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Internetredaktion der Diözese Gurk

Vorwärts leben!

Drei Einblicke in die KAVÖ-Sommertagung in Tainach über „Chancen, Entwicklungen und Strategien in Zeiten des Umbruchs“ von Karl-Heinz Kronawetter

Zukunftsgespräche im Bildungshaus Tainach/Tinje (© Foto: KH Kronawetter - Internetredaktion)
Zukunftsgespräche im Bildungshaus Tainach/Tinje (© Foto: KH Kronawetter - Internetredaktion)

Wohin geht unsere Gesellschaft? Welche Richtung soll sie - sollen wir einschlagen? - VORWÄRTS LEBEN ist das Motto, unter dem sich von 24. bis 29. Juli über 50 (Katholische) AkademikerInnen aus ganz Österreich und auch aus den Nachbarländern im Bildungshaus Tainach/Tinje trafen. Motiviert durch Impulsvorträge renommierter ReferentInnen aus verschiedenen Wissenschaftsgebieten wurden dabei „Chancen, Entwicklungen und Strategien in Zeiten des Umbruchs“ bedacht.

„Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“  (Sören Kierkegaard)

Das Thema der 95. Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes Österreichs wurde durch ein geflügeltes Wort des dänischen Religionsphilosophen Sören Kierkegaard inspiriert, der in sein Tagebuch schrieb: „Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.“ Das Ziel dieser Veranstaltung ist eine Reflexion von Lebenspraxis, damit Umbrüche rechtzeitig erkannt und Wege der Veränderung trittsicher gegangen werden können, so Hans Kouba, Mastermind und Moderator der Tagung.

Nachdenken über eine neue Wirtschaftsordnung

Nachdem der frühere KA-Präsident Christian Friesl am ersten Tag für eine Weiterbildung von Werten plädierte und dabei als zentrale Themen die Förderung einer demokratischen Kultur, die Gleichstellung von Frauen und Männern und auch die Gestaltung des zunehmenden religiösen Pluralismus anführte, wurde am zweiten Tag das Interesse der TeilnehmerInnen auf die Wirtschaft gelenkt. Was kommt nach dem Kapitalismus? Und ist die sog. „Gemeinwohl-Ökonomie“, wie sie u. a. von Attac-Österreich-Sprecher Christian Felber propagiert wird, eine geeignete Alternative?
Der junge Aktivist und Publizist Felber stellte die „Gemeinwohl-Ökonomie“ als wirtschaftliche Systemalternative zu kapitalistischer Markt- und zentraler Planwirtschaft in Vorträgen und Workshops vor. Bei dieser Form der Marktwirtschaft, werden "die Motiv- und Zielkoordinaten des (privaten) unternehmerischen Strebens von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation" fokussiert. Der „Elchtest“ für diesen sog. dritten Weg fand dann am Abend in Form einer Podiumsdiskussion statt. Die Rolle des Herausforderers übernahm der Chef der Kärntner Industriellenvereinigung Otmar Petschnig, der das Konzept der „Gemeinwohl-Ökonomie“ anfangs in die Nähe des Kommunismus rückte. Der darauf folgende Schlagabtausch von Argumenten und Gegenargumenten endete versöhnlich, indem der Industriellenchef dem Attac-Sprecher Felber letztlich doch attestierte, dass er mit seiner Vision durchaus wichtige Themen anspreche und auch schon einiges in die richtige Richtung bewege. Anna Nöst von der Erste Stiftung brachte das Bankenthema in die Diskussion ein. Sie erinnerte an die solidarischen Grundideen traditionsreicher Genossenschaftsbanken und distanzierte sich von den trickreichen Spekulationen diverser Investmentbanker.

Über die Endlichkeit der Kirche

Bevor die Akademikerschar am Mittwoch zu einer ganztägigen Exkursion aufbrach, um zwei renommierten Kärntner Wirtschaftsunternehmen (Biomasse Urbas und Biolandwirtschaft Helldorf) einen Betriebsbesuch abzustatten, wurde zuvor noch ein ganzer Tag der Theologie gewidmet. Die mit dem Publikumspreis der Salzburger Hochschulwochen ausgezeichnete junge Salzburger Theologin Sigrid Rettenbacher schritt mit hohem Tempo durch die theologische Tradition, um unerwartete Neuaufbrüche in ihrer Eigenheiten darzustellen. In systemischen Ausführungen zum Wesen der Kirche, ging es ihr vor allem darum, darzustellen, dass analog zu den dogmatischen Aussagen zum Wesen Jesu Christi, wo Göttliches und Menschliches als „unvermischt und ungetrennt“ beschrieben werden, auch die Kirche als lebendige Erinnerungs- und Erzählgemeinschaft diese polaren Aspekte in sich trage. Dass im Laufe der Geschichte die Endlichkeit und damit auch die Fehlbarkeit der Kirche oft vergessen wurde, brachte Rettenbacher mit Beispielen in Erinnerung.

Wie geht leben?

Der an der Wiener Universität lehrende deutsche Mediziner und Theologe Matthias Beck stellte sich in seinem Referat der Frage: Kann eine Gesellschaft ohne Religion gedeihen? - Sein entschiedenes Nein entfaltete Beck dann in einem sprühenden Vortrag, der christliche Werte in und trotz einer aufgeklärten Gesellschaft aufzeigte. Auch die modernen Demokratien fußen, wie Beck betonte, auf in der jüdisch-christlichen Tradition grundgelegten Überzeugungen wie der unveräußerlichen Menschenwürde und dem Auftrag der Religion, den Menschen innerlich und äußerlich zu befreien. „First things first“ - Gott ist der Erste, betonte Beck, und Enthusiasmus (In-Gott-Sein), Ichwerdung, Angstüberwindung, Freude und innerer Frieden sind einige wertvolle Früchte des Heiligen Geistes.
„Wir müssen den jungen Leuten erklären, warum es Sinn macht zu glauben“, appellierte Beck mit Nachdruck, indem er die christliche Heilsgeschichte skizzenhaft als großes Freiheitsgeschehen nachzeichnete. Christen sind aufgefordert, vorzumachen, wie Leben geht, wie die menschliche Freiheit richtig gestaltet werden kann.

Weitere Vorträge der KAVÖ-Sommertagung von Leopold Stieger (Erfolgsstrategien für das Älterwerden) und Johannes Huber (Über Präventivmedizin) widmeten sich individuellen Zukunfsentwürfen.

HINWEIS: Ein ausführliches Interview mit Matthias Beck und einen Bericht über die Wirtschafts-Podiums-Diskussion finden Sie in der kommenden Nr. 32/33 der Kärntner Kirchenzeitung SONNTAG.