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Internetredaktion der Diözese Gurk

Psalm 116,1-9: Eine österliche Liebeserklärung

Psalm des Monats April

Der Prophet Jona und der große Fisch. Blatt aus einem Missale (um 1200) - Stift Melk (Foto: Walters Art Museum, Public domain, via Wikimedia Commons)
Der Prophet Jona und der große Fisch. Blatt aus einem Missale (um 1200, Stift Melk). Der lateinische Text ist der Introitus am Ostersonntag. Resurrexi — et adhuc tecum sum — alleluia! Ich bin auferstanden - und bin immer bei dir. - Alleluja! (Foto: Walters Art Museum, Public domain, via Wikimedia Commons)

In den Monat April fallen die Karwoche und die ersten beiden Wochen der Osterzeit. Beides findet in Psalm 116,1-9 seinen Ausdruck. Wir sind eingeladen, mit dem Gekreuzigten und allen Notleidenden unserer Zeit zu klagen: „Mich umfingen Fesseln des Todes; Bedrängnis und Kummer treffen mich“ (Ps 116,3) und mit dem Auferstandenen jubeln: „Ich gehe meinen Weg vor dem HERRN im Land der Lebenden“ (Ps 116,9). Hier finden Sie den Text des Psalms in deutscher und slowenischer Sprache und daran anschließend eine kurze Auslegung. Zudem erwarten Sie hier eine detaillierte Auslegung als Videovortrag und Audioaufnahmen zum Anhören oder Mitsingen.

DER TEXT

Psalm 116,1-9: Rettung aus Todesnot

Ich liebe den HERRN; denn er hört *
meine Stimme, mein Flehen um Gnade.
Ja, er hat sein Ohr mir zugeneigt, *
alle meine Tage will ich zu ihm rufen.
Mich umfingen Fesseln des Todes, /
Bedrängnisse der Unterwelt haben mich getroffen, *
Bedrängnis und Kummer treffen mich.
Ich rief den Namen des HERRN: *
Ach HERR, rette mein Leben!
Gnädig ist der HERR und gerecht, *
unser Gott erbarmt sich.
Arglose behütet der HERR. *
Ich war schwach, er hat mich gerettet.
Komm wieder zur Ruhe, meine Seele, *
denn der HERR hat dir Gutes erwiesen.
Ja, du hast mein Leben dem Tod entrissen, *
mein Auge den Tränen, meinen Fuß dem Straucheln.
So gehe ich meinen Weg vor dem HERRN *
im Land der Lebenden.

Psalm 116,1-9: Rešitev pred smrtjo

Ljubim GOSPODA, ker posluša *
moj glas, mojo prošnjo za milost.
Zakaj svoje uho je nagnil k meni, *
v svojih dneh ga bom klical.
Obdale so me vrvi smrti, /
dosegle so me stiske podzemlja, *
dosegel sem stisko in žalost.
GOSPODOVO ime kličem: *
»O GOSPOD, osvobodi mojo dušo!«
Milostljiv je GOSPOD in pravičen, *
naš Bog je usmiljen.
GOSPOD varuje preproste, *
bil sem slaboten, pa me je rešil.
Vrni se k svojemu počitku, duša moja, *
kajti GOSPOD ti je povrnil dobro.
Zares, rešil si mojo dušo pred smrtjo, /
moje oči pred solzami, *
moje noge pred padcem.
Hodil bom pred GOSPODOM *
v deželah živih.

Hier finden Sie den Text des Psalms im Postkartenformat, damit Sie ihn mittels Smartphone immer bei sich haben und wenn Sie möchten auch gemeinsam beten können.

DIE AUSLEGUNG

Hier finden Sie einige Gedanken zum Psalm von Klaus Einspieler, Bibelreferent der Diözese Gurk.

Das Gebet eines Armen

Eine Liebeserklärung an Gott, welch ein Anfang für ein Gebet! Ein Mensch hat erfahren, dass Gott in seinem Leben wirkt. Die großen Erzählungen der Bibel sind lebendig geworden und haben sich aufs Neue bewahrheitet. Das Gebet entstammt dem Milieu der armen Leute. Armut hält Menschen von Bildung fern und diese wiederum ist schon im Altertum die Basis für gesellschaftlichen Aufstieg. Damals wie heute teilen viele Menschen dieses Los. Daher bezeichnet sich der Beter als arglos und schwach. Er ist also auf Hilfe angewiesen; nur Gott kann ihn retten.

Ein Hilfeschrei aus Enge und Angst

Trägt der Glaube der Bibel? Hört Gott immer noch? In diesem Sinne hat er sich einst nämlich Mose im brennenden Dornbusch offenbart: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid“ (Ex 3,7). Später wird Israel vor Gott bekennen: „Wir schrien zum HERRN, dem Gott unserer Väter, und der Herr hörte unser Schreien“ (Dtn 26,7). Dasselbe hat sich Jahrhunderte später auch im Leben dieses namenlos gebliebenen Armen ereignet. Er hat um Gnade gefleht und Gott hat ihm sein Ohr geschenkt. Beim Blick zurück schnürt es ihm förmlich die Kehle zu. Er war in die Enge getrieben, von Angst, Kummer und Sorgen gepeinigt. Was ihm so zu schaffen machte, bleibt offen. Umso leichter können wir uns seine Worte zu Eigen machen, um unsere persönliche Not zu benennen. Als der Bedrängte nicht mehr weiter wusste, fasste er sich wie einst seine Vorfahren in der Sklaverei Ägyptens ein Herz und rief den Namen des HERRN an. Gottes Name verheißt nämlich Rettung. Das hat sich auch im Leben dieses Armen bewahrheitet. „Ach HERR, rette mein Leben!“ (Ps 116,4) – darum geht es doch im Grunde, wenn wir uns Gott zuwenden: um alles, unsere ganze Existenz.

Rettung aus jeglicher Not

Nach der Dramatik, die seine Erinnerung prägt, fasst der Beter wieder Tritt. Ja, es stimmt, was der biblische Glaube bekennt. Gott ist gnädig, gerecht und erbarmend. So hat ihn Israel kennengelernt, als er seinen Namen das zweite Mal offenbarte. Anders als das erste Mal hatte man sich damals durch das eigene Versagen ins Elend gestürzt. Alles schien verloren. Ist der Name Gottes auch eine rettende Zusage für jene, die selbst schuld an ihrem Elend sind? Wie sich gezeigt hat, lässt Gott den Menschen auch jetzt nicht im Stich. Sein Name steht für Rettung aus jeglicher Not, auch aus Schuld und Versagen.

Beten mit den Bedrängten

Wie sollen wir diesen Psalm also beten? Er verbindet uns mit Menschen, die im Leben zu kurz gekommen sind, die bedroht werden und Mangel leiden. Gott ist gerecht. Daher rettet er das Leben des Erniedrigten. In diesem Sinne ist der Psalm auch ein Gebet Jesu. Am Kreuz war er der Arme schlechthin – in die Enge getrieben und festgenagelt, nach Atem ringend und rufend nach Gott. Enge im Brustkorb, Angst in der Seele. – Mein Gott, warum nur hast du mich verlassen? (Ps 22,2). Der Glaube an den rettenden Gott hat einst geholfen, das Los des Beters zu wenden. Durch Angst und Bedrängnis hindurch kam seine Seele schließlich zur Ruhe. Seine Fesseln wurden gelöst, nun ist sein Blick wieder offen für das Gute, das ihn umgibt. Weit weg scheint das gähnende Nichts des Todes, im Land der Lebenden darf er wieder weilen.

Der österliche Weg Jesu

Schon bald wurde dieser Text als Teil der sogenannten Hallelpsalmen zu Pessach, dem jüdischen Osterfest, rezitiert. Jesus betet ihn also mit den Jüngern beim Letzten Abendmahl und blickt voraus auf seinen Tod, im Vertrauen, dass Gott Leben schenkt. So dürfen auch wir mit dem Gekreuzigten beten: „Mich umfingen Fesseln des Todes; Bedrängnis und Kummer treffen mich“ (Ps 116,3) und mit dem Auferstandenen jubeln: „Ich gehe meinen Weg vor dem HERRN im Land der Lebenden“ (Ps 116,9). Wer es wagt, Gottes rettenden Beistand auf diese Weise zu erwarten, wird schließlich bekennen, womit der Psalm begonnen hat: „Ich liebe den HERRN“ (Ps 116,1).

DER VORTRAG AUF VIDEO

Hier finden Sie eine detaillierte Auslegung des Psalms in Gestalt einer Videodatei (Dauer eine gute Stunde). Vortragender: Klaus Einspieler.

https://youtu.be/ahArOZl4YjE

Onlinevortrag zum Psalm 116 mit Gesprächsmöglichkeit

Dienstag, 5. April 2022, 18.00 Uhr (auf ZOOM)
Vortrag und Gespräch in deutscher Sprache
Zoom-Meeting beitreten: https://zoom.us/j/93341740219?pwd=YTJuVUpqaG9LRFg2a3pWVnVORkZ1dz09
Meeting-ID: 933 4174 0219
Kenncode: hg4Lf9

Torek, 5. aprila 2022, ob 20.00 na ZOOMu
Pogovor in predavanje v slovenskem jeziku
Povezava: https://zoom.us/j/93341740219?pwd=YTJuVUpqaG9LRFg2a3pWVnVORkZ1dz09
Meeting-ID: 933 4174 0219
Code: hg4Lf9


PSALMEN BETEN (>> bitte klicken)

DER PSALM ZUM ANHÖREN ODER MITSINGEN

Statt selbst zu beten, können Sie sich den Psalm auch anhören oder ihn mitsingen. Die Aufnahmen entstanden unter der Leitung des diözesanen Kirchenmusikreferenten Christoph Mühlthaler.

Psalm 116, 1-9 - Psalmton VI, Schola: Lambert Jaschke, Christoph Mühlthaler, Pavel Zablatnik, Peter Dolschak
Psalm 116, 1-9 – Psalmton I/slowenisch, Kantor: Martin Kuchling, Schola: Veronika Stern, Milena Kernjak, Christian Koren, Pavel Zablatnik
Psalm 116,1-9 – Gurker Psalter, Sopran: Doris Mühlthaler, Klarinette: Gregor Dermol, Orgel: Christoph Mühlthaler
Psalm 116 vollständig – Psalmton VI, Schola: Lambert Jaschke, Christoph Mühlthaler, Pavel Zablantik, Peter Dolschak
Psalm 116 vollständig – Gurker Psalter, Sopran: Doris Mühlthaler, Klarinette: Gregor Dermol, Orgel: Christoph Mühlthaler
Psalm 116 vollständig – Gurker Psalter, Klarinette: Gregor Dermol, Orgel: Christoph Mühlthaler

Schreiben auch Sie mit!

Ihre Gedanken zum Psalm veröffentlichen wir gerne auf der Homepage (mit oder ohne Angabe des Namens, Kürzungen vorbehalten). Versuchen Sie zum Beispiel, den Text so umzuschreiben, dass er zu Ihrem Gebet wird. Ihren Text senden Sie bitte an: klaus.einspieler@kath-kirche-kaernten.at.

Barmherziger Gott,
ich danke dir, dass ich erfahren durfte,
wie du mein Flehen erhörst:

Mitten im Leben – wie Blitz und Donner –
trafen mich Schrecken, Schmerz und Hader,
Verlust und Verzweiflung;
sie brachten mich an meine Grenzen.
Und ich war ganz allein!

Todesangst befiel mich –
und zugleich Todessehnsucht,
um der furchtbaren Qual zu entrinnen.
Da schrie ich zu dir:
„Hilf mir, o Gott!
Rette mich!“

Und du hast mir geholfen!
Wenn auch ganz anders, als ich es erhoffte:
Du hast mich wieder aufgerichtet und gestärkt,
in meiner Not mir Lebensmut und Zuversicht geschenkt.
Und du, treuer „ICH-BIN-DA“,
gehst den neuen Weg mit mir.
Nun darf ich, versöhnt und viel bewusster,
in Frieden leben.

Katharina Kistenich