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Internetredaktion der Diözese Gurk

Jesus - eine fremde Gestalt?

Eindrücke von einem theologischen Abend im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje über den "unbequemen Jesus" mit Bischof Hermann Glettler und Professor Michael Lehofer

Diözesanadministrator Dr. Engelbert Guggenberger begrüßte das zahlreich erschienene Publikum und die beiden Referenten, den Innsbrucker Bischof Mag. Hermann Glettler und den Grazer Arzt und Universitätsprofessor Dr. Michael Lehhofer, sehr herzlich und betonte, dass er sich freue, einen „kirchlichen Frontman“ als Referenten in Kärnten hören zu dürfen.

Der Tainacher Hausherr, Rektor Jože Kopeinig, spielte in seiner Einführung eine „Steilvorlage“ (Zitat: Glettler) und brachte unverzüglich zur Sprache, worum es an diesem Abend gehen solle. Gott beziehungsweise Jesus ist „nicht der Erfüllungsgehilfe unserer kleinen Wünsche“, sagt er. Eine Instrumentalisierung Gottes sei entschieden abzulehnen. Wir dürfen „nicht zu glatt über Gott reden“ (Simone Weil).

Um Jesus dürfen wir uns nicht herum schummeln

So nahmen die beiden Autoren ihr Buch in die Hand und begannen, darüber zu sprechen. „Um Jesus dürfen wir uns nicht herum schummeln“, sagte Michael Lehofer vorneweg. Viele in der Kirche sprechen leider allzuoft nur noch über strukturelle Fragen. Wie im auch Krankenhausalltag, wo das Gespräch über und mit den Patienten mehr im Mittelpunkt stehen sollte, wünscht sich Lehofer auch in der Kirche ein intensiveres Gespräch über und mit Jesus. Bischof Hermann Glettler - zur Zeit der Entstehung des Buches noch Seelsorger in Graz - hat die biblischen Ausgangstexte des Buches ausgewählt. Es sind Perikopen aus dem Neuen Testament, die ein „realeres“ Jesusbild zeigen und keine „Jesusidylle“.

Blicke auf Jesus aus unterschiedlicher Perspektive

Von den insgesamt 24 mit reißerischen Titeln überschriebenen Kapiteln des Buches - von „Brutal unharmonisch“ bis zu „Der Traum vom Reich“ - haben die beiden Autoren dann zwei Leseproben vorgetragen. Damit gaben Sie auch Einblick in ihre Methode, beruht doch das Buch in Grundzügen auf Zwiegesprächen, die - für manche vielleicht enttäuschend - nicht kontroversiell geführt wurden. Die beiden Autoren kennen sich dafür zu gut, sich schätzen einander sehr, sie sind Freunde. Das merkt man auf jeder Seite. Die Bereicherung dieser dialogischen Vorgangsweise besteht für den Leser wohl darin, dass Aspekte aus dem Leben Jesu aus zwei unterschiedlichen Perspektiven erschlossen werden. So wird den dargestellten „Jesusgeschichten“ wie im 3D-Kino eine plastische Deutlichkeit verleihen. Der Arzt und Therapeut hat einen anderen Blick als der kunsthistorisch geschulte Theologe und Priester. Eine der beiden Leseproben soll hier kurz nacherzählt werden.

Gute Freunde schrieben gemeinsam ein Buch: Universitätsprofessor Michael Lehofer (li.) und Bischof Hermann Glettler (re.) - (Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
Gute Freunde schrieben gemeinsam ein Buch: Universitätsprofessor Michael Lehofer (li.) und Bischof Hermann Glettler (re.) - (Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)

Über den typischen Absolutheitsanspruch Jesu

Das vierte Kapitel des Buches stellt ausgehend von einer langen Streitrede Jesu mit den Pharisäern und Schriftgelehrten (vgl. Joh 8) den „typischen Absolutheitsanspruch“ Jesu in den Blick der Aufmerksamkeit. Jesus hat dabei seine Lehrautorität über jene des Gesetzes gestellt, schreibt Glettler und kommentiert die dafür von Jesus gebrauchte Formel „Im Gesetz steht, ich aber sage euch“ mit den Sätzen: „Das ist Lästerung pur! Wer darf denn so etwas behaupten?“

In ruhigem Tonfall - so auch der Vortragsstil von Michael Lehofer an diesem Tainacher Abend - setzt der Arzt und Therapeut eine Selbstrelativierung. Er bringt sich selbst und sein persönliches Erleben in den Text hinein und schreibt im Blick auf Jesus, „dass nicht er selbst hier spricht, sondern dass er durchlässig für das ist, was ihm sein Vater aufgetragen hat.“

Der Theologe und Priester Glettler führt den Text nun fort und spricht/schreibt von der geheimnisvollen Polarität, die Jesus in sich trägt. Er umschreibt dabei die theologische Wesenszuschreibung „ganz Gott und Gott Mensch“ folgendermaßen: „Auf der einen Seite zeigt er seine Menschlichkeit, die es in dieser Intensität kein zweites Mal gibt - höchste Aufmerksamkeit und Empathie, Nähe und Berührbarkeit, Verwundbarkeit und Feindesliebe. Auf der anderen Seite absolute Souveränität, Größe und Weite, Widerstandskraft für eine neue Gerechtigkeit und einen Anspruch auf göttliche Autorität.“ Jesus verkörpert also einen Anspruch, der für uns seine Zeitgenossen und auch für uns zu einem Anruf geworden ist, schreibt Gletter, um dann auch zu betonen, dass in menschlicher Freiheit, diesem Anspruch auch eine Absage erteilt werden könne.

Lehofer wechselt wieder den Tonfall und spricht/schreibt über das Göttliche als Provokation und die hohe Kunst der Dialektik. Berührend ist sein Bekenntnis: „Das besonders Zauberhafte an der Person Jesu ist für mich, dass er uns so unfassbar nahegekommen ist. Jesus „menschelt“ im Vollsinn des Wortes: Das ist in Wahrheit die unterschätzte Frohe Botschaft!“

Der „nicht-konforme“ Jesus

In diesem Wechsel der Perspektiven ist das ganze Buch gesprochen bzw. geschrieben worden. Den beiden Autoren ging es dabei vor allem darum, das Nicht-Glatte und Nicht-Konforme an der Person Jesu aufzuzeigen und darzustellen. Diese „Gespräche über den unbequemen Jesus“, so der Untertitel des Buches, brechen die herkömmlichen Erwartungen und wohl auch Projektionen an ein erbauliches Jesus-Buch mit den alt bekannten „Kindergeschichten“.

Dekonstruktion konventioneller Jesusbilder

Auch die im Buch veröffentlichten von Hermann Glettler selbst gestalteten Illustrationen sind Ausdruck eines beharrlichen „Abarbeitens“ an traditionellen Jesusbildern. Darin zeigt sich eine Art von Dekonstruktion konventioneller Bibelillustrationen im Nazarenerstil des 19. Jahrhundert, die auch heute noch vielerorts anzutreffen sind. Durch Bildverschiebungen und Motivfrakturen wird eine andere, vielleicht überraschende, Sichtweise ermöglicht.

Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger begrüßte die Referenten und die zahlreichen TeilnehmerInnen
Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger begrüßte die Referenten und die zahlreichen TeilnehmerInnen