Pfarre

Katholische Hochschulgemeinde

Ist die Natur gut – oder tut sie uns nur gut?

Ansprache von Helmut Zwander bei der Thomasmesse

Zuerst stellt sich die Frage, was die Natur eigentlich ist – bzw. was wir unter dem Begriff „Natur“ verstehen.


Da kann ein Blick in die „Natur“-Geschichte bzw. in die Wissenschaftsgeschichte Aufschluss bringen:

Es lohnt sich immer, einen Blick in die griechische Antike zu werfen – hier findet man bereits Denkansätze, die bis in unsere Zeit reichen. Z.B. die Frage nach dem Baustoff der Welt – nach dem Urprinzip, das die Welt zusammenhält, dem Prinzip allen Seins.

Bekannt ist die Sicht bei Empedokles (495–435): Die Vielfalt unserer Welt entsteht aus der Mischung von Erde- Luft – Feuer – Wasser. Typisch ist hier die Verflechtung von Philosophie und Physik.

Demokrit (460–370): Atomtheorie. Seele besteht aus feuerartigen, besonders glatten Atomen, die von Körperatomen umgeben sind.

Platon (427–347): neben unserer Wirklichkeit gibt es eine ideale Welt- die Welt der Ideen

Aristoteles (384–322): es gibt eine Wissenschaft, die das Seiende als solches untersucht. Er unterteilte die Natur in Mineralien – Pflanzen –Tiere. Aristoteles meint: Allgemein in der menschlichen Natur liegt das Streben nach Erkenntnis. Dieses Streben nach Erkenntnis führte zu einer Fülle aus Antworten, was die Natur eigentlich ist.

Von großer Bedeutung für die heutige Sicht auf die Natur sind die Überlegungen von René Descartes (1596–1650). Er unterscheidet zwischen der Welt der ausgedehnten Körper( res extensio) und der Welt des Geistes und des Denkens( res cogitans). Aus dem Umfeld der Welt der ausgedehnten Körper entstand die Wissenschaft mit der empirischen Forschung (Empirik: Daten, Objektivität, Wiederholbarkeit, Falsifikation). Descartes, ein französischer Philosoph wurde von Jesuiten ausgebildet (Niederlande- Schweden). Seine berühmteste Aussage lautet wohl: „Ich denke also bin ich – cogito ergo sum“
Nach Descartes konnte die Wissenschaft arbeiten, ohne über den Begriff Gott reflektieren zu müssen. Die Naturwissenschaft beschäftige sich nur mehr mit der „Welt der ausgedehnten Körper“.

Also: Die Welt der ausgedehnter Körper – die Natur – ist sie gut?
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) meinte: „Wir leben in der besten aller möglichen Welten!“
Ein durchaus brauchbares Bild für einen sonnigen Wochenendnachmittag mit NachbarInnen beim Grillfest mit offenem Bier und gesunden, gescheiten und wohlerzogenen Kindern!
Doch leider – es gibt Störfälle – und der philosophisch bedeutendste Störfall mit Konsequenzen auf das Bild der Natur ereignete sich am 1. November 1755 um 6:40 Uhr, 39 Jahre nach dem Tod von G.W. Leibniz – das fürchterliche Erdbeben von Lissabon – gerade am Allerheiligentag dieses Jahres. Es gab an die 100 000 Tote, viele Kirchen sind eingestürzt, viele Gläubige waren in den Kirchen. In Folge des Erdbebens trat noch ein Tsunami auf.
Nach dem Erdbeben mit den vielen Toten traten viele Fragen zum Thema Theodizee auf. Gibt es eine Gerechtigkeit Gottes, wenn im katholischen Land Portugal am Allerheiligentag solch eine Naturkatastrophe stattfinden „darf“.
Die Essenz aus vielen philosophischen Diskursen kann zusammengefasst werden: Die Natur ist weder gut noch böse – die Natur „ist einfach“!


FERTIG!


Wirklich fertig?
Bei der heurigen Nobelpreisträgerparty an der PHK wurden die drei naturwissenschaftlichen Nobelpreisträger von prominenten Fachleuten vorgestellt.
Innere Uhr- Max Moser
Kryoelektronenmikroskopie von Ernst Hinteregger
Gravitationswellen vom theoretischen Physiker Aichelburg Peter – Uni Wien

Gravitation - eine der großen unverstandenen Größen unseres Universums. Immerhin: es wurde nachgewiesen, dass es Gravitationswellen gibt. Am Rande seiner Ausführung sprach Peter Aichelburg auch Fragen zur Existenz der Materie an – zum Ungleichgewicht von Materie / Antimaterie und zur gewisser kosmologischer Konstanten – wie z.B. auch der Gravitationskonstante, die zum Verklumpen der Materie und zur Bildung von Galaxien und Sonnen führt. Über die Kernfusion und dem Entstehen von schweren Atomen im Sonneninneren mit nachfolgender Explosion( Supernova). Wir bestehen aus diesen Atomen – das Eisen im Hämoglobin unseres Blutes entstand z.B. im Inneren einer längst vergangenen Sonne, usw.

In Summe: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem singulären Ereignis namens Urknall aus einem Punkt mit unendlicher Dichte das Universum mit den Stoffen entstanden ist, die letztendlich unsere Existenz möglich machen, ist eigentlich sehr unwahrscheinlich – trotzdem sind wir da und sitzen in der Don-Bosco-Kirche!
Also so schlecht kann die Natur auch nicht sein. Es bleiben aber viele Rätsel und unbeantwortbare Fragen!

Zum zweiten Teil: Tut uns die Natur gut!

Diese Frage ist einfacher zu beantworten: sehr gut sogar!
Dazu erschienen in der letzten Zeit viele wissenschaftliche Arbeiten und es entstand die sogenannte Biophilia-Hypothese.
Die komplexen Interaktionen des Menschen mit seiner Umwelt üben einen positiven Effekt auf seine individuelle Entwicklung in sozialen Umgebungen aus. Aus der Beziehung zwischen Kindern mit Haustiere gibt es gute belegte Effekte für eine positive Basis einer späteren Partnerschaften und auf Sozialbeziehungen.
Es gibt viele Forschungsergebnisse zur Wirkung des Waldes auf uns Menschen
Die Aufmerksamkeit wieder verbessern – da Arbeitsgedächtnis wird gefördert – die Selbstwirksamkeit nimmt zu, der Blutdruck wird niedriger – die Zahl gewisser Immunzellen für Körperabwehr wird erhöht – es kommt zu einem Stressabbau – Entzündungswerte nehmen ab.
In der Waldluft treten heilende Duftstoffe – man kennt bereits mehrere 10 000 Stoffe (z.B. die Terpenoide).
Man spricht sogar von schon von einer „Waldmedizin“ und vom „Waldbaden“
Umgekehrt weiß man, dass bei Kindern, die keine Beziehung zur Natur aufbauen können, es sog. „Nature-defizit-Syndrom“ auftreten kann.

Beim Blick auf die Natur bleiben viele Rätsel und offene Fragen.
Die bedeutendsten Fragen und Rätsel betreffen die Entstehung des Universums, die Entstehung des Lebens und die Entstehung des Bewusstseins.

Andreas Weber, ein deutscher Naturphilosoph schreibt in seinem Buch „Lebendigkeit – eine erotische Ökologie“: Handle so, dass Lebendigkeit entsteht!
Die Wichtigste Maxime unseres Lebens sollte sein, so zu handeln, dass Leben sei! Durch unser Handeln sollte Lebendigkeit maximiert werden!
Man fühlt, wenn sich Lebendigkeit um uns erhöht – man wird froh – dies ist uns tief angeboren!