Dekanat

Dekanat Villach-Stadt

Pfarrer Richard Pirker, 25-jähriges Priesterjubiläum

Predigt vom Jubilar zur Nachlese

Predigt vom Jubilar, Pfarrer Richard Pirker:

Liebe Gottesdienstgemeinde, Schwestern und Brüder im Herrn!

Das heutige Evangelium passt wie ausgesucht zu meinem Jubiläum:

Wir, die Stadthauptpfarre im Herzen der Draustadt Villach, ich nenne sie “la bellezza nostra della città“ und die Menschen des kirchlichen Wohlwollens, feiern ein silbernes Priesterjubiläum, und ich kann mich auf Jesus berufen, wenn ich das esse und trinke, was mir in Villach vorgesetzt wird, heute übrigens Kasnudeln, nicht zuletzt den Jakobuswein und ein Stück Rainer- oder Villachertorte und ich weiß: Das Reich Gottes ist nahe.

Wahrscheinlich haben mich schon seit Kindertagen der Goldglanz der Altäre fasziniert, der mich aus dem Alltagsgrün herausholte.

Aber Scherz beiseite: Die heutigen Texte sind (passen) wirklich besonders: Freut euch mit Jerusalem der heiligen Stadt, heißt es beim Propheten Jesaja. Für mich war die Kirche immer so etwas wie das neue Jerusalem, bei Augustinus nachzulesen in seinem Gottesstaat, bei Ambrosius und bei vielen anderen. Wahrscheinlich haben mich schon seit Kindertagen der Goldglanz der Altäre fasziniert, der mich aus dem Alltagsgrün herausholte. In den Morgengedanken für den ORF, von Waltraud Jäger eingeladen, zitierte ich Hilde Domins Heiligenbeschreibung: „Sie [die Heiligenfiguren] sind müde, aber sie bleiben der Kinder wegen. Sie behalten den goldenen Reif auf dem Kopf, den goldenen Reif, der wichtiger ist als die Milch. Denn wir essen Brot, aber wir leben vom Glanz. Ja, wir leben nicht vom Brot allein, die Schönheit ist jene Gabe Gottes, die er wie einen Anker ausgeworfen hat, um unsere Seele an ihn zu erinnern, meinte Simone Weil, und ich mir ihr, der ich ein ästhetisches Auge geschenkt bekommen habe, wie Obfrau Beatrice Haidl beim Renovieren des Hauses bemerkte.

Dass ich Priester geworden bin, kann ich selbst nicht erklären, die zweite Lesung ist so etwas wie eine Seelenschau geworden: Nach einer Karfreitagsliturgie wurde mir beim Nachhause-Gehen bewusst, was es heißt, dass Gott sich in seinem Sohn für uns alle am Kreuz hergegeben hat, nicht aus Mitleid, sondern aus Liebe zu seiner Schöpfung.

„Priester 2000“

Nach der Schul- und Studienzeit wurde ich also am 2. Juli geweiht: „Priester 2000“ sagte ich mit leichtem Schmunzeln. In der Rückschau war ich wohl immer darauf bedacht, ordentlich zu sein, der Kirchenvorgabe zu folgen. Dabei war mir etwas als Kirchendiener geschenkt, das wenige ehrlich sagen können: Ich habe mich nie im Inneren verkauft, ich blieb mir treu, mit Abstrichen in der Karriere, was dem Ego nicht schadet. Ich kannte die Priesterromane des 19. und 20. Jahrhunderts, etwa den Landpfarrer von George Bernanos oder die Herrgottsschanze von Wilhelm Hünermann aus der Zeit der französischen Revolution. Wird es von uns auch Romane geben, können wir uns heute fragen? Eher nicht. Die wenigen Redlichen verausgaben sich, der Rest nimmt dies als Unterhaltungsberuf mit freier Zeiteinteilung. Was den Priestertyp des Trienter Konzils auszeichnete, war ein völlig selbstloses Sich-Verausgaben in einer Welt, die religiös intakt war. Genau das ist passè. Heute sind wir beinah wieder am Anfang. Eine säkularisierte Welt lebt von vergangenen christlichen Zeiten (wie den vielen Feiertagen) und ansonsten leben wir nach eigenen Vorstellungen.

Nach Michael Ebertz ist die Zeit vorüber, wonach die Kirche als Gnadenanstalt alle Gnade ausschüttet, und für das Leben danach ihre Sendung erfüllt sieht. Auch sind heute viele vom Nebensächlichen des Religiösen endgültig satt und sagen still und leise „exit“, und nicht mehr lautstark „voice“, so ein amerikanischer Soziologe.

Heute sind wir in einer erfahrungssüchtigen Zeit und verfehlen doch unsere Bestimmung. Dieses Wort erhorchen, das Gott in uns hineingesprochen hat, wie es Romano Guardini so treffend nennt, also die Bestimmung, das ist das Eine. Das Andere ist dieses „sursum corda“, "empor die Herzen", für diese Erinnerung müssten wir der Kirche dankbar sein, meint Henri de Lubac. Das Motto des heurigen Carinthischen Sommers lautet 'bewegt': Im Geist und in der Seele bewegt bleiben, in Bewegung kommen, daran müssen wir immer neu arbeiten, müssen wir neue Arten suchen, um wieder christlichen Geist und Sauerstoff zu atmen, das ist eine der Kernaufgaben des Priesters, gestern wie heute.

Frere Roger bleibt mit seiner Ansage Vorbild: Das zu leben, was wir vom Evangelium begriffen haben und mit steirisch klingenden Zusatz von STS: „Niemals Gewalt, alles bereden, aber a ka Angst vor Irgendwem.“

Kirchenkritik sehe ich, wenn sie überlegt vorgebracht wird, als eine tiefe Form von Liebe zu Christus, so sagt es Rose Ausländer und ich mir ihr, doch gerade die ist in der Leitungsebene nicht gefragt, was für Führungsschwäche steht.

Die letzten Jahrzehnte haben den Umgang mit Missbrauch, da ist alles harmonisch, vor allem aber die Reaktion darauf viele von der Kirche Abstand nehmen lassen, was mich sehr irritiert hat, war ich doch überzeugt davon, dass die Kirche genug Selbstreinigungskraft besitzt. Darin habe ich mich massiv verschätzt und könnte eine ganze Reihe von persönlich erlebten Begegnungen anführen, wo der Rauch Satans, den Papst Paul VI in der Kirche wahrzunehmen begann, mehr spürbar war als der Heilige Geist. Die Kirche in unseren Breiten sehe ich in zwei auseinander entwickelnden Strömungen: Einerseits gibt es eine enorme Verflachung und Verflüchtigung von Kirche, auch deshalb, weil das Sakrale und Priesterlicher immer mehr durch verschiedene Dienste ausgetauscht werden, dadurch, dass zwar immer mehr Dienste im Altarraum entstehen, das Sakrale aber keinen Stellenwert mehr hat. Von wegen Tisch des Wortes und Tisch des Brotes, eben nur mehr Tisch. Die andere Seite ist der Rückzug ins Ghetto, immer mehr kleine kirchliche Zirkel schmorren im eigenen Saft und glauben dann noch, das ist katholisch. Gerade die sogenannten katholischen Medien wie Radio- und Fernsehsender verstärken diesen Impuls (Radio Maria zählt dazu wie die Gloria-TV und dergleichen). Dabei heißt katholisch: kath-holon, umfassend, eben Villachs Motto: senza confini: Grenzen-überwindend.

Deine Bücher sind die Menschen, denen du etwas von Jesus mitgibst.

Dabei wäre Christsein ein inneres Ergriffensein vom Feuer Jesu Christi, das aber nicht nur in mir brennt, sondern als Gemeinschaft der Kirche für eine Wärme sorgt, die Glauben lässt. „Sei, was Gott meinte, dass du sein sollst, und du wirst die Welt entzünden, meinte Katharina von Siena“ Ich selbst dachte eine Zeit, ich sollte Professor werden, um junge Menschen zu führen. Gott meinte es anders und sagte meinem Ego: Deine Bücher sind die Menschen, denen du etwas von Jesus mitgibst. Erst im Rückblick kann man die Gnade Gottes ausfindig machen, vor allem dort, wo man selbst nichts leistete.

Kennedy’s Aufruf an die Amerikaner, nicht zu fragen, was der Staat für mich tut, sondern umgekehrt, was kann ich für Amerika tun, gilt detto für die Kirche: Die meisten, auch nicht wenige freiwillige Mithelfer haben insgeheim die Frage: Was bekomme ich und nicht, was kann ich tun, ohne dass ich Ansehen, Öffentlichkeit oder was weiß ich erhalte. Dieses „magis“, das ist die Gnade, die wirkt und hoffentlich uns weiterbegleitet.

Lubac Dass ich in der Kirche bleibe, ist mir eingeschrieben, auch dadurch, dass ich daran glaube, dass ich mich letzlich nicht selbst erlösen kann, durch die Jahrhunderte hindurch würde Christus wie der Sand am Ufer verloren sein, vom einstigen Felsen bleibt nur Spreu, genau dafür danke ich der Kirche…

Was bleibt ist ein Dank, danke auch allen für das bisherige Mitgehen und alle Empathie, für alle Begegnung zwischen Menschen und ihren Welten und Sprachen, ihren Stimmen, die sie oft schon im Wesen erhorchen lassen, den Pfarren und Gemeinschaften, wo ich sein durfte, ich sehe Friesacher unter uns, aus meiner ersten Pfarre, die Dompfarre als Kaplansstelle mit Sr. Ambrosia als Köchin und Margarethe Ortner als Obfrau, meine Lavanttaler Heimat und viele andere Gegenden (wie das Metnitztal, das Klagenfurter Becken mit Spittal und vielen Klagenfurter Pfarreien) und Bereiche. Eucharistomen: Wir danken und wollen um Gottes belebenden Geist bitten, la vita bella: Das Leben ist schön und mit dem Geist Gottes eine Lebendigkeit, wir sind ja nicht Steinskulpturen, mit Gott bekommt es den Glanz, den die Welt nicht geben kann. Amen.