Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Von Zahnrädern und anderen Notwendigkeiten

Gedanken zum 3. Sonntag der Osterzeit

Schon am Ostermontag haben wir das Evangelium von den Emmausjüngern gehört. Jetzt sind fast zwei Wochen vergangen und wieder begegnen uns die beiden Jünger, die traurig auf dem Weg nach Emmaus sind. Haben sie die Osterbotschaft noch immer nicht verstanden? Zugegeben, Ostern ist ein kompliziertes Fest, vor allem in einer Zeit, wo der Mensch alles erklären möchte.

Der Verstand will begreifen, um schließlich glauben zu können. Aber Glaube hat wenig mit Verstehen zu tun.

Der Glaube setzt dort ein, wo wir an die Grenzen unseres Menschseins und unseres Erklärens stoßen. Das ist eine Erfahrung, die schließlich auch die Frage nach Gott aufwirft. Solche Grenzerfahrungen machen wir in letzter Zeit dauernd. Ich höre von vielen Menschen, dass sie die augenblickliche Situation nicht mehr aushalten. Sie hadern mit ihrem Leben. Auch Junge sind deprimiert, weil sie nicht wissen, wie es mit ihrer Ausbildung weitergeht, weil sie Angst um ihre Zukunft haben. Das Leben rund um die Krise zeigt uns, wie zerbrechlich alles Menschliche ist und wie sehr wir in einen Lebensprozess eingebunden sind, der von vielen Faktoren abhängig ist.

Ich denke dabei oft an eine komplizierte Uhr, deren Werk sichtbar ist. Im Betrachten der unzähligen Zahnräder wird klar, dass es nur im Zusammenspiel dieser vielen Elemente ein Funktionieren geben kann. Das ist im Miteinander der Menschen nicht anders. Auch wenn es im achtlosen und routinierten Alltag oft den Anschein hat, dass einzelne Räder wie von selbst funktionieren und andere keine Rolle spielen, so schafft der genaue Blick doch Klarheit darüber, dass es nur dann geht, wenn ALLES aufeinander abgestimmt ist – auch die kleinste Feder, die man mit bloßem Auge nicht wahrnimmt.

Der Blick auf das Ganze geht uns verloren, wenn wir ausschließlich mit dem eigenen Leben beschäftigt sind.

So einschneidend die Erfahrungen mit der momentanen Situation sind, umso mehr wird auch deutlich, dass der Einzelne alleine nicht leben kann. Er braucht andere Menschen, er braucht die Natur und er braucht die Lebensfähigkeit eines gesunden Organismus, um voll und ganz im Jetzt zu stehen. Und wo es Mängel gibt, da ist Unterstützung und Nachhilfe notwendig, die wieder nur von anderen Menschen erbracht werden kann. Was vielen Mensch in dieser Zeit am meisten fehlt, das ist die Zuwendung spürbarer Nähe. Distanz schafft Kälte und wird zu einer Mauer, die viele Gefühle filtert und sie schließlich in ihrem Schatten ersticken lässt. Das ist die große Gefahr. Um beim Bild der Uhr zu bleiben. Das ist wie der Rost, der sich unmerklich an den kleinen Rädern und Schrauben ansetzt und das Werk irgendwann zum Stillstand bringt. Deshalb müssen wir darauf achten, dass wir uns an diesen Zustand nicht gewöhnen, sondern diese Zeit dafür nutzen, um innerlich am Leben zu bleiben. Ignatius von Loyola, der bekannte Gründer des Jesuitenordens, hat es treffend formuliert:

„Man soll nie etwas Gutes, sei es noch so klein, aufschieben, in der Hoffnung, in der Zukunft etwas Größeres tun zu können.“

Ich denke, das können wir auch aus der Krise lernen. Wir verstehen, dass Manches sich sehr schnell ändern kann. Das haben auch die beiden Jünger in Emmaus begriffen. Sie haben erfahren, dass ihr Leben durcheinander gebracht wurde und nichts mehr so gewesen ist, wie es vorher war. Aber aus der Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen haben sie die Kraft erhalten, umzukehren und zurück zu gehen. Und dort, wo das Chaos angefangen hat, haben sie ihr Erkennen weitergegeben und mit den anderen Aposteln geteilt. Das bedeutet für uns, dass wir wieder zurück müssen, vielleicht an den Start, um von unseren Begegnungen mit Gott zu erzählen. Das wird entscheidend dafür sein, wie es DANACH weitergeht, ob die Uhr sich wieder in Bewegung setzt, oder auf fünf Minuten vor Zwölf stehen bleibt.

Ich wünsche Ihnen allen einen gesegneten Sonntag!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar