Pfarre

Villach-St. Josef

BegLeitgedanken - Das Leben Jesu sinngemäß und zukunftstauglich übersetzen

Mit der Erweckung Jesu und der Ausgießung des Heiligen Geistes wird die Idee des angebrochenen Reiches Gottes als Lebensraum der Kirche fortgeschrieben. Beim Brechen des Brotes im Namen Jesu wird der lebendige Bezug zum österlichen Christus hergestellt. Das sogenannte Herrenmahl ist nicht nur Erinnerungsmahl, es ist wirklicher Gegenwartsbezug zu Jesus Christus. Dieser ist einerseits Gastgeber und andererseits als Brot vom Himmel eine Gabe zum ewigen Leben. Was Jesus wirklich tat und sagte, wird im Rückblick, in der Rückblende, aus der zeitversetzten Gegenwart für die Zukunft geschrieben. Hier geht es nicht um historische Echtheit, sondern um die authentische Wiedergabe der Botschaft Jesu. Durch die Gabe des Heiligen Geistes ist die junge Kirche ermächtigt, die Botschaft Jesu zu sichern, sie authentisch wiederzugeben und auszulegen. Die fingierten Settings und die erdachten Dialoge Jesu, sein konstruiertes Reden und Handeln, werden in einen historischen Kontext gesetzt, den es in Wirklichkeit nie gab. Das geschieht deshalb, um die Botschaft Jesu den unterschiedlichen Adressaten zu erschließen und sie der Nachwelt zu sichern. Wenn Jesus sich in einer solchen Situation befunden hätte, dann hätte er so gesprochen und hätte so gehandelt. Das entspricht ganz und gar seiner Art. Das trifft seine Botschaft im Kern. Die Gabe des Heiligen Geistes macht die junge Kirche zu authentischen Interpreten der Botschaft Jesu. Was sie spricht, spricht Jesus selber.

Die Kirche ist in der Rolle der Autorenschaft Jesu. Die Schriften des Neuen Testamentes sind daher keine historischen Tatsachenberichte, sondern Glaubenswahrheiten, deren Echtheit die Kirche im Namen Jesu und kraft des Heiligen Geistes verbürgt. Als Glaubenswahrheit ist ihre Echtheit über jeden Zweifel erhaben und unbestreitbar. Wer die Aussagen Jesu auf ihre historische Echtheit prüfen will, missversteht die Aussageabsicht biblischer Dokumentation. Die junge Kirche sichtet das Datenmaterial über Jesus von Nazareth, prüft es und trifft eine Auslese für die Nachwelt. Was der Botschaft Jesu widerspricht, wird verworfen. Das Thomasevangelium, das Evangelium der Maria Magdalena als auch das Judasevangelium werden nicht in das Neue Testament aufgenommen. Die kirchlichen Entscheidungsträger befinden im Namen Jesu und kraft des Heiligen Geistes darüber, was der Botschaft Jesu entspricht und was ihr widerspricht. Die Kirche bürgt für die Echtheit der Botschaft Jesu. Die Aufgabe der Kirche besteht nicht im Sichern des historischen Materials über das Leben Jesu. Ihre Kernaufgabe besteht vielmehr in der Wahrung und Verkündigung seiner Botschaft. Was die junge Kirche sagt, sagt Jesus und was Jesus sagt, sagt die junge Kirche. Die Autorenschaft ist beliebig austauschbar. Die Botschaft Jesu ist keine tote Materie, keine leblose Masse. Sie ist lebendig und inspiriert zu vielfältigen Inszenierungen und Interpretationen und büßt in diesen Anwendungsbereichen nichts an Echtheit ein. Es geht darum, nach eingehender Prüfung herauszufinden, was der Botschaft Jesu entspricht. Noch einmal. Es geht nicht um das Konservieren von historischen Aussagen, sondern um das Bewahren und Überliefern der Botschaft Jesu. Übersetzungs- und Auslegungshelfer sind Jesus und der Heilige Geist. Jesus ist in der Eucharistie als der lebendig Gegenwärtige erfahrbar und der Heilige Geist ist uns durch Jesus zugesagt. Er ist der Beistand vom Vater, der uns an alles erinnern wird und uns alles lehren wird (Joh 14,26).

Die Übersetzung ist ein Dialoggeschehen mit kreativ spiritueller Dynamik. Der Blick in die Vergangenheit muss zukunftstauglich, gesellschaftsfähig und kulturverträglich sein. Die Echtheit der Übersetzung verantwortet und verbürgt die Kirche. Sie ist Dolmetscher mit Authentizitätszertifikat. Selbst nach dem Weggang aus der Synagoge bleibt ihr dieses Gütesiegel erhalten. Nach dem Evangelisten Johannes hört sich das so an: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (Joh 20,21).“ Und bei Matthäus 10,40 lesen wir: „Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.“

Text: Dechant Herbert Burgstaller (erschienen im Pfarrblatt Heiligengeist im Mai 2022)