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Der Papst vom “anderen Ende der Welt”

Zum 80. Geburtstag von Papst Franziskus ein Porträt von Alexander Brüggemann und Burkhard Jürgens

Papst Franzikus auf Besuch in der Partnerdiözese Sarajevo im Juni 2015 (© Foto: Kurt Haber)
Papst Franzikus auf Besuch in der Partnerdiözese Sarajevo im Juni 2015 (© Foto: Kurt Haber)

Vatikanstadt, 11.12.2016 (KAP) Papst Franziskus ist ein Familienmensch. Immer wieder etwa zitiert er Lebensweisheiten seiner Großmutter. Rosa Margherita Bergoglio muss eine couragierte Frau gewesen sein: In der Kirche ihres norditalienischen Heimatdorfs stieg sie einmal auf die Kanzel, um Benito Mussolini den Marsch zu blasen. Angeblich war das ein Grund für die Auswanderung nach Argentinien.

Jedenfalls lehrte Oma Rosa den Papst das Beten: "Sie hat mir viel beigebracht in Glaubensdingen." Noch mit seinen fast 80 Jahren, heißt es, hat er einen Zettel von ihr im Gebetbuch, ein geistliches Testament an die Enkel.

Die Eltern, Jose Mario Francisco Bergoglio und Regina Maria Sivori, lernen sich jung kennen, in der Kirche. Sie heiraten im Dezember 1935 und bekommen fünf Kinder - Jorge ist der Älteste.

Die Mutter ist eine begnadete Köchin. Den Vater Jose, Buchhalter bei der Eisenbahn, beschreiben Papstbiografen als liebevolles Familienoberhaupt. Den Sonntag begehen Eltern und Kinder mit Messbesuch und großem Mittagessen. Allerdings bringt der Vater manchmal Bürokram mit nach Hause - für Franziskus nach eigenen Worten ein Grund für seine Abneigung gegen Wirtschaftsthemen.

Eine der größten Krisen scheint ausgerechnet Jorges Berufung. Nur zögernd kann die so gläubige, 1981 während der Militärdiktatur verstorbene Mutter akzeptieren, dass ihr Ältester Priester werden will. Bis heute freilich lässt Franziskus nichts auf seine Mutter Regina kommen.

Liebesbrief als Zwölfjähriger

Zwar vom "anderen Ende der Welt", wie sich Bergoglio selbst unmittelbar nach seiner Papstwahl beschrieb, war er doch ein ziemlich normaler Junge, wie es scheint. Als Zwölfjähriger schrieb Jorge einem Nachbarsmädchen von schräg gegenüber, Amalia, einen Liebesbrief: Er werde ihr ein Haus kaufen - das er Amalias Überlieferung zufolge auch aufzeichnete. Ihre Eltern schritten freilich bürgerlich ein; aus dem Immobilien-Deal wurde nichts.

Ansonsten hatte der kleine Jorge vor allem drei Dinge im Kopf: Lesen, Religion - und Fußball. Grundstein für seine unverbrüchliche Liebe zu Atletico San Lorenzo de Almagro, dem Club seines Stadtteils Flores, waren Lorenzos Meisterjahr 1946 und ein gemeinsamer Stadionbesuch mit seiner Familie. Das Straßenkicken hat Jorge noch vor der Theologie gelernt: an der Membrillar Nummer 531, seinem Geburtshaus. Der Straßenzug in Flores im Herzen von Buenos Aires ist heute die erste Station jeder päpstlichen Stadtführung.

Jorges jüngste Schwester, die heute 69-jährige Maria Elena Bergoglio, ergänzt eine weitere Leidenschaft: Ihr Bruder habe als junger Mann schon immer gern am Herd gestanden: "ein großer Koch" - allerdings mit schwacher Lunge. Im 21. Lebensjahr, kurz vor der Priesterweihe, hätte ihn eine Lungenentzündung fast das Leben gekostet. Die Solidarität seiner Mitseminaristen und die Entfernung eines Teils der Lunge brachten Jorge Mario Bergoglio durch - und die katholische Kirche dorthin, wo sie an der Schwelle zum Jahr 2017 steht.

Fitness bis heute grundsätzlich gut

Die Lunge macht ihm bis heute zu schaffen. Aber sogar den Besuch im bolivianischen La Paz vergangenes Jahr meisterte er anstandslos, trotz der dünnen Luft auf 4.100 Metern Höhe. Dazu macht ihm auch die Wirbelsäule ein wenig Probleme. Trotzdem, grundsätzlich befindet er sich in einer weitgehend guten Verfassung.

Sein Geheimnis? Franziskus sagt, das Beten helfe ihm viel: die tägliche Messe, das Stundengebet, der Rosenkranz. Er schlafe sechs Stunden, aber fest wie ein Stein. Als im August das Erdbeben auch in Rom zahllose Menschen nachts aufschreckte, blieb der Fels der Kirche unerschüttert. Mittags pflegt der Papst nach seiner alten argentinischen Gewohnheit eine kleine Siesta zu halten. Er liebt den südamerikanischen Mate-Tee und dessen anregende Wirkung. Vor allem aber weiß Franziskus, dass er mit seinen Kräften haushalten muss: "Ich mache, was ich kann, aber nicht mehr."

Dabei hatte er sich für das Heilige Jahr ein beachtliches Programm auferlegt. Zusätzlich zu den wöchentlichen Generalaudienzen hielt er samstags Treffen mit Pilgergruppen. Den Auftakt in Ost- und Zentralafrika mitgerechnet, fielen in das Heilige Jahr sieben Auslandsreisen, darunter eine siebentägige Visite in Mexiko, der Weltjugendtag in Polen und die politisch nicht einfachen Besuche in Armenien sowie in Georgien und Aserbaidschan.

Unangekündigte Besuche mit Sozialakzent

An je einem Freitag im Monat besuchte Franziskus in Rom unangekündigt eine Sozialeinrichtung oder Menschen in schwierigen Situationen. Diese "Freitage der Barmherzigkeit", wie die Aktion hieß, kosteten nicht viel Zeit; aber allein aus der Erzählung des Papstes merkt man, wie emotional anstrengend diese Begegnungen waren.

Franziskus pflegt nach wie vor ein weites Netz von persönlichen Kontakten, telefoniert mit Freunden ebenso wie mit Häftlingen irgendwo in der Welt. Franziskus predigt und hält Ansprachen, führt Beratungen in der Kurie, gibt Interviews, verbreitet Videobotschaften. Er bewahrt sich die Freiheit zur Spontaneität, wenn es ihm dringlich scheint, bei bestimmten Menschen zu sein oder sich sehen zu lassen - sei es in der italienischen Erdbebenregion oder auf der griechischen Flüchtlingsinsel Lesbos.

Unterdessen zeigen einige Kardinäle immer unverhohlener Widerstand. Raymond Leo Burke etwa, ehemaliger Leiter des obersten Gerichts des Heiligen Stuhls, hat Franziskus zu einer Klarstellung seiner Aussagen zu einer möglichen Kommunion-Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen aufgefordert. Franziskus vertritt die Haltung, im Leben sei nicht alles nach dem Schwarz-Weiß-Schema zu erklären, nur hätten das einige noch nicht kapiert. Burke und andere Kardinäle verlangen vom Papst ausdrücklich ein unzweideutiges Ja oder Nein zu Fragen "absoluter moralischer Normen". Für den Fall, dass die Antwort ausbleibt, hat Burke einen "förmlichen Akt der Korrektur" angekündigt. Eine Kampfansage - von der sich der Papst freilich nicht beirren lässt.

Amtsverzicht erst nach Reformen

Benedikt XVI. erklärte mit 85 den Amtsverzicht; Franziskus machte deutlich, dass auch er einen Rücktritt nicht ausschließt. Aber noch sind die Vorhaben, die er angeschoben hat, mitten im Gang: die Reform von Kurie und Seelsorge, die Allianz der Religionen für Frieden und Gerechtigkeit, neue kirchendiplomatische Initiativen in Fernost.

"Je weiter wir gehen, desto mehr scheint sich der Schritt zu beschleunigen", sagte Franziskus diese Tage. Er bezog das auf die ökumenische Entwicklung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965), aber es trifft auch auf ihn selbst zu.