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Internetredaktion der Diözese Gurk

Bischof Marketz: Kirche muss “in die Welt hinausgehen”

Podiumsgespräch über "Neue Konzepte für den Glauben" bei "Europäischen Toleranzgesprächen"

Fresach, 29.05.2020 (KAP) Die Kirche müsse ihre "starren Strukturen" abwerfen und "in die Welt hinausgehen": Das hat Kärntner Bischof Josef Marketz bei den diesjährigen "Europäischen Toleranzgesprächen" in Fresach betont. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion unter dem Titel "Kirchen im Off: Neue Konzepte für den Glauben." ging Marketz am Donnerstag u.a. gemeinsam mit der Pastoraltheologin Regina Polak, der evangelischen Pfarrerin Lydia Burchhardt und der Psychotherapeutin Boglarka Hadinger der Frage nach, wie ein neuer Aufbruch in dem Kirchen gelingen könne. Die Menschen bräuchten verständliche Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, so der Tenor des ökumenischen Plenums. Gleichzeitig forderten die Experten mehr Mut zu einer "zeitgemäßen Sprache", die etwa auch Jugendliche ohne religiöse Sozialisation verstehen können.

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Videostill auf dem Internet-Live-Stream der Europäischen Toleranzgespräche in Fresach 2020

Die Europäischen Toleranzgespräche im Kärntner Fresach finden bei ihrer sechsten Ausgabe heuer coronabedingt zum ersten Mal ausschließlich online statt. Das Generalthema der noch bis Samstag laufenden viertägigen Veranstaltung lautet in diesem Jahr "Exodus - Auszug aus dem Vertrauten".

In Zeiten von Kirchenaustritten und gesellschaftlichem Wandel müsse sich auch die katholische Kirche einem Strukturwandel unterziehen, forderte Bischof Marketz bei dem Podiumsgespräch. Zwar sei die Kirche "leider nicht endlos flexibel", trotzdem sei es möglich die Botschaft des Christentums und der Kirche "neu zu vermitteln".

Der Kärntner Bischof erinnerte an Papst Franziskus, der zu Beginn der Corona-Pandemie betonte, "dass Christus schon lange aus der Kirche in die Welt hinausgegangen ist zu den Armen und Fragenden". Gerade in der Krise sei die Nachfrage nach Seelsorge und Gottesdiensten groß gewesen. Nicht alles müsse dabei von Priestern getragen werden, verwies Marketz auf die Bedeutung der Hauskirche, die in der Pandemie von den Menschen angenommen worden sei.

Als wichtig bezeichnete es Marketz "bei den Menschen zu beginnen und dorthin zu gehen, wo sie sind". Vor allem Jugendliche würden die Kirche nicht mehr kennen oder hätten an der Institution Kirche kein Interesse. Dieser Entwicklung müsse man mit "einfachen Worten und Emotionen" begegnen, so der Bischof.

Polak: Kirche muss Antwort auf Sinnfrage geben

"Wenn es der Kirche gelingt auf Fragen des Lebens, nach Sinn und der Welt eine Antwort zu geben", dann werde sie auch von den Menschen wieder wahrgenommen, betonte die an der Universität Wien lehrende Pastoraltheologin Polak. Zwar habe die katholische Kirche wegen der Missbrauchsskandale und Machtmissbrauch an Vertrauen verloren, trotzdem gebe es Sehnsucht nach Solidarität und Spiritualität.

Auch die steigende Zahl junger Ehrenamtlicher, die sich im Zuge der Corona-Krise bei kirchlichen Hilfsorganisationen, wie der Caritas meldeten und engagierten, sei ein positives Zeichen für die Kirche. Denn noch spiele Kirche auf Gemeindeebene und im karitativen Bereich eine große Rolle. Es werde zwar nicht mehr möglich sein "den alten Zustand wiederherzustellen" und Kirchenaustritte rückgängig zu machen, sagte Polak. Es bestehe aber eine Chance, wenn die Kirche "Menschen auf spiritueller Sinnsuche" unterstütze, selbst wenn sie keine Gläubigen sind.

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Videostill - Podiumsdiskustion ETG 2020 Fresach: Burchhardt, Raitan, Hadinger, Bischof Marketz (vlnr.) - Polak wurde aus Wien zugeschaltet.

Vor allem in Zeiten der Not sei die Kirche gefragt, meinte auch Hadinger, die das Viktor Frankl Institut in Tübingen leitet. Aktuell gebe es eine große Sehnsucht nach Sinn und Wahrheit; hier könne die Kirche Antworten geben, so die Psychotherapeutin.

Vor allem würden soziale Aktionen und Veranstaltungen dabei helfen, Menschen außerhalb der Kirche zu begegnen und zu gewinnen, unterstrich auch die evangelische Pfarrerin Burchhardt. "Wir dürfen uns von der Vertrauenskrise nicht entmutigen lassen", so die Klagenfurter Hochschulpfarrerin. Kritik übte Burchhardt am Jammern, ob der Kirchenaustritte und sinkender Gottesdienstteilnehmer. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie lebendig Kirche sein könne, dies müssten die Kirchen nun nutzen und Veränderungen initiieren, appellierte die evangelische Pfarrerin.

Toleranzgespräche heuer online

Die seit 2015 jährlich zu Pfingsten abgehaltenen Europäischen Toleranzgespräche bestanden heuer aus einem Jugendforum und einem Tourismusforum in Villach (27. Mai) sowie einem Toleranzforum (28. Mai), einem Wirtschaftsforum und einem Poetry-Slam (29. Mai) im Bergdorf Fresach und einem abschließenden Toleranzfrühstück am 30. Mai. Veranstaltet werden sie vom "Denk.Raum.Fresach", der sich als "interdisziplinäre Plattform für Kultur, Politik und Wirtschaft" versteht. Kooperationspartner sind neben der Evangelischen Kirche u.a. das Bundeskanzleramt, die Stadt Villach und die Universitäten in Klagenfurt und Krems.

Auf dem YouTube-Kanal der Toleranzgespräche sind die meisten der zuvor live gestreamten Programmpunkte als Videos zum Nachsehen abrufbar. (Infos: www.fresach.org)