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Internetredaktion der Diözese Gurk

Gott lässt sich finden. Wir müssen ihn suchen. 

Geistlicher Impuls von Stadtpfarrer Ernst Windbichler zum Weihnachtsfest

Miniaturkrippe im Weihnachtsstern - Foto: Karl-Heinz Kronawetter
Miniaturkrippe im Weihnachtsstern - Foto: Karl-Heinz Kronawetter

Ein alter Kinderwitz: Ein Skelett hinter einem Baum, was ist das? Jemand, den man beim Versteckenspielen vergessen hat. Was hat das mit Weihnachten zu tun? Seit uralten Zeiten spielt Gott dieses Spiel mit uns. Er versteckt sich, und wir müssen ihn suchen. Wir haben ihn gesucht hinter den Wolken und Sternen, nichts. „Ich bin da!“, hat Gott gerufen, aber wir haben ihn weiter gesucht hinter Geboten, Büchern, in Bildern und Gebäuden, wieder nichts. „Ich bin da!“, hat Gott gerufen. Wir haben ihn gesucht im Lauf der Geschichte, in Schicksalen, in Katastrophen und Kriegen, nichts. „Hier bin ich!“, hat Gott gerufen. Man muss nämlich wissen: Er ist sehr schlecht im Verstecken, immer wieder verrät er sich, lässt sich blicken, einen Augenblick lang nur. Das Spiel soll spannend bleiben. Viele kommen ihm sehr nahe. Aber die meisten finden dieses ewige Versteckspiel langweilig. Da können die Propheten noch so rufen: „Suchet Gott, er lässt sich finden“. Da denkt er sich: „So wie dem Skelett hinter dem Baum soll es mir nicht gehen!“, und er fasst einen einmaligen, unwiderruflichen, großartigen Entschluss: Das Versteckenspielen ist aus, ich zeige mich. Und er wird Mensch, er gibt sich uns als der zu erkennen, der für mit uns und für uns da ist. Weit weg haben wir ihn vermutet, dabei ist er immer schon so nahe gewesen. Und damit wir ihn diesmal erkennen, damit wir nicht, von seinem Glanz geblendet, ihn wieder übersehen, deshalb macht er einen letzten „Lock down“, kommt als kleines Kind. Da bin ich. Da in der Krippe in Bethlehem. Hast du mich jetzt endlich gefunden? Bin ich nun auch in der Fleisch-und-Blut-Krippe deines Herzens?

Aber jetzt finden ihn wieder viele nicht, denn sie haben sich längst schon daran gewöhnt, ihn sich viel großartiger und gewaltiger vorzustellen. Das soll Gott sein? Ein kleines Kind? Unmöglich! Warum im schmutzigen Stall und nicht im Palast, im keimfreien Kreissaal? Warum in Bethlehem und nicht in der Hauptstadt? Warum zwischen Hirten und Herden, und nicht unter Gelehrten und Berühmten? Und sie glauben, dass das Versteckspiel wieder weiter geht. Aber Gott ist auch unendlich geduldig. Er gibt nicht auf. Und wie dann dieses Kind groß wird, und die Not der Menschen kennenlernt, und Unheil und Bosheit am eigenen Leib erfährt, bis zum Tod am Kreuz, da sieht es wieder so aus, als hätte sich Gott versteckt. Versteckt in einem verurteilten Verbrecher am Galgen, versteckt unter dem schweren Grabstein. Doch am hellen Ostermorgen, da tritt Gott aus seinem letzten Versteck hervor: er zeigt sich als der, der auch in der Todesnacht noch sagen kann: „Aber ich bin doch da!“.

Foto: Pressestelle/Eggenberger
Foto: Pressestelle/Eggenberger

Mag. Ernst Windbichler, der Autor dieses Adventimpulses, ist Stadtpfarrer und Dechant in Spittal an der Drau.