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Internetredaktion der Diözese Gurk

Pastoraltheologe Pock: Seelsorge ist eine gemeinsame Aufgabe und Kompetenz aller Christinnen und Christen

Pastoraltage im Bildungshaus Tainach/Tinje über die Gestaltung von Pfarren in Zeiten der Veränderung

Aus allen Teilen der Diözese waren sie gekommen, haupt- und ehrenamtliche pastorale Mitarbeiter*innen der Katholische Kirche Kärnten - und mittendrin: Diözesanbischof Dr. Josef Marketz. Er eröffnete gemeinsam mit Seelsorgeamtsdirektorin Mag. Elisabeth Schneider-Brandauer die diesjährigen Pastoraltage im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje. In diesem Jahr standen die Pfarren im MIttelpunkt der Aufmerksamkeit. „Pfarre mittendrin - Lust und Frust in Zeiten der Veränderung“ lautete das Rahmenthema, das schon auf die bevorstehende Pfarrgemeinderatswahl im März 2022 ausgerichtet war.

Bischof Marketz betonte in seiner kurzen Eröffnungsrede, dass die versammelte Tagungsgemeinschaft ein vielfältiges und buntes Bild abgebe, so wie es auch die Katholische Kirche Kärnten sei. Das Evangelium zu leben, könne auf unterschiedliche Weise geschehen und gelingen. Wichtig dabei sei, so der Bischof, andere, oft sehr verschiedene Glaubenswege, Ernst zu nehmen und unvoreingenommen hinzuschauen, hinzuhören und voneinander zu lernen. Deshalb sei er auch sehr froh über den von Papst Franziskus in diesen Tagen gestarteten Synodalen Prozess.

Direktorin Schneider-Brandauer formulierte vorneweg drei Wünsche an die Tagungsteilnehmer*innen. Sie sollen hier wieder Weggefährt*innen spüren können und mit Ihnen in ein Gespräch eintreten. Von dieser Jahrestagung sollen pastorale Impulse ausgehen und vor allem auch eine Ermutigung der Teilnehmenden in ihrer pastoralen Arbeit.

Veränderte Situation in Gesellschaft und Kirche

Dr. Johann Pock, Professor für Pastoraltheologe an der Universität Wien, war Gastreferent am ersten Tag. Er begann seine Ausführungen mit einem Bekenntnis: „Ich finde, dass kirchliche, pastorale Arbeit, dass Seelsorge zu den schönsten Dingen gehört, die man machen kann. Weil man am Leben dran ist; weil es um Freud und Leid des Lebens geht; um Emotionen. Und weil wir auch etwas zu bieten haben mit unseren Erfahrungen, mit unseren Ritualen und unserem Netzwerk von Hilfsmöglichkeiten.“

Seelsorge werde nicht in einer Sonderwelt betrieben oder unter einer Glaskuppel, sondern mitten in der Welt. Die Pastoral ist das Handeln der Kirche mitten in der Welt. Unsere Welt ist in Veränderung. Coronapandemie, Migration, der Wandel der Geschlechterrollen und die sich verschärfende Klimakrise, sind drängende Herausforderungen der Zeit. Empirische Studien zeigen - Professor Pock zitierte aus der aktuellen Sinus-Studie - ein Auseinanderdriften von Lebens- und Wertewelten. Nachhaltigkeit, Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Diversity (Verschiedenheit) sind zu neuen Leitwerten aufgestiegen.

Seelsorge und Solidarität sind Kernkompetenzen von Kirche

Wo war und ist die Seelsorge in Zeiten von Corona? Wie wurden Menschen in der Krise begleitet? Seelsorge hat für Professor Pock vor allem mit dem Aufmerksamwerden zu tun. Genau schauen, wo jene Menschen sind, die Hilfe brauchen. Seelsorge sei eine Kernkompetenz nicht nur von Priestern, sondern auch „eine gemeinsame Aufgabe und Kompetenz aller Christinnen und Christen.“ Seit dem letzten Konzil werde in der Kirche immer wieder von einer „aktiven Teilnahme“ der Laien gesprochen. Dabei werde jedoch oft nur an die Feier der Liturgie gedacht. Johann Pock wörtlich: „Ich glaube aber, dass man die „actuosa participatio“ viel weiter fassen muss. Es geht um ein aktives, tätiges Christsein – wobei dieses sich nicht nur und primär im Gemeindeleben zeigen muss. Das ist auch der Hinweis von Papst Franziskus, wenn er die Christen an die Ränder schickt; wenn er sagt: Ihr müsst hinausgehen.“
Bei den Fähigkeiten aller sollte angesetzt werden. Der Pastoraltheologe sprach in diesem Zusammenhang von den in den Gemeinden „Seßhaften“ und den „Hinausgehenden“ und von der Notwendigkeit beider Gruppen.
Auch „Solidarität und Hoffnung“ gehören zu den kirchlichen Kernkompetenzen. Solidarität zeige sich in allen Diensten der Kirche – zentral aber im konkreten Hinschauen auf jene, die selbst nicht mehr die Kraft und die Möglichkeiten haben, ein „gutes Leben“ zu führen. Eine Kirche, „die nicht um sich selbst kreist“, sondern sich in „Solidarität und Hoffnung“ den Menschen zuwendet, sei gerade in der gesellschaftlichen Situation von Spaltungen und von Unsicherheiten notwendiger denn je, so Pock.

Veränderungsdruck auf kirchliches Handeln

Professor Pock sieht u. a. drei große interne Herausforderungen für die Kirche hier und heute. Im Blick auf den verfehlten Umgang mit Missbrauchsfällen gelte es, zerstörtes Vertrauen wieder aufzubauen. Das gehe nur durch gelingende persönliche Kontakte. Auch die Frage des Umgangs mit und der Stellung von Frauen in der Kirche wird entscheidend sein. Und dafür kann ein Blick auf das Leben frühchristlicher Gemeinden lehr- und hilfreich sein, wurde einige doch von Frauen geleitet. Auch die Frage des Priestermangels in Mitteleuropa gebe Anlass zur Sorge, so der Pastoraltheologe.

Gemeinden brauchen Freiräume

Im zweiten Impulsreferat kam Johann Pock auf die konkrete Gestaltung von Pfarrgemeinden zu sprechen. Der Umbruch in der Gemeindeseelsorge wurde durch die Coronapandemie verstärkt. Während seit Jahrzehnten das Gemeinschaftliche stark betont wurde, erleben die Kirchen derzeit einen massiven Individualisierungsschub. Die Leute bestimmen selbst, was sie wollen. Kirchliche Gebote - wie z. B. die Sonntagspflicht - werden mehrheitlich nicht mehr eingehalten.
Der christliche Glaube brauche Freiräume. Es gelte Freiräume zu schaffen, damit Menschen Lust bekommen mitzumachen und sich zu engagieren. Pfarren sollen „Räume des Aufatmens“ sein, wünscht sich Pock. Gemeinschaft habe in einer individualisierten Gesellschaft nicht mehr automatisch einen Wert. Sie bekomme ihn erst durch gelebte Beziehungen.
Den Tagungsteilnehmer*innen wünschte Professor Pock den Mut, Neues zuzulassen und Gelassenheit, wenn manches nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, und zudem „das Vertrauen auf den Geist, der ja doch dort weht, wo er will …“

Angstfreie Christ*innen in einer angstfreien Kirche

Am zweiten Tag referierte die Linzer Pastoraltheologin Univ. Prof. Dr. Klara Csiszar. Sie ging in ihren Impulsen der Frage nach einer missionarischen Kirche nach und plädierte für "Lust statt Frust" in der kirchlichen (Selbst)Reflexion. Kirche müsse in ihrem Nachdenken, wozu sie da sei, als erstes über die Existenz Gottes nachdenken. Da sich Kirche immer am Reich Gottes ausrichten müsse, ist sie von ihrem Wesen her immer missionarisch. Außerdem plädierte Csiszar für angstfreie Christ/innen und eine angstfreie Kirche - denn "wir können nicht lieben, wenn wir Angst haben“. Die Kirche müsse vor allem in unserer Leistungsgesellschaft die Liebensfähigkeit und auch Leidensfähigkeit kultivieren, um den Menschen trotz aller Unmenschlichkeiten die geistige Dimension in uns zu aktivieren.

Neben den Impulsvorträgen und dem Austausch in Gruppen boten die Pastoraltage auch die Gelegenheit, gemeinsam Gottesdienste zu feiern. Am Montagabend gab es einen Liederabend.