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Internetredaktion der Diözese Gurk

Christen sollen groß sein im Nehmen und im (Ver-)Geben

Pastoraltage 2015 in Tainach/Tinje

Der deutsche Theologe Gotthard Fuchs referierte bei den Pastoraltagen 2015 in Tainach/Tinje über Schuld und Sünde und den Hoffnungsweg der Versöhnung - Ein Bericht von Karl-Heinz Kronawetter

Ein Rückblick auf die Pastoraltage 2015 mit Dr. Gotthard Fuchs im Bildungshaus Tainach/Tinje. (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
Ein Rückblick auf die Pastoraltage 2015 mit Dr. Gotthard Fuchs im Bildungshaus Tainach/Tinje. (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
Referent Gotthard Fuchs, Bischof Alois Schwarz, Seelsorgeamtsdirektorin Anna Hennersperger und DPU-Leiter Anton Rosenzopf-Jank (vlnr.) (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)
Referent Gotthard Fuchs, Bischof Alois Schwarz, Seelsorgeamtsdirektorin Anna Hennersperger und DPU-Leiter Anton Rosenzopf-Jank (vlnr.) (© Foto: KH Kronawetter / Internetredaktion)

Die heilende Kraft der Versöhnung stand im Mittelpunkt der diesjährigen Pastoraltage, die am 7. und 8. September 2015 im Bildungshaus Sodalitas in Tainach/Tinje stattfanden. Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz verwies in seinem Grußwort auf Papst Franziskus, der in seiner Einladung zum kommenden Jahr der Barmherzigkeit davon schreibt, dass man überall dort, wo Christen sind, auch Oasen der Barmherzigkeit finden soll. Bischof Schwarz freute sich, dass viele haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter/-innen aus unterschiedlichen kirchlichen Bereichen der Einladung nach Tainach gefolgt waren, um gemeinsam Anregungen und Kraft für ihr pastorales Wirken zu schöpfen. Bischof Schwarz betonte auch, dass das Bildungshaus Sodalitas ein überaus geeigneter Ort für eine Tagung zum Thema „Führe uns in Versöhnung“ sei, denn „hier ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten sehr viel Versöhnungsarbeit geschehen.“

Dr. Anna Hennersperger, die Direktorin des Bischöflichen Seelsorgeamtes, betonte in ihrer Einführung, dass „in einer Zeit, die von Konflikten, Terror, Kriegen und Ausgrenzungen bestimmt ist“, das Thema Versöhnung höchste Aktualität habe. Sie war es auch, die den bekannten deutschen Theologen, Priester und Publizisten Dr. Gotthard Fuchs als Referenten nach Kärnten einlud, die komplexe Thematik von Schuld und Scheitern sowie von Liebe und Vergebung anschaulich darzustellen.

Momentaufnahmen von Schuld und Scheitern

Seit der Glaube an Gottes Gericht seine lebensweltliche Kraft verloren hat, so Gotthard Fuchs in seinem Auftaktreferat, sucht der aufgeklärte Mensch nach einem anderen Forum, vor dem er sich verantworten kann bzw. muss. Für viele hat die Vernunft diese Rolle übernommen oder auch das Gewissen. Dabei schwingt jedoch immer die Gefahr mit, selbst den Richter spielen zu müssen. An einem Ausschnitt der viel beachteten Friedenspreisrede von Jürgen Habermas aus dem Jahr 2001 veranschaulichte Gotthard Fuchs, dass die „verlorene Hoffnung auf Resurrektion“ bei vielen Zeitgenossen eine spürbare Leere und auch Ratlosigkeit hinterlassen hat.

Zur Schattenseite der Aufklärung gehört auch das Problem der Gewalt und der Gewaltbewältigung. So ist im Blick auf die Schrecken des Holocausts zu fragen: Was ist mit den Opfern der Geschichte? Was heißt hier eigentlich „Aufarbeitung der Vergangenheit“? Und: Ist denn Vergebung überhaupt möglich? 

Gotthard Fuchs nannte unter den Befindlichkeiten des modernen Menschen u. a. seinen Selbstoptimierungsstress, seine Selbstbezichtigungskultur (z.B. in sog. Talk-Show-Beichten) und ein ökonomisch geprägtes Werteverständnis, das zur gottlosen Frage führen kann: „Was bin ich denn eigentlich (noch) wert?“ Mit dem Philosophen Kant spricht Fuchs von der nicht hintergehbaren Würde jedes Menschen, die sich nicht mit Preis und Wert messen und verrechnen lässt.

Der moderne Mensch weiß um sein Schuldigwerden. Wo aber und in wessen Namen kann ihm „Absolution“ zuteil werden, fragte der Referent und betonte: „Die Bagatellisierung, ja der Verlust des Sünden-Themas ist wesentlich (auch) kirchlich hausgemacht, durch eine moralische, ja moralisierende und verrechtlichende Engführung, ja Verfälschung des Evangeliums und des Glaubens daran.“ Durch eine fatale Sündenfixierung wurde weithin „der tragische Charakter des faktischen Lebens jenseits von Eden“ vernachlässigt, oder sogar verraten. Gotthard Fuchs verwies in diesem Zusammenhang auch auf die hoffnungsvollen Botschaften von Papst Franziskus, der nicht müde wird, Menschen zu motivieren, „die Schönheit des Evangeliums vom göttlichen Erbarmen und die Nichtselbstverständlichkeit des Glaubens wieder zu entdecken und zu realisieren." Es geht um eine christliche Kultur der Vergebung und der Fehlerfreundlichkeit und um das Bewusstsein des tragischen Charakters des Lebens und seiner „Verblendungszusammenhänge“. Keiner sündigt gerne, dies ist immer eine Tragödie.

Fuchs sprach auch vom „Doppelalphabet von Sehnsucht und Verzweiflung, von Schönheit und Elend des faktischen Lebens jenseits von Eden“. Darin kann sichtbar werden, „welch einmaliges Glück die Botschaft von Gottes Erbarmen ist, die entschiedene Suche danach und die glaubende Empfänglichkeit dafür“.

Das Wunder der Vergebung

Im zweiten Teil seiner Ausführungen sprach Gotthard Fuchs über Sünde und Schuld aus theologischer Sicht. Lebensweltlich ist das Wort Sünde mittlerweile oft zu einem Kavaliersdelikt (Diätsünden u.a.) verkommen. Die Sache aber, das Drama und die Tragik der Sünde, gibt es sehr wohl. Sünde ist unglückliche Gottes- und Nächstenliebe, die Unterlassung des Nehmens und Gebens der göttlichen Gnade. So entspricht der Ursünde des Unglaubens deshalb auch der Undank, der Geiz, und das Nicht-Weitergeben-Wollen“, sagte Fuchs.

Christentum ist immer auch „Gewaltanschauung“, wie der Referent treffend formulierte. Es deckt nämlich auf, wie Gewalt herrscht. Es will nichts schön reden, wenn man z. B. an die Karfreitagsliturgie denkt. Fuchs forderte auch eine Rehabilitierung der Botschaft vom Gericht Gottes. Nicht Sünde und Unheil werden das letzte Wort haben, sondern Gottes Gerechtigkeit, erhofft der Glaubende. „Aber der, der uns richtet, ist ein Hingerichteter“, betonte Fuchs. Deshalb ist Gottes letztes Wort absolut befreiend und versöhnend. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gehören zusammen. Die Bereitschaft der Opfer, den Tätern zu vergeben, ist Feindesliebe.

Aus der Vergebung leben lernen

Im dritten und abschließenden Referat konzentrierte sich Gotthard Fuchs auf die konkrete christliche Lebens- und Gemeindepraxis im „ersten heidnischen Jahrhundert nach Christus“. Auch wir haben heute die „gottgeschickte Chance, das Evangelium als Evangelium neu wieder zu entdecken“. Dieses nicht selbstverständliche Geschenk soll als „alternativlos guter Lebensweg“ realisiert werden, als Gegenwart des freigebenden, barmherzigen und vergebenden Gottes, der ja in seiner Dreieinigkeit Geber, Gabe und Geben zugleich ist. Gott ist die Grundfigur das Schenkens und der Liebe. Das Ziel der Glaubensbewegung ist „Verklärung“ und Verwandlung des Bestehenden. Es gilt, Ostern neu zu entdecken und die Gottesfreundschaft, die Kommunion zwischen erwählendem Gott und antwortendem Menschen.

Kirche, nicht der Apparat und die Institution, sondern Kirche als Sakrament ist ein „lebendiger Vorgang von Beschenkenlassen und Beschenken. Kirche ist ein Ort, wo wir empfänglich werden. Christen sind „groß im Nehmen“ und deshalb auch im (Ver-)Geben, sagte Fuchs. Bischof Klaus Hemmerle hat Kirche auch als den Ort bezeichnet, „an dem die Schöpfung eintritt in das trinitarische Geheimnis des Beschenktwerden und Schenkens.“ „Gottes Gebote haben die Gestalt von Bitten“ schrieb Simone Weil. Sie haben befreienden und therapeutischen Sinn. Ein bittender Gott sucht Mitliebende!

Die (sieben) Sakramente sind Knotenpunkte in einem Netzwerk. Fuchs plädierte für eine erweiterte Sicht und betonte, dass im Realsymbol des konkreten Lebens Vergegenwärtigung Gottes geschieht. Die Welt soll und muss in ihrer Gesammtheit sakramental gesehen werden. Es gilt, ein Gespür zu entwickeln für das Geheimnis der Gegenwart Gottes in allen Dingen, so der Referent. Die kirchlichen Mitarbeiter/-innen müssen MystagogInnen sein, die einführen in das Geheimnis Gottes, das ja nicht wie ein Rätsel gelöst, sondern bewohnt werden soll. Christen sollen dabei aber nicht vergessen, dass sie immer auch Suchende, Wartende und Hoffende sind.

Abschließend kam Gotthard Fuchs auch noch auf das Sakrament der Buße (Beichte) zu sprechen. Es hat im Vergleich mit den vielen außerchristlichen und nachchristlichen Formen, die das Verhältnis des Menschen zu sich selbst und zu anderen zu ordnen und zu gestalten versuchen (z. B. durch Therapie, Supervision oder Coaching) sehr an Akzeptanz verloren. Diese Beratungsformen des modernen Menschen sind bestimmt durch Biografie-Orientierung, Diesseits-Bezug und eine Allergie gegenüber Bevormundung. Es geht um konkrete Hilfestellungen für die Lebensgestaltung und nicht um ein moralisch-angstbesetztes Beichten von Sünden. Vielleicht kann die Kirche hier im Sinne einer „Fremdprophetie“ für die Prozesse geistlicher Begleitung viel lernen.

Die Impulsreferate von Gotthard Fuchs gaben Anstoß zu regen Gesprächen und Diskussionen in den Gruppenarbeiten und in Plenumsgesprächen. Die vielschichtige Brüchigkeit der Conditio humana kam dabei in vielen konkreten Beispielen auf den Tisch - und dabei gilt: „Nur was auf den Tisch (Altar) kommt, kann verwandelt werden.“ Eine Pastoraltagung voller Hoffnung. (KHK)