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Katholisches Familienwerk

Zu fünft in Isolation

Unsere Paarbeziehung in der Corona-Zeit (Teil 3)

Zur Annäherung an dieses Thema habe ich meine Frau ins Boot geholt. Wir haben beschlossen uns gegenseitig einen Brief darüber zu schreiben, was uns derzeit bewegt und wie wir unsere Beziehung in dieser Zeit wahrnehmen, und uns danach darüber zu unterhalten.
Im Vergleich zum direkten, unmittelbaren Gespräch, hat das Niederschreiben den Vorteil, seine Gedanken und Gefühle in Ruhe wahrnehmen, sortieren und formulieren zu können.

Geliebte Karin!

Ich bin dankbar dafür, dich an meiner Seite zu wissen. Mit dir gemeinsam und mit unseren Kindern durch diese herausfordernde Zeit zu gehen, bestärkt mich.

Erst einmal merke ich, wie gut es mir damit geht, dass alles reduziert und entschleunigt ist. Es bedeutet weniger Komplexität, was weniger Stress zur Folge hat, was sich wiederum sehr positiv auf mein Allgemeinbefinden auswirkt – kurz gesagt, ich bin viel ausgeglichener. Vielleicht auch deshalb, weil ich jetzt auch mehr Zeit dafür vorfinde, die Dinge zu tun, die zu dieser Ausgeglichenheit beitragen. Dazu zählt neben Bewegung und Sport auch der regelmäßige gemeinsame Spaziergang. Da die Kinder nun alt genug sind, um sie auch einmal eine halbe Stunde alleine lassen zu können, eine wiedergewonnene Freiheit für uns als Paar. Ich genieße diese Zeit mit dir und erfahre es als Tankstelle für unsere Beziehung.

Außerdem nehme ich diese Zeit als Segen für unsere Partnerschaft wahr, weil ich merke, dass wir uns gerade jetzt noch besser kennen und gegenseitig verstehen lernen. Um tiefer zu blicken und sowohl die Stärken des anderen wieder mehr wahr zu nehmen, aber auch gerade die Schwächen zu sehen, an zu nehmen und dadurch wieder gemeinsam ein Stück zu wachsen. Dich als Gegenüber zu er-kennen und deine Schwächen mit den eigenen Stärken zu kompensieren und umgekehrt, ist für mich eine deutliche Annäherung an das, wenn gesagt wird, Unterschiede können bereichern. Genauso sehe ich darin die Erfüllung der biblischen Vorstellung, ein Fleisch zu sein.

Diese erfüllende und kraftvolle Erfahrung und daraus die beruhigende Erkenntnis, dass unsere Paarbeziehung in dieser Zeit der Prüfung, eine solch positive Entwicklung nimmt, erfüllt mich mit Stolz, stimmt mich ausgesprochen zufrieden und lässt mich neugierig, gestärkt und relativ gelassen in die gemeinsame Zukunft als Paar und als Familie blicken.

Dein, dich liebender Ehemann
Marco

Mein liebster Marco,

Ich möchte dir danken für die großartige Zusammenarbeit in den letzten Wochen und deine praktische Hilfe, was Kinder und Haushalt anbelangt, weil ich weiß, dass dich das manchmal ziemlich fordert. Aber mir geht jedes Mal das Herz auf, wenn ich dich ausgelassen mit den Kleinen spielen und tollen sehe. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, gut durch diese Zeit zu kommen, weil wir an einem Strang ziehen und so unsere Kräfte bündeln.

Ich genieße auch sehr, dass wir zwei wesentlich mehr Zeit miteinander und füreinander haben als sonst. Vieles haben wir in den letzten Wochen gemeinsam geschafft, was schon lange auf unserer Agenda stand und wofür nun endlich die nötige Zeit vorhanden war. Auch unsere neu entstandenen Visionen und Pläne beflügeln mich. Bei gemeinsamen Projekten (Garten, Bücher sortieren …) fühle ich mich tief mit dir verbunden, und außerdem geliebt und mit meinen Wünschen und Bedürfnissen (z.B. nach Ordnung) ernst genommen. Dafür danke ich dir, denn ich weiß, dass du manches mir zuliebe machst. Umso mehr freut es mich aber, wenn wir ein gemeinsames Ziel verfolgen, dass dir unabhängig von mir wichtig ist und wir dann gemeinsam anpacken. Dann fühle ich mich beschwingt und energiegeladen. Dass dann im miteinander „tun“ auch noch eine Portion Humor und Vertrautheit mitspielt, macht mich zutiefst glücklich. Ich merke, dass wir auf einer Linie sind, wenn auch nicht alles reibungslos verläuft.

Das ist der andere Aspekt in dieser Krisenzeit, nämlich, dass wir durch die permanente physische Nähe unmittelbar mitbekommen, wenn der andere gerade nicht so rund läuft. Du merkst, wenn ich unausgeglichen bin und auch ich bekomme rasch zu spüren, wenn dich etwas belastet oder stresst. Wenn du mir dann nicht mitteilst, was eigentlich los ist, fühle ich mich ausgegrenzt und nicht als deine Partnerin angenommen, was bei mir Gefühle der Ohnmacht, Enttäuschung, Frust und bisweilen auch kräftigen Ärger auslöst.
Außerdem beziehe ich deine schlechte Laune dann oftmals fälschlicherweise auf mich.

Gott sei Dank verschwindet mein Missmut sofort, wenn es dir dann gelingt, dich mir mit zu teilen, nachdem du für dich das jeweilige Thema gedanklich und emotional durchgearbeitet hast. Weil ich dann verstehen kann, was in dir vorgeht, fühle ich mich dir nahe und wieder mit dir verbunden. Wenn ich um die Ursache weiß, kann ich dein „unrund-sein“ viel besser akzeptieren und damit umgehen und beziehe deinen Unmut nicht unbedingt auf mich.

Nochmals danke für dein Vertrauen, deine Offenheit und Bereitschaft, dich mir anzuvertrauen und so dein Leben mit mir zu teilen. Ich bin zuversichtlich und freue mich, den Weg weiter Schritt für Schritt mit dir zu gehen!

In tiefer Liebe, deine Karin

Im anschließenden Gespräch sind wir draufgekommen, dass wir als Team enormes Potenzial haben, weil unsere Stärken sich gut ergänzen und die Schwächen dadurch nicht so ins Gewicht fallen. Vertrauen haben wir als die Basis erkannt, die notwendig ist, um unsere Unterschiedlichkeit als Bereicherung wahrnehmen zu können.
Außerdem ist uns bewusst geworden, wie wichtig es ist, uns besonders jetzt auch gegenseitig Freiräume zuzugestehen.

Wir haben diese Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen als Paar bei unserem ME-Wochenende 2015 in St. Georgen kennen gelernt und nutzen sie seither regelmäßig als Werkzeug, um uns immer besser kennen und verstehen zu lernen und so unsere Liebe zu vertiefen.

Bei Interesse, nähere Infos unter https://www.marriage-encounter.at/.

Nächstes ME-Wochenende in Kärnten:
23.10. – 25.10.2020
St. Georgen/Längsee im Stift St. Georgen