Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Undankbare Pächter?

Gedanken zum 27. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Sind wir undankbare Pächter?

Das ist eine Frage, die wir uns vermutlich im Alltag sehr selten stellen, trotzdem macht uns das Sonntagsevangelium betroffen, weil wir genau wissen, dass wir gemeint sind. Die Verantwortung für das, was wir leihweise übernommen haben, wird uns bewusst. Da stellen sich viele Fragen, die angesichts mannigfacher Probleme, die unsere Welt hat, lautstark an unsere Türen klopfen. Der Drang, Besitz haben zu müssen und diesen zu vermehren, koste es was es wolle, ist dem Menschen wohl in die Wiege gelegt. Nicht selten beobachtet man Kinder, wenn es darum geht, zu teilen, wie sie nach den größten Stücken gieren. Das ändert sich dann oft bis ins Erwachsenenalter nicht. Was im Kleinen begonnen hat, wird im Großen gigantisch.

Der Egoismus macht blind für die globalen Zusammenhänge und die Bedürfnisse des Gemeinwohls.

Diese Gier schlägt sich in der Ausbeutung der Natur und der Ressourcen der Erde nieder. Alles muss getoppt werden und der Run auf Superlative ist nahezu unerträglich geworden. Kritische Gedanken sind nicht selten unpopulär, weil sich die Menschen auf den Schlips getreten fühlen und mitunter sehr unsanft aus ihrer scheinbar „heilen Welt“ gerissen werden. Die Alarmglocken schrillen und immer noch verstopfen wir uns die Ohren, um sie nicht hören zu müssen. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass es wirklich fünf Minuten vor Zwölf ist. Die Erde, mit allem, was sie hat, ist uns nur geliehen. Wir sind wie die Pächter dessen, was wir als unseren Besitz sehen, wofür wir Rechenschaft ablegen müssen. So brutal und unsinnig das Evangelium vielleicht klingen mag, so erschreckend realistisch ist es in unserem Leben. Mahner werden mundtot gemacht und passen so gar nicht in die Geschwindigkeit unserer Gesellschaft. Wir lassen uns von den Trends vor uns hertreiben und leben in einer Wegwerfgesellschaft, die alle Bereiche des Zusammenlebens berührt. Wir nutzen bis zum Kollaps und sind zu wenig darauf bedacht, dass alles einmalig und unwiederbringlich ist. Diese Unverbindlichkeit und Wegwerfmentalität zieht sich aber bis in die Beziehungen, wo nicht mehr gekämpft wird, sondern oft Kleinigkeiten zum Aus führen.

Es gibt kaum noch das Gefühl für das Jetzt, weil uns ständig vor Augen gestellt wird, was wir noch alles haben müssen, um glücklich zu sein. Mitte September öffneten bereits in manchen Einkaufsketten die Weihnachtsmärkte, damit rechtzeitig bis Weihnachten alles unter Dach und Fach gebracht werden kann und zu Weihnachten winken schon die neuen Frühjahrskollektionen und die Angebote für Ostern. Wir sind atemlos und kaufen auch das, was wir nicht brauchen, um es dann rasch wieder zu entsorgen.

Jesus will uns mit diesem Gleichnis zu mehr Achtsamkeit auffordern, dass all das, was uns umgibt, uns nur für eine Zeitspanne gegeben ist und wir nichts behalten können, wenn unsere Uhr abgelaufen ist. Kein Mensch besitzt die Garantie für seine Lebenszeit, obwohl manche so leben, als ob es nur die Unendlichkeit für sie geben würde.

Das Bewusstsein für die eigene Zerbrechlichkeit schafft gleichzeitig jenes für die Kostbarkeit der Momente und sollte die Sensibilität für den Wert unseres Lebensumfeldes fördern.

Das bedeutet aber auch, dass mit der Gewissheit der Vergänglichkeit klar ist, dass von uns, als Pächter unseres Lebens, jederzeit Rechenschaft gefordert werden kann. Der Gedanke verliert dort seinen Schrecken, wo wir uns auf ihn einlassen und dem Leben mit Verantwortung begegnen – oft gelingt es, oft scheitern wir – aber das Bemühen darum lässt uns wachsen. Und das ist wichtig!

Ich wünsche uns allen ein neues Bewusstsein für den Wert unseres Lebens!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar