Pfarre

Villach-St. Nikolai

Hoffnung für die Jugend

Kasachstan-Blog (Teil 4)

Br. Patrik von “Franz hilf“ und aus dem Franziskanerkloster Wien übersetzt die Berichte der Jugendlichen vom russischen ins deutsche.<br />
​​​​​Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM
Br. Patrik von "Franz hilf" aus dem Franziskanerkloster Wien übersetzt die Berichte der Jugendlichen vom russischen ins deutsche.
​​​​​Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM

Der Abend streckt seine Fühler aus und wir fahren mit dem Priester Artur in das Jugendhaus „Carravagio“. Mit diesem wurde im Jahr 2006 gestartet, um Jugendlichen ab 14 Jahren die Möglichkeit zu geben, eine Schule zu besuchen und abzuschließen oder einen Beruf zu erlernen. Das Haus erhielt seinen Namen von ihrem finanziellen Unterstützer, einen Priester aus Italien.

Vor vier Jahren wurde eine Renovierung des Hauses u. a. in Kooperation des 3. Ordens in Kasachstan in Angriff genommen. Durch die Hilfe von „Franz hilf“, ist das Haus heute das einzigste in Almaty, das ein Abwasserkanalsystem hat, wodurch die Geruchsbelästigung der Vergangenheit angehört, besonders im Sommer.

Im Jugendhaus leben derzeit vier Mädchen und vier Burschen, für die stets zwei Mitarbeiterinnen zu Verfügung stehen. Die meisten der acht „Geschwister“ lebten zuvor in einem Kinderheim in Qapshagai, welches wir in den kommenden Tagen noch mehrmals besuchen werden.

Fast alle Kinder und Jugendlichen erlebten tragische Schicksale. Pfarrer Artur erzählt uns u. a. von einem Kind, das immer wieder mehrere Tage von seiner Mutter mitten in den Dünen allein gelassen wurde. Auf Grund des Hungers ging das Kind in der Nacht auf die Suche nach Essen und war somit stets der Gefahr ausgesetzt, von Tieren angegriffen und getötet zu werden.

Ein anderes Kind wurde kurz nach seiner Geburt seitens der Mutter vor der Klinik ausgesetzt. Die Helfer des Kinderheimes konnten die Mutter ermutigen, mit ihrem Kind nach Qapshagai zu kommen, wo sie in einem eigenen Haus für Mütter und Kinder untergebracht werden. Die Mutter stimmte zu, verließ jedoch ihr Kind im Laufe der Zeit immer wieder, woraufhin es absofort ganz in einem guten Umfeld des Kinderheimes aufwachsen konnte.

Die Jugendlichen bereiten uns ein Abendessen zu. So kommen wir nicht nur in den Genuss ihrer exzellenten Kochkünste, sondern mit ihnen auch ins Gespräch. Die Mädchen und Burschen leben in getrennten Lebensbereichen. Offizieller Spiritual des Hauses ist der Bischof.

Foto: Monika Dreger
Foto: Monika Dreger

Atuba schloss ein Elektrik-Studium ab, kann bereits einer Arbeit in der Männerdomäne nachgehen und sich gut durchsetzen. Sie erzählt uns, dass sie als Christin früher in der Schule nicht für gute Noten bezahlen wollte, worauf sie stets schlechtere Noten erhielt. Für uns ist diese z. T. noch vorhanden Form der Korruption, mit denen bereits Kinder schon konfrontiert werden, etwas unvorstellbar, wird aber von Priester Artur bestätigt.

In einem eigens geführten Interview, welches von Br. Patrik für P. Emmanuel-Maria übersetzt wird, erzählt Anja, wie sie mit 3 Jahren ins Kinderheim kam. Es ist auffällig, dass sie dort viel Geborgenheit und Liebe erfahren durfte. Dennoch spricht sie mit Fremden nicht gerne über ihre Erfahrungen. Eine Vorstellung für ihre Zukunft hat sie nicht, verrät uns aber, dass sie gerne malt und designt.

Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM
Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM

Vadin, der in einem Dorf aufwuchs, hatte nicht die Erfahrungen wie Anja gemacht. Ohne die Unterstützung durch das kirchliche Jugendhaus könnte er dennoch nicht einer Ausbildung nachkommen. Seine Vorstellung eines zukünftigen Berufes reichen vom Hotelier bis zum Sicherheitsdienst, wenn möglich, irgendwie in Kombination mit Sport. Als Kind, so erzählt uns der gesprächige junge Mann, war er sehr schüchtern; und er bereitet sich gerade auf seine Taufe vor, weil er „Gott näher sein möchte“, wie er uns verrät. Auf Gott und den Glauben ist er durch einen Freund aufmerksam geworden, der ihn immer wieder zu einer Messe oder einer anderen Veranstaltung eingeladen hatte.

Nebenbei, aber nicht weniger berührend, erfahren wir über Assid, der seit drei Jahren hier lebt, dass er nicht das Licht der Welt erblicken hätte sollen. Durch die Gemeinschaft im Kinderheim, wo er untergebracht war und die Gemeinschaft im Jugendhaus, konnte er jedoch seiner Mutter verzeihen. Dies zeigt uns, dass die Kinder und Jugendlichen durch die Herzlichkeit der Ordensfrauen, Priester und Mitarbeiter/innen in den Häusern nicht nur ein Dach über den Kopf oder eine Ausbildung erhalten, sondern auch die Möglichkeit haben, innere Heilung zu erfahren.

Der Besuch im Jugendhaus “Carravagio“<br />
Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM
Der Besuch im Jugendhaus "Carravagio".
Foto: P. Emmanuel-Maria Fitz OFM

Wir verabschieden uns von den Jugendlichen und verlassen Almaty Richtung Norden, wo wir die kommenden Tage stationiert sein werden.