Pfarre

Villach-St. Nikolai

Tiersegnung

am Hochfest des Hl. Franziskus am 4. Oktober 2016

Warum segnen wir Tiere?

Im ländlichen Umfeld haben Tiere bis heute noch oft die Rolle des Nutztieres behalten. Tiere sind Arbeitstiere oder werden für die Nahrungsproduktion eingesetzt. Die Segnung von Tieren bezieht sich dort auf die Segnung der Lebensgrundlage der bäuerlichen Familie. Das Wohlergehen und die existentielle Sicherheit hängt von der Gesundheit der Tiere ab. Mit dem Segen wird also die Bitte um Schutz der Lebensgrundlage mit ausgesprochen. Dies ist ganz eng verbunden mit der Tradition des Erntedankfestes.

Im städtischen Umfeld ist diese Bedeutung von Tieren in den Hintergrund getreten. Haustiere sind keine Nutztiere mehr, sondern Gefährten für den Alltag. Vor allem Kinder können eine sehr intensive Bindung zu Tieren entwickeln. Einerseits lernen Kinder durch Tiere das Übernehmen von Verantwortung. Andererseits wird auch das Einfühlungsvermögen und Empathie geschult, die Fähigkeit und das Bewusstsein dafür, dass das, was mir gut tut, schon lange nicht dem Tier gut tun muss. Zum einen fühlen sich Kinder mit Tieren seelenverwandt, zum anderen lernen sie das Fremde, das etwas Andere kennen. Zudem kann ein Haustier ein gemeinsames Projekt der Familie sein, in dem die Verantwortung für das Tier kooperativ getragen wird. Die Regeln in Bezug auf das Tier müssen für alle Familienmitglieder gleich sein. Gerade in einer Welt, in der das Virtuelle von immer größerer Bedeutung wird, kann die echte und direkte Erfahrung, wie sie Tiere bieten, einen sehr unmittelbaren Bezug zum Lebendigen bieten.

Die Segnung von Tieren spricht ihnen einerseits einen Wert zu, den sie unabhängig von ihrer Beziehung zum Menschen haben. Tiere haben eine Würde, die ihnen nicht genommen werden darf. Zum anderen nehmen wir Tiere in Dienst, damit sie in ihrer Beziehung und ihrer Aufgabe zum Menschen einen Schritt über ihre ursprüngliche Rolle hinausgehen und teilhaben an einer höheren "Berufung". Das wird nicht nur bei Lawinenhunden oder bei Tieren deutlich, die für die Therapie eingesetzt werden. Sondern auch bei "gewöhnlichen" Haustieren zeigt sich, dass sie - wenn sie klug und einfühlsam geführt werden - dem Menschen zum Heil gereichen können. Diese Beziehung lässt sich auch als Bild verstehen, nämlich, dass wir Menschen berufen sind, über unser bloßes Menschsein hinauszuwachsen, um die Berufung Gottes in uns zu verwirklichen, um zu "einem neuen Menschen" zu werden.

Franz von Assisi hat in unverwechselbarer Weise begriffen, dass die Schöpfung als Einheit zu begreifen ist und dass das Lob Gottes nur von der gesamten Schöpfung gemeinsam gesungen werden kann. Und dass die Fähigkeit zur Empathie mit den Tieren uns zum Mitgefühl für andere Menschen führen muss, um vollends Frucht zu bringen. Und in diesem Sinne ist es angebracht, an seinem Gedenktag die Tiere zu segnen.

Gerhard Gfreiner