Pfarre

Klagenfurt-Dom

Die Pforte der Barmherzigkeit durchschreiten

Gedanken zur Kunstinstallation von Werner Hofmeister vor dem Nordportal der Klagenfurter Domkirche

von Bischofsvikar Dompfarrer Peter Allmaier

Eine Kunstinstallation von Werner Hofmeister vor dem Nordportal des Klagenfurter Domes (© Foto: Internetredaktion / KH Kronawetter)
Eine Kunstinstallation von Werner Hofmeister vor dem Nordportal des Klagenfurter Domes (© Foto: Internetredaktion / KH Kronawetter)
Werner Hofmeister und die “Pforte der Barmherzigkeit“ bei der Klagenfurter Domkirche (© Foto: Peter Allmaier / Dompfarre)
Werner Hofmeister und die “Pforte der Barmherzigkeit“ bei der Klagenfurter Domkirche (© Foto: Peter Allmaier / Dompfarre)

Der Kärntner Künstler Werner Hofmeister hat die „Pforte der Barmherzigkeit“ für die Domkirche geschaffen und damit dem ehemaligen Haupteingang an der Nordseite der Kirche einen neuen Charakter gegeben. Zumindest im „Jahr der Barmherzigkeit“, das in Kärnten vom 8. Dezember 2015 bis zum 21. November 2016 dauern wird, soll diese Pforte wieder zum Haupteingang werden.

Die Pforte der Barmherzigkeit steht immer offen

Die „Pforte der Barmherzigkeit“ ist kein klassisches Portal, das den Zugang zu einem Raum öffnen oder verschließen kann. Diese Pforte steht immer offen, denn es gibt keine Türflügel und kein Schloss. Die Konstruktion lässt sich somit wie eine Aufforderung an die Institution Kirche wie an jeden einzelnen Menschen lesen: Es gibt keine Situation, in der das Maß der Barmherzigkeit ausgeschöpft ist. Jeder Satz, der mit „jetzt reicht es“ beginnt, kann nicht fortgesetzt werden, denn der Griff, der die Türflügel schließen möchte, geht ins Leere.

Rostige Wahrheit, die nichts kaschiert

Das für die Pforte verwendete Material ist eine schwere Eisenplatte, deren Oberfläche nicht weiter bearbeitet ist. Der mit der Zeit entstehende Rost wird ihr die charakteristische Färbung geben. Im bewussten Verzicht auf jede Form von künstlichem Hochglanz soll die ehrliche Schönheit vor Augen geführt werden. Da wird nichts kaschiert und nichts vertuscht. Die Übung der Barmherzigkeit steht manchmal weit hinter dem vorgestellten Ideal zurück, ist brüchig und korrodiert im Lauf der Zeit. Und dennoch ist diese rostige Wahrheit schön, und dennoch macht das Wenige, das Menschen an Barmherzigkeit leben, diese Welt zu einem charmanten Ort.

Eine Geste herzlicher Umarmung

Ausgehend von der Idee eines Piktogramms, das ein Kennzeichen der digitalisierten Welt ist, stellt die „Pforte der Barmherzigkeit“ eine menschliche Gestalt mit ausgebreiteten Händen dar. Diese Handhaltung ist von vielen Jesus-Bildern her bekannt. In dieser Haltung pflegen Menschen auf jemanden zuzugehen, den sie herzlich umarmen möchten. So übersetzt der Künstler Werner Hofmeister den sperrigen Begriff der Barmherzigkeit in eine menschliche Haltung, die vertraut und ersehnt zugleich ist. Wenn Menschen auf diese Gestalt mit den ausgebreiteten Händen zuschreiten, fühlen sie sich selbst wie von Christus in die Arme genommen. Sobald aber das Tor durchschritten ist, steht es wie ein Auftrag im Hintergrund, nun selbst in dieser Haltung weiter- und auf Menschen zuzugehen.

Die Barmherzigkeit zwingt nicht

Doch Barmherzigkeit zwingt nicht. Die Pforte, die mehr als drei Meter von der Kirchentür entfernt ist, lässt links und rechts einen Weg frei. Wer die gewährte Barmherzigkeit noch nicht annehmen kann oder selbst noch nicht die Kraft hat, diesen Auftrag anzunehmen, der kann seitlich vorbeigehen. Die Pforte bleibt trotzdem da und trotzdem offen – vielleicht gelingt es das nächste Mal. Bei aller gewährten Freiheit ist die „Pforte der Barmherzigkeit“ aber nicht ohne Anspruch.

Sehnsüchtiges Zugehen auf Christus

Ganz in der Tradition der Heiligen Pforten, die immer die kleinsten Türen sind, hat auch diese Pforte eine Durchgangslichte von nur 80 Zentimeter. Der einfache Mensch in seiner schlichten Wahrheit kann sie durchschreiten, der ganze Besitzstand dagegen muss davor bleiben. Die bereits angesprochene doppelte Botschaft der „Pforte der Barmherzigkeit“ wird auch in der Aufschrift über der Gestalt mit den ausgebreiteten Händen deutlich: Wer auf die Pforte zugeht, sieht die aus der Schlussdoxologie des Hochgebets entlehnte Formel „DURCH IHN · MIT IHM · IN IHM“. Die vom Menschen ersehnte Barmherzigkeit kann letztlich nur von Christus her erfüllt werden. Das ist der Grund, warum Menschen immer wieder in die Kirche gehen, um sich der göttlichen Liebe zu versichern und sie dankbar im Herzen zu spüren.

Hinausschreiten in die Verantwortung

Wer jedoch aus der Kirche heraus ins Freie tritt, der liest die Botschaft „DURCH DICH · MIT DIR · IN DIR“. Der Schritt aus dem Sakralraum in den Alltag ist ein Schritt in die Verantwortung. Denn durch das Handeln von Christinnen und Christen wird die Liebe Gottes erlebbar.

Bestätigendes JA und persönliches DU

Auf diese Verantwortung verweisen auch die in Stuck aufgebrachten Worte „JA DU“ an der Innenseite neben der Ausgangstür. Ohne zu moralisieren und fern von jeder Befehlsform wird das ausgedrückt, was jeder Menschen gern hört: Das bestätigende Ja und das persönliche Du sind die Antwort auf die Frage, wer denn nun barmherzig sein soll. Der Inhalt der Barmherzigkeit leitet sich einerseits von der Endzeitrede Jesu im 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums ab. Am Ende der Zeiten wird der Mensch danach befragt, ob er in einem Hungernden, Dürstenden, Obdachlosen usw. Jesus erkannt und ihm ein Essen, ein Getränk, eine Unterkunft usw. gewährt hat. Daraus haben sich die so genannten sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit entwickelt: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, für die Kleidung Dürftiger sorgen, die Kranken besuchen, sich um die Not Gefangener annehmen und Tote bestatten.
Darüber hinaus wurden auch sieben geistliche Werke der Barmherzigkeit formuliert: Die Unwissenden lehren; den Zweifelnden recht raten; die Betrübten trösten; die Sünder zurechtweisen; die Lästigen geduldig ertragen; denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen; für die Lebenden und die Toten beten.

Die Barmherzigkeit Gottes verwandelt die Herzen der Menschen

Die „Pforte der Barmherzigkeit“ ist vor der Domkirche sichtbar errichtet. Doch es gibt noch viel mehr dieser Pforten. Papst Franziskus meint sogar, dass jede Person auch zu Hause eine Tür mit dieser Bedeutung versehen kann. Selbst Gefangene können „in den Gefängniskapellen und jedes Mal, wenn sie durch die Tür ihrer Zelle gehen und dabei ihre Gedanken und ihr Gebet an Gottvater richten“ die Gnaden der Barmherzigkeit erbitten. „Denn die Barmherzigkeit Gottes, die in der Lage ist, die Herzen zu verwandeln, kann auch die Gitter in eine Erfahrung der Freiheit verwandeln“, erklärt der Papst. Es wäre schön, wenn es in Klagenfurt viele Türen gäbe, die irgendwie als Heilige Pforte gekennzeichnet sind, damit die Hindurchgehenden sich daran erinnern, die Schwelle der Barmherzigkeit zu überschreiten.

 

>> Veranstaltungen zum Jahr der Barmherzigkeit im Dom zu Klagenfurt

https://youtu.be/ZGITxeDIcWs