Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Von der Keule Kains und der Liebe als Maß

Gedanken zum 23. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Gesunde Maßlosigkeit erlaubt!

Schon in seiner Ordensregel schreibt der hl. Benedikt 529 n. Chr. von richtigen Maß. Überhaupt scheint er das „Maßhalten“ als das Maß aller Dinge zu sehen. Gewissermaßen als Ratgeber zur Zufriedenheit und als Leitfaden für ein geglücktes Leben und eine funktionierende Gemeinschaft. Damit ist allerdings nicht Durchschnittlichkeit und Mittelmäßigkeit gemeint, sondern das berühmte „am Boden bleiben“, sich nicht den Extremen zu verschreiben.

Das gilt für alles – vor allem aber für das menschliche Miteinander. Wir leben in einer Zeit, die sehr stark von Extremen geprägt wird. Extremer Reichtum und ebensolche Armut stehen einander gegenüber, extreme Leistungsbereitschaft und überzogene Lethargie treten in Konkurrenz. Für den Menschen wird es zunehmend schwerer, sich im Leben zu positionieren, da die Fülle der Lebensprogramme immer vielfältiger wird. Wir leben in einem enormen Spannungsbogen, der uns zu zerreißen droht. Medien und Mode schaffen das Ihrige und geben uns Richtungen vor, die es einzuhalten gilt, um nicht angreifbar zu sein.

Maßhalten bedeutet allerdings, sich selber ständig zu hinterfragen und klare Position einzunehmen.

Es bezieht sich ebenso auf den Genuss, das Nützen der Güter, das Habenmüssen, das Gieren nach Superlativen und das mehr als andere sein zu wollen. Je mehr man in das Gefäß Mensch füllt, umso leerer wird es für das, was wirklich wesentlich ist. Vor der Maßlosigkeit ist keiner gefeit. Jeder, der das Etikett „Mensch“ trägt, wird sich immer wieder dabei ertappen, die Grenze des Maßvollen so weit wie möglich auszudehnen und dadurch an der Gesellschaft schuldig zu werden. Die Kritik am anderen ist da schnell zur Hand. Geschwisterliche Zurechtweisung ist gut, solange sie vom Interesse am Wohl des anderen geprägt ist. Den anderen zu kritisieren lenkt nicht selten von den eigenen Unzulänglichkeiten ab. Das Zurechtweisen sollte das Gemeinwohl in den Blick nehmen und ebenso maßvoll und barmherzig geschehen, damit der Balken im eigenen Auge nicht zur Keule Kains anwächst, die den Bruder / die Schwester erschlägt. Beklagenswerterweise erfahren wir das auch in unserer Kirche viel zu oft und wundern uns darüber, wie viel Unchristlichkeit unter dem verführerischen Deckmantel vermeintlicher Gerechtigkeit Platz findet. Selbstgerechtigkeit ist die Schwester der Maßlosigkeit und erstickt den letzten Funken der von Christus geforderten Nächstenliebe und führt das Beten, das auch oft die große Bühne sucht, ad absurdum. Im menschlichen Umgang gilt vor allem das, was die heilige Theresa von Avila treffend formulierte:

Das Maß der Liebe ist Liebe ohne Maß.

Nichts anderes verlangt Jesus von uns und nichts anderes wird uns zumindest ein bisschen echter Christ werden lassen.

Ich wünsche uns allen, dass wir mit den anderen nicht strenger sind als mit uns selbst!

Gesegneten Sonntag!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar