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Internetredaktion der Diözese Gurk

“Versuchen wir gemeinsam, diese schwierige Geschichte aufzuarbeiten”

Kardinal Schönborn empfiehlt Parlament und Bischofskonferenz in Kroatien Bildung einer Historikerkommission mit österreichischer Beteiligung

(Wien, 22. 3. 2019 - kathpress) - Zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der leidvollen Geschichte des kroatischen Volkes im 20. Jahrhunderts hat Kardinal Christoph Schönborn aufgerufen. Bei der Pressekonferenz am Freitag, dem 22. März in Wien zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz richtete der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz einen Appell an die kroatische Bischofskonferenz wie auch an das kroatische Parlament. "Versuchen wir gemeinsam diese schwierige Geschichte aufzuarbeiten. Auch um zu verhindern, dass das Thema weiterhin von bestimmten Gruppen instrumantalisiert wird." Konkret plädierte der Kardinal für eine Historikerkommission mit österreichischer Beteiligung.

Kardinal Christoph Schönborn bei der Pressekonferenz am 22. März 2019 in Wien (Foto: Kathpress)
Kardinal Christoph Schönborn bei der Pressekonferenz am 22. März 2019 in Wien (Foto: Kathpress)

Hintergrund des Appells ist das umstrittenen Gedenktreffen am Loibacher Feld bei Bleiburg (18. Mai). Der Kärntner Diözesanadministrator Engelbert Guggenberger hatte das Ansuchen der Kroatischen Bischofskonferenz um die Feier einer Gedenkmesse abgelehnt, was in Kroatien zu heftiger Empörung geführt hat. Schönborn wies auf Anfrage bei der Pressekonferenz einmal mehr darauf hin, dass diese Entscheidung kirchenrechtlich allein bei der Diözese Gurk liege und nicht bei der Bischofskonferenz. Er habe aber bereits ausführlich mit Erzbischof Zelimir Puljic, dem Vorsitzenden der Kroatischen Bischofskonferenz, gesprochen und ihm die Causa aus seiner Sicht erläutert.

"Wir brauchen eine Kultur der Aufarbeitung der Geschichte", so Schönborn. Er verstehe, dass Bleiburg eine ganz schmerzliche Etappe in der Geschichte des kroatischen Volkes sei. Und er könne aus eigener leidvoller Erfahrung als Heimatvertriebener aus Tschechien sagen, dass es oft 70 Jahre brauche, bis man über solche Ereignisse wieder miteinander reden kann. "Aber jetzt können wir ehrlich und offen darüber reden, die Tschechen und die deutschsprachigen Heimatvertriebenen." Die tschechischen und österreichischen Bischöfe hätten eine Historikerkommission eingesetzt und schließlich 2003 auch eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. So etwas könne er sich nun auch gemeinsam mit den kroatischen Bischöfen vorstellen. Solche Schritte brauche es jetzt, zeigte sich der Vorsitzende der Bischofskonferenz überzeugt, sonst kommt man aus der Konfrontation nicht heraus.

Massaker und Hinrichtungen

Im Mai 1945 hielten sich rund eine halbe Million Flüchtlinge aus Slowenien, Kroatien und Bosnien, von Süden kommend, in Kärnten auf. Nach dem Zusammenbruch der Ostfront und der Niederlage der Wehrmacht am Balkan brach auch der "Unabhängiger Staat Kroatien", der 1941 ausgerufene Vasallenstaat der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg unter dem Ustascha-Diktator Ante Pavelic, zusammen.

Im April und Mai 1945 fand eine wahre Völkerwanderung Richtung Österreich statt. Unter den Flüchtlingen waren einfache Soldaten, slowenische Heimwehrangehörige ("Domobranci"), kroatische Kollaborateure ("Ustasi") und Familienangehörige der Soldaten. Die Briten, die als Besatzungsmacht Kärnten kontrollierten, ließen die Flüchtlinge allerdings wieder zurück nach Jugoslawien bringen und lieferten sie den kommunistischen Machthabern aus.

Jenseits der Grenze begannen die Massaker, als Angehörigen der Tito-Armee die Gefangenen in Empfang nahmen. Viele der Flüchtlinge wurden grausam ermordet. Der Fluchtpunkt Kärnten und die höchst fragliche Vorgangsweise der Britischen Besatzungsmacht ging als die Tragödie von Bleiburg und Viktring in die Geschichte ein. Bereits auf den Fußmärschen in die Lager wurden zahlreiche Zurückgeschickte ermordet, weitere Massaker wurden in den Lagern verübt. An vielen Orten Sloweniens kam es ohne jedes Gerichtsverfahren zu summarischen Hinrichtungen von antikommunistischen Militärangehörigen, auch Zivilisten und deutsche Kriegsgefangene wurden umgebracht. Von tausenden Gefangenen in den Lagern Teharje, Sentvid nad Ljubljano und Skofja Loka überlebte nur eine kleine Zahl an Zivilpersonen und Minderjährigen. Die Gesamtzahl der hauptsächlich auf slowenischem Gebiet exekutierten Personen wird auf über 100.000 geschätzt.

Weil die Spuren dieser Verbrechen in der kommunistischen Zeit Jugoslawiens systematisch beseitigt wurden und die Thematik tabuisiert war, entwickelte sich Bleiburg bzw. das Loibacher Feld seit den 1950er-Jahren für Kroaten als ein Ort des Gedenkens an diese Ereignisse. Die Initiative dafür ging von Überlebenden sowie von Auslandskroaten aus, für die Bleiburg der Ausgangsort für die Verbrechen an Tausenden Angehörigen und Landsleuten nach Kriegsende war. Nach der politischen Wende und der Eigenstaatlichkeit Kroatiens gewann die Feier einen immer größeren Stellenwert, nicht zuletzt durch den Umstand, dass sie unter der Patronanz des Kroatischen Parlaments und der Kroatischen Bischofskonferenz stand. Aus diesem Grund stand in den letzten Jahren immer eine kroatischer Bischof der Messfeier vor.

In den letzten Jahren kamen regelmäßig über Zehntausend Gläubige zur Messe - sehr viele davon aus Kroatien und Bosnien-Herzegowina. Für zunehmende Kritik sorgte dabei der Umstand, dass die Feiern auch zum Anziehungspunkt für Menschen wurde, die dabei faschistische Symbole zeigten und aus ihrer faschistische Gesinnung kein Hehl machten. Um dem Einhalt zu gebieten, verfügte bereits im vergangenen Jahr die Diözese Gurk detaillierte Auflagen, die den geistliche Charakter der Feiern wahren sollten.

Quelle: kathpress