarschneider findet, der eine öffentliche Barbierstube betriebe. Die Leute erweisen sich jedoch gegenseitig abwechselnd diesen Dienst, so gut sie es können und verstehen. Die Handreichung solcher ist niemals ohne Schmerz, Blut und Tränen, und es könnte auch gar nicht anders sein, da sie im Handwerke des Barbiers völlig unerzogen und ungeübt sind. Sie haben Rasiermesser ohne Schärfe, schartig und nicht gewetzt, solche, die selbst für Büffel schmerzhaft wären. Wer es gesehen und erprobt hat, gibt auch Zeugnis ab, und glaubet mir, mein Zeugnis ist wahr: Ich habe nämlich öfter dieses Martyrium durchgestanden und trage auch so manche Narbe an mir."

Kunstwerke

Der Hochaltar von ca.1650 hat ein Gemälde Christus und Thomas, darüber eine Statue des hl. Florian. Der nördliche Seitenaltar stammt wohl aus dem Jahr 1771 (die Bezeichnung 1661 ist sehr fragwürdig!) und hat ein Gemälde Heimsuchung Mariens und im Oberbild den hl. Bartholomäus.
Am Bedeutendsten ist der gotische Flügelaltar aus der Zeit um 1450: im Schrein stehen Figuren der Hl. Nikolaus und Thomas, am Innenflügel Bilder von der Verkündigung, Geburt und Taufe Christi und von der Enthauptung Johannes des Täufers, seitlich die weiblichen Heiligen Margaretha, Barbara, Ursula und Agnes. Die Außenflügel zeigen Christus und Thomas, Heiligenmartyrien und Szenen aus der Thomaslegende. An der Predella sieht man die Hl. Georg, Martin, Christophorus und Rochus.
Im Museum der Stadt Villach sind als Leihgabe der Pfarre St. Martin zwei wertvolle Tafelbilder ausgestellt. Ein Bild des Meisters Friedrich von Villach zeigt Maria mit den Hl. Jakobus, Dorothea, Barbara und Matthias, entstanden um 1435. Das zweite Bild mit den Hl. Kunigunde und Lucia, Leonhard, Nikolaus, Bartholomäus und Briccius wurde gemalt um 1470/80 von Meister Thomas von Villach. Über diesen Meister Thomas von Villach berichtet auch Santonino, allerdings im Zusammenhang mit der Kirche St.Jakob: Man sieht in der Kirche weiterhin zwei Tafelbilder, die bei uns ancone (Anm. vom griech. Ikone) heißen, von der Hand des Meisters Thomas, eines hervorragenden und einzigartigen Malers, gemacht, eines zweiten Apelles. Bei diesen Bildern möchte man die Figuren lebend und nicht in Farbe dargestellt halten. Der Maler selbst ist Villacher Bürger, hat dort seine Kunst gelernt und ist mit ihr alt geworden. Von Statur ist er ein kleingewachsener Mann, von ruhigem Gesichtsausdruck und aufrechtem Sinne, er ist arm, weil er öfter, wie erzählt wird, seine Arbeiten umsonst hergibt, weil er die nicht gerichtlich belangt, welche sich glatt weigern, ihre Schuld zu bezahlen.

Kalvarienberg
Die Kirche am Kalvarienberg wurde laut Pfarrchronik im Jahre 1664, nach anderen Berichten um 1670 erbaut und laut Vale (einem Visitationsbericht) im Jahr 1673 vom damaligen Pfarrer von St. Martin eingeweiht.
In diese Zeit - manches deutet daraufhin, vielleicht gibt es auch einen wirtschaftlichen oder religiösen Zusammenhang mit der Errichtung der Kalvarienbergkirche - könnte auch die Anschaffung der Orgel fallen, von der z.B. der bekannte Musiker und Orgelreferent der Diözese, Dr. Nikolaus Fheodoroff, vor 10 Jahren, beim ersten Anlauf zur Restaurierung schrieb: "... eine kleine Barockorgel von vielleicht 1670, die sich in einem desolaten Zustand befindet, die jedoch erhaltenswert ist." Zuletzt schrieb der Sachverständige des Bundesdenkmalamtes, Abt. Klangdenkmale, Dr. Otto 8iba: "Aus stilistischen Gründen möchte ich es in die Zeit um 1700 bzw. in das frühe 18. Jahrhundert datieren..... Die Restaurierung und Rekonstruktion des Instrumentes kann dringend empfohlen werden, weil es sich um ein offensichtlich gut gearbeitetes Beispiel für einen großen, nicht transportablen Positiv-Typus des Barock handelt und genügend Voraussetzungen für eine verantwortungsbewusste Rekonstruktion gegeben sind." Die Orgel, die derzeit restauriert wird, hat 4 Register, die auf 5 Reihen spielen, mit je 45 Pfeifen, das sind insgesamt 90 Metallpfeifen und 135 Holzpfeifen.
Zurück zum Kalvarienberg: Es ist m. E. nicht ausgeschlossen, dass bereits früher ein Kreuzweg bestand, jedoch gibt es nirgends eine Erwähnung. Nach dem Ausbruch der Cholera im Jahre 1836 wurde ein Kreuzweg errichtet. Damals gaben die Einwohner der Fellach dieses Gelöbnis ab, das auf einer Tafel erhalten ist:
ERINNERUNG AN UNSERE NACHKOMMEN
"Im Jahre 1836 erhebt sich bei uns eine so fürchterliche Krankheit am Tage Maria Namensfest (12.9.), die so gräßlich wüthete, daß in 10 Tagen 55 von den stärksten Menschen hingerißen wurden, den diese Krankheit angriff, lebte nicht 24 Stund; wir überbliebenen Menschen aber verlobten uns, da es am Stärkesten wüthete, Gott den Allmächtigen diese Stationen neu zu erbauen, und da wir entschlossen waren, diese Lobung zu halten, verließ uns die fürchterliche Krankheit auf einmahl.
Ihr Kinder und alle Nachkommende, vergesset nicht unsere Lobung zu halten, und dieses kleine Gebäude von diesen Stationen, welche von diese zwey Dörfer Ober- und Untervellach erbaut worden sind, nicht wieder zu einer Zeit in euern Wohlstande und Vergessenheit auf Gott zu Grunde gehen lassen, damit nicht auch euch Gott der Allmächtige mit solchen Krankheiten heimsuchet.
Dieses schreiben wir mit zitternden Händen und mit weinenden Augen.
Diese Krankheit heißt zu unserer Zeit die Cholera Pestseuche.
Im Jahre 1840 erbauten wir den Thurm von Grund auf neu, wo vorher nur ein hölzerner war, zugleich auch das Kirchengebölbe, wozu auch Herr Graf von Egger und Frau von Obersteiner vieles beitrugen. Dies bestättigen wir als gegenwärtige Augenzeugen."