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Psalm 70: Eile mir zu helfen!

Psalm des Monats Oktober

Stundenbuch von Jean de Berry mit den Anfangsworten des Psalms 70 – Gott, komm mir zu Hilfe, HERR, eile mir zu helfen! – Sie sind zur Eröffnungsbitte des Stundengebets geworden. (Foto: Jacquemart de Hesdin, Pseudo-Jacquemart, Maître de la Mazarine, Public domain, via Wikimedia Commons)
Stundenbuch von Jean de Berry mit den Anfangsworten des Psalms 70 – Gott, komm mir zu Hilfe, HERR, eile mir zu helfen! – Sie sind zur Eröffnungsbitte des Stundengebets geworden. (Foto: Jacquemart de Hesdin, Pseudo-Jacquemart, Maître de la Mazarine, Public domain, via Wikimedia Commons)

Wenn einmal das Wasser bis zum Hals steht, möchte man nicht mehr warten. So geht es auch der Stimme, die aus dem Psalm 70 spricht. Säume nicht! Eile mir zu helfen! So nötigt sie Gott, angesichts leidvoller Erfahrungen nicht untätig zu erscheinen. Sie macht auch keinen Hehl daraus, wer für diese Not geradezustehen hat. In vielen Ländern ist es bis heute so: Wo der Rechtsstaat schwach erscheint, breiten sich Korruption und Machtmissbrauch aus. Die Ruchlosen kommen empor, während die Anständigen ein Schattendasein fristen. Der Psalm 70 mag nicht zu den „schönsten“ Psalmen zählen. Man sollte ihn aber als Stimme jener, die sich nicht mehr zu helfen wissen, aushalten; noch besser: ihn stellvertretend für sie beten.

DER TEXT

Psalm 70: Bitte um Hilfe

Gott, komm mir zu Hilfe, *
Herr, eile mir zu helfen!
In Schande und Schmach sollen fallen, *
die mir nach dem Leben trachten.
Zurückweichen sollen und vor Scham erröten, *
die sich über mein Unglück freuen.
Wegen ihrer Schande sollen sich abwenden, *
die da sagen: Ha, dir geschieht recht.
Frohlocken sollen und deiner sich freuen *
alle, die dich suchen.
Es sollen immer sagen: Groß ist Gott, *
die dein Heil lieben.
Ich aber bin elend und arm. *
Gott, eile zu mir!
Mein Helfer und mein Retter bist du. *
Herr, säume doch nicht!


Psalm 70: Prošnja za pomoč v stiski

O Bog, da me rešiš, *
Gospod, hiti mi pomagat.
Naj bodo osramočeni, naj se sramujejo *
tisti, ki mi strežejo po življenju;
naj se umaknejo, naj bodo zasramovani, *
katerim je všeč moja nesreča.
Naj se obrnejo, da bodo za petami lastni sramoti, *
kateri pravijo: »Aha, aha!«
Naj se radujejo, naj se veselijo v tebi *
vsi, ki te iščejo.
Naj vedno govorijo: »Bog je velik,« *
kateri ljubijo tvojo pomoč.
Jaz pa sem nesrečen in ubog, *
o Bog, hiti k meni.
Ti si moja pomoč in moj rešitelj,
Gospod, nikar se ne mudi.

Hier finden Sie den Text des Psalms im Postkartenformat, damit Sie ihn mittels Smartphone immer bei sich haben und wenn Sie möchten auch gemeinsam beten können.

DIE AUSLEGUNG

Hier finden Sie einige Gedanken zum Psalm von Klaus Einspieler, Bibelreferent der Diözese Gurk.

Zeitlos gültig

Der Psalm 70 ist das mustergültige Beispiel eines Bittgebets. Das verrät schon seine etwas formelhaft wirkende Sprache. Die Hilfsbedürftigkeit wird zwar benannt, doch nicht so konkret, dass sich nicht auch Menschen in anderen Nöten darin wiederfinden könnten. Das Bild einer Gegnerschaft, die den Beter, die Beterin wie eine Armee heimgesucht hat wie auch das Motiv von ihrem schmachvollem Ende lassen breiten Raum für die Übertragung ins eigene Leben. So ist es auch nicht verwunderlich, dass der Text fast wörtlich auch das Ende von Psalm 40 bildet. Das Phänomen, dass biblische Texte zweimal überliefert werden, ist im Übrigen gar nicht so selten: es betrifft große Bibelstellen wie den Dekalog (Ex 20; Dtn 5) oder die Friedensvision für die Endzeit (Jes 2; Mi 4), ist aber auch im Buch der Psalmen zu beobachten (zum Beispiel die Psalmen 14 und 53). Zudem finden sich einzelne Motive dieses Psalms auffallend häufig in den Psalmen 35 und 71. Offenbar erfreute sich der Text also schon bald nach seiner Entstehung, vermutlich im letzten Drittel des sechsten Jahrhunderts, großer Beliebtheit.

Die Not drängt

Der Psalm ist planvoll aufgebaut. Er beginnt und schließt mit einer Bitte, die somit einen Rahmen um den Hauptteil bildet. Zu Beginn und am Ende wird Gott zweimal angerufen – zunächst als „Gott“, dann zudem noch mit seinem Namen. Das verleiht der Bitte besondere Dringlichkeit. Wohl auch deshalb werden die Anfangsworte bis heute als Einleitungsvers in das Stundengebet gesprochen. Die Beterinnen und Beter verbinden sich so mit David (Christus), der in seinem Leben „mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte“ (Hebr 5,7). Die Not drängt, Gott soll sich beeilen zu helfen, bevor das Unrecht gesiegt hat. Der Beter, die Beterin ist elend und arm, umso dringlicher erscheint das Flehen, Gott möge sich nun endlich als Retter und Helfer erweisen.

Die Überheblichkeit der Bedränger …

Im Zentrum des Psalms wird deutlich, was den Unterschied zwischen den Gegnern und jenen, die Gott ehrlich suchen, ausmacht. Erstere trachten dem Flehenden heimtückisch nach dem Leben. Sie scheinen eine sadistische Freude zu empfinden, ihn immer näher zum Abgrund zu drängen. In ihrem entschlossenen Auftreten gleichen sie einer heranrückenden Armee, die sich anschickt, ihre Übermacht gnadenlos auszuspielen. Im Inneren hört der Beter, die Beterin bereits das überhebliche Lachen der Sieger: Haha, haha! Was kann man angesichts dessen bitten? In aller Ohnmacht und Hilflosigkeit fleht der Beter, die Beterin, das böse Trachten möge auf die Gegner selbst zurückfallen. Sie sollen wie ein geschlagenes Heer zurückweichen und die Schande der Niederlage ertragen müssen.

… und die Freude der Geretteten

Der nächste Abschnitt eröffnet eine neue Perspektive. Würde sich Gott an die Seite der Bedrängten stellen, wären dadurch nicht nur die Unterdrücker beschämt. Dies wäre zugleich eine frohe Botschaft für alle, die ehrlich und lauteren Herzens nach ihm suchen. Während sich die Gegner daran erfreut hätten, dass sie die Hilflosen mit ihren Machtmitteln zu Fall gebracht haben, wird Gottes rettendes Eingreifen zur Quelle der Freude für die Schutzsuchenden werden. Gerade darin zeigt sich nämlich sein Gottsein, das ihn von allen anderen Gottheiten unterscheidet – dass den Armen und Notleidenden geholfen wird. Sie werden von der Größe Gottes erzählen, weil sie sein Heil lieben. Es zeigt sich darin, dass Gott einst ihr Los gewendet haben wird.

Bitte und Jubel bis zum heutigen Tag

Noch aber ist es nicht so weit. Wir blicken zwar zurück auf unzählig viele, denen Gott zum Helfer und Retter geworden ist, zugleich aber verstimmt auch das Flehen jener nicht, zu ihm rufen: „Eile zu mir! Säume doch nicht!“ (Ps 70,6). In der Gemeinschaft der Glaubenden finden sie zueinander. Bis zur Vollendung der Geschichte mischen sich Lobpreis und Klage, Bitte und Dank in ihr Gebet.

DER VORTRAG AUF VIDEO

Hier finden Sie eine detaillierte Auslegung des Psalms in Gestalt einer Videodatei (Dauer etwa 48 Minuten). Vortragender: Klaus Einspieler.

https://youtu.be/BMuhrs_rOd0

PSALMEN BETEN (>> bitte klicken)

DER PSALM ZUM ANHÖREN ODER MITSINGEN

Statt selbst zu beten, können Sie sich den Psalm auch anhören oder ihn mitsingen. Die Aufnahmen entstanden unter der Leitung des diözesanen Kirchenmusikreferenten Christoph Mühlthaler.

Psalm 70 – Psalmton IV (Kehrvers Gl 639), Schola: Pavel Zablatnik, Lambert Jaschke, Christoph Mühlthaler, Doris Mühlthaler, Monika Gschwandner-Elkins, Milena Kernjak, Maria Hribernik
Psalm 70 – Psalmton VI/slowenisch (Kehrvers GLORIA 51), Kantor: Pavel Zablatnik, Schola: Milena Kernjak, Maria Hribernik
Psalm 70 – Gurker Psalter, Gesang: Doris Mühlthaler, E-Piano: Christoph Mühlthaler, Schola wie bei Psalm 70 Psalmton VI
Psalm 70 – Gurker Psalter, Orgel: Christoph Mühlthaler
Psalm 70 – Gurker Psalter, instrumentale Version (Harp, Bassoon): Christoph