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(ver)leugnen - Die Passion Jesu heute 5/2

Eine fünfteilige Serie von Michael Kapeller

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© Foto: Rike / PIXELIO - www.pixelio.de

Marina Ovsyannikova schaltet die Handykamera ein, geht einen Schritt zurück und beginnt zu sprechen. Ihre Stimme ist klar und ihre Botschaft eindringlich. Viel zu lange habe sie geschwiegen, jetzt muss sie alles loswerden, dass ihr Vater Ukrainer und ihre Mutter Russin ist und dass sie nie Feinde waren und dass dieser Krieg sofort beendet werden muss. Sie hat jedoch nicht nur geschwiegen, als Mitarbeiterin des russischen Staatsfernsehens hat sie die Propaganda verbreitet, damals 2014 beim Überfall auf die Krim und all die Jahre hindurch. Heute schämt sie sich dafür. Ihre Landleute ruft sie auf, diesen Unsinn zu beenden. Damit endet dieses Video, das auf Twitter weltweite Verbreitung finden wird.

Petrus in Nöten

„Auch du warst mit diesem Jesus aus Galiläa zusammen,“ (Mt 26,69) fährt ihn eine Magd an. Petrus zuckt zusammen, Angst überfällt ihn. Was Jesus eben passiert, kann auch ihm blühen. Jesus wird vom Hohen Rat befragt. Wortfetzen wie „er hat Gott gelästert“ und „er ist des Todes schuldig“ dringen nach draußen. Petrus streitet alles ab, er möchte jetzt nur weg. Doch da hat ihn bereits eine weitere Magd als einen Freund Jesu erkannt und mehreren Herumstehenden ist sein galiläischer Dialekt aufgefallen. Alles zieht sich in Petrus zusammen, wie von Sinnen schleudert er ihnen entgegen:

„Ich kenne diesen Menschen nicht.“ (Mt 26,74).

Was darauf folgt ist hinlänglich bekannt: Es kräht ein Hahn. Wie sehr er sich schämt. Noch wenige Stunden zuvor hat Petrus Jesus mit dem Brustton der Überzeugung versprochen: „Und wenn ich mit dir sterben müsste – ich werde dich nie verleugnen.“ (Mt 26,35).

Stand gewinnen

Tief im Menschen steckt die Angst vorm Ausschluss aus der Gemeinschaft, dem Verlust der Freiheit und des Lebens. Wer sich exponiert, macht sich angreifbar und wer gegen den Strom schwimmt, kann in den Wogen umkommen. Erfahrungen wie diese haben sich ins kollektive Bewusstsein eingebrannt. Petrus ist damit nicht alleine. Doch gibt es ein „Gegengift“ gegen diese Angst und dieses heißt Vertrauen. Wer vertraut, traut sich selbst etwas zu und vertraut sich jemand anderem an. Im Hebräischen meint Vertrauen „einen festen Halt und Stand gewinnen“. Und damit kehren wir zu Petrus zurück, denn im Johannesevangelium hat die Verleugnung durch Petrus ein Nachspiel. So fragt der Auferstandene Petrus dreimal, ob er ihn liebe. Diese Fragen weisen eine Steigerung auf. Geht es zweimal um eine Liebe im Sinne eines Wohlwollens, so zielt die dritte Frage auf eine verbindliche freundschaftliche Liebe. Petrus hat seine Lektion gelernt. Er hat wirklich Stand gefunden und wird fortan bekennen: „Diesen Menschen kenne ich.“

Haltung annehmen

Am 14. März 2022 stürmt Marina Ovsyannikova in Moskau die Hauptnachrichtensendung des russischen Staatsfernsehens. Gekonnt positioniert sie sich so, dass sie die Kamera voll erfasst. In ihren Händen hält sie eine Tafel mit „Kein Krieg“ und „Russen gegen Krieg“. Plötzlich erscheint ein anderer Beitrag. Frau Ovsyannikova wird von den Behörden verhaftet und zu einer Geldstrafe von 50.000 Rubel verurteilt. Ihr droht eine 15jährige Haftstrafe. Seither fürchtet sie, so meint sie in einem Interview, um ihr Leben und um die Sicherheit ihrer beiden Kinder. ­

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