Von Hirten und Schafen
Gedanken von Luisemarie Höhndorf zum Guten Hirten Sonntag
Es muss schon ein ganz besonderes Tier sein, das Schaf, das Lamm. Etwa 500 Mal lesen wir davon in der Bibel. Vom Hirten, der seine Herde führt, sehr eindringlich im Psalm 23. Im Neuen Testament ist Jesus dieser Hirte, der seine Herde, seine Schafe führt, fürsorglich und liebevoll. Das Lamm, das für uns zur Schlachtbank geführt wurde.
Was verbinden WIR damit? Ich sehe eine große Schafherde, in einer weiten Graslandschaft. Am Rand einen Hirten, mit Stab, langen Mantel, großen Hut, mit scheinbar unendlicher Ruhe stehend. Dann aber auch Hunde, die sehr unruhig um die Herde laufen, um alle Schafe immer wieder zusammen zu halten. Ich sehe die kleine Schafherde meines Vaters im Garten. Zwischen den weißen gab es auch ein schwarzes Schaf. Ein schwarzes Schaf, gibt es das nicht auch unter uns? Ich sehe viele Bilder bei älteren Menschen, meist in den Schlafzimmern, Jesus mit einem Lamm auf den Schultern.
Zu Ostern hören wir es in besonderer Weise, Jesus, das Osterlamm, das Lamm, das für uns sein Leben gab. Bei Johannes steht im heutigen Evangelium: Meine Schafe hören auf mich. Ich kenne sie und sie folgen mir. Hören wir aber nicht jeden Tag unzählige Stimmen, die auf uns einstürmen? Manche machen uns Mut, viele machen uns Angst, andere verunsichern uns.
Wenn Jesus sagt, meine Schafe hören auf meine Stimme, ist es eine Stimme, die nicht unterdrückt, sondern frei macht, nicht anklagt, sondern zum Leben ruft, uns die Angst nimmt. Ehrliche und glaubwürdige Persönlichkeiten in Kirche und Politik, das braucht die Welt. Fühlen wir uns nicht oft von ihnen verlassen, orientierungslos?
Das Bild vom guten Hirten Jesus zeigt einen Weg, der verbindet, dient, anstatt zu manipulieren und auszunutzen. Jesus, der gute Hirt, eine persönlich, eine enge Beziehung. Kein Druck, kein Zwang, es ist Antwort auf tiefe Liebe. Jesus kennt uns doch, unsere Geschichte, unsere Brüche, unsere Sehnsucht, unsere Zweifel in einer scheinbar chaotischen Welt. Ewiges Leben, unser aller Ziel, da, wo wir Jesus folgen, wo wir auf seine Stimme hören, da beginnt bereits ewiges Leben, im Hier und Jetzt, da erfahren wir Leben in Fülle, da wird unser Herz weit.
Niemand kann uns der Hand des Vaters entreißen, haben wir gehört, eine feste Zusage, für stürmische Zeiten. Ein starkes Bild, für Sicherheit und Geborgenheit. In Krankheit, Orientierungslosigkeit, Verlusten, wir sind getragen, seine Hand hält uns. Auch wenn unser Glaube wankt, seine Treue steht fest. Seine Stimme gibt Ruhe und Richtung. Es ist nicht unser Verdienst, es ist Gottes Gabe.
Was raubt uns aber manchmal dieses Vertrauen? Wurden wir nicht auch oft von unseren Hirten im Stich gelassen? Papst Franziskus richtete sich oft in beeindruckenden Worten an die Hirten in der Kirche, seid wachsam, verteidigt eure Herde, bewahrt sie. Baut eine Liebesbeziehung zwischen den Hirten und dem Volk auf. Nehmt den Geruch der Schafe an. Hirten als auch Hirtinnen müssen zum Wohl aller handeln, sind aufgerufen, nachhaltige verantwortungsbewusste Ziele zu verfolgen. Große Hoffnungen ruhen dafür auch auf unseren neuen Papst Leo XIV.
Wo braucht es diese Zusagen? Gerade auch Zusagen für die vielen, die unsere Kirche verlassen haben? Was raubt uns manchmal das Vertrauen, dass wir geborgen sind in Jesus Jesus, dem gute Hirten, der uns in einem menschlichen Antlitz Gottes begegnet?
Ich und der Vater sind eins. Wir sehen so einen uns nahen Gott, nicht einen unendlich fernen Gott. Jesus ist eins mit dem Vater. Diese ganz tiefe Beziehung, wir sind in sie mit hinein genommen. Er ruft uns zum Leben, nicht zur Angst. Echte Beziehung entsteht, eine angstfreie Geschichte mit Herz. Lassen wir uns doch mit hinein nehmen in diese Lebendigkeit!
Wir alle kennen die Geschichte vom verlorenen Schaf. Die Suche nach dem einem verlorenen Schaf ist das Allerwichtigste. Nicht die 99, die treu und folgsam bei der Herde geblieben sind, nein, Riesenfreude herrscht im Himmel über das verlorene Schaf, das wieder gefunden wurde!
Gehorsame, folgsame Schafe, passt dieser Ausdruck noch in unsere Zeit? Wer möchte ernsthaft ein Schaf sein, erst recht ein Dummes? Ein Herdentier zu sein, ist das anstrebenswert? Unsere Kirche befindet sich in einer Zeit des Umbruchs. Das schwarze Schaf, das vielleicht seinen eigenen Weg sucht und ausprobieren will, bekommt Zuwendung und Wohlwollen. So geht miteinander Gehen und aufeinander Hören. Auch die Hirten und Hirtinnen sind Teil der großen Herde. Im Himmel herrschte große Freude über das wiedergefundene Schaf. Wiederfinden, nicht verurteilen.
Heute feiern wir Muttertag. Was wäre die Welt ohne Mütter, die Lebendigkeit in unseren Gemeinden, ohne die Frauen. Sind nicht Frauen und Mütter ein kreativer Ausdruck von Gottes liebendem Wirken, ein sichtbares Zeichen seiner Fürsorge für uns Menschen? Wenn wir Frauen geführt und geborgen in Gottes Hand sind, dann dürfen wir den Mut zum Vertrauen, dass Frauen in unserer Kirche in ihrer Berufung erst genommen werden, nicht verlieren. Hören wir, Frauen und Männer, auf seine Stimme, eine Stimme, die zum Leben ruft, nicht zur Angst! Eine Stimme, die uns Ruhe gibt, die uns durch alle Zeiten hindurchführt, die unsere Seele aufatmen lässt.
Diese Zuversicht wünsche ich uns allen, heute am Muttertag besonders uns Frauen!
Luisemarie Höhndorf, langjährige Mitarbeiterin in der Pfarre Sankt Josef und der Katholischen Frauenbewegung Kärnten