Erschütterte Liebe
Bewusst auf Ostern zugehen – ein Impuls für die Fastenzeit von Sr. Regina Kaltenegger sa

In einer Gruppe – sei es eine Familie oder ein Verein – ist es meiner Erfahrung nach selten, dass Missgeschicke oder Fehler nach außen dringen. Es ist meistens ein ungeschriebenes Gesetz, dass über solche Vorfälle Verschwiegenheit gegenüber Außenstehenden bewahrt wird. Umso erstaunlicher ist es, wie offen die Evangelisten das zwiespältige Verhalten der Jünger Jesu rund um die Passion erzählen. Denn das sind ja die Menschen, die nach der Auferstehung und nach der Sendung des Heiligen Geistes die Botschaft Jesu weitertragen und so den Grundstein für die Zukunft legen.
Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir heute in der Messe hören – Kapitel 13, Verse 21-33.36-38 -, führt uns hinein in das letzte Zusammensein Jesu mit seinen Jüngern. Wie mag wohl die Atmosphäre dabei gewesen sein? Halten Sie kurz inne, um sich in diese Situation hineinzufühlen.
Nach diesen Worten war Jesus im Innersten erschüttert und bekräftigte: Amen, amen, das sage ich euch: Einer von euch wird mich verraten. (Joh 13,21)
Der Evangelist spricht davon, dass „Jesus im Innersten erschüttert wurde“ (Vers 21). Einerseits hat Jesus seinen Jüngern durch dieses Mahl und durch die Fußwaschung das bleibende Vermächtnis seiner Liebe geschenkt. Gleichzeitig weiß er, dass ihn einer seiner Freunde verraten wird. Aber auch auf die Liebe derjenigen, die sich zwar nicht äußerlich abwenden, indem sie sich – so wie Judas – mit den Hohenpriestern gegen Jesus verbünden, kann er sich nicht verlassen. Von Petrus wissen wir, dass er– wie es in diesem Textabschnitt geschildert ist – zutiefst von seiner Treue zu Jesus überzeugt ist und ihm anbietet, sein Leben für ihn hinzugeben. Aber schon einige Stunden später weiß er davon offenbar nichts mehr. Judas hat sich innerlich schon so weit von Jesus entfernt, dass er sein Vorgehen und seine Botschaft überhaupt nicht mehr verstehen kann. Doch auch Petrus zeigt sich nicht wirklich als ein Fels, der in der Not zu Jesus stehen kann. Ist das nicht erschütternd?
Und Jesus? Er ist erschüttert, und doch geht er nicht davon. Er bleibt sich selbst, seinem Ursprung in Gott, seiner Sendung treu. Er geht seinen Weg der unerschütterlichen Liebe weiter – bis zum Äußersten.
Und wir heute? Was bewegt uns im Blick auf dieses Geschehen? Lassen wir uns durch die unerschütterliche Liebe Christi zu uns erschüttern und davon in unserer Liebe zu Christus herausfordern?
Wenn Sie sich heute Zeit für den Rosenkranz oder das Christusgebet (siehe gestern bzw. Gotteslob Nr. 6/3) nehmen können, könnte die Anrufung lauten:
- ... Jesus, der vom Verrat durch seine Jünger erschüttert war.
- ... unser Herr und Heiland, der du vom Verrat durch deine Jünger erschüttert warst.