Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Online heißt keinesfalls auf Spur!

Gedanken zum Fest der Heiligen Familie von Dechant P. Gerfried Sitar

Online nach Bethlehem?

Ich habe mich in den letzten Tagen gewundert, welche Einladungen zu Online-Treffen hereingekommen sind.

Krippenspiele online. Messen online. Chorgesang online. Weihnachtsfeiern online. Friedenslicht online …. Geht’s noch?

Man hat den unmissverständlichen Eindruck, dass man sogar noch stolz ist ob der Kreativität und sich gegenseitig übertrumpfen möchte und so hantelt man sich elegant über die subtile Gefahr hinweg, die mit diesem permanenten spirituellen Online-Aufgebot verbunden steht. Online ersetzt keineswegs das Reale und lässt uns auf längere Sicht unmerklich abstumpfen, sodass die Bequemlichkeit dieser Form der Begegnung die Sehnsucht nach echtem Miteinander mit anderen verschüttet – und damit meine ich nicht Party, sondern das echte menschliche Miteinander in allen möglichen und unmöglichen Lebenssituationen. Es scheint zudem bequemer, sich nicht wirklich mit dem Gegenüber auseinandersetzen zu müssen, nicht auf Tuchfühlung zu gehen und somit Stimmungen einzufangen …. Man kann abschalten.

Und in diesem ganzen Online-Chaos feiern wir das Fest der Heiligen Familie.

Und was ist Familie anderes als ICH - DU - WIR?

Familie ist nicht möglich ohne die Nestwärme und den gegenseitigen Verlass, ohne das absolute Wohlwollen und das gefühlte und gespürte Miteinander, ohne das Hinhören und Zuhören – nicht nur der Eltern und der Kinder, sondern auch aller anderen Familienmitglieder. Die Familie ist der Ort, an dem wir Werte vermittelt bekommen, das Gefühl für die Tradition, der Ort, an dem wir verzeihen und lieben lernen, wo Respekt wächst und Toleranz, Barmherzigkeit und die Kraft der Motivation. Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft und wenn diese nicht lebendig ist und gepflegt wird, dann kann Gesellschaft nicht konstruktiv gelingen. Familie braucht Zeit. Die haben wir leider oft nicht, oder meinen, sie nicht zu haben. Darunter leidet die Qualität familiären Zusammenlebens massiv. Vielleicht ist die Zeit von ONLINE doch auch eine Chance, den Wert der kleinen Lebenszelle neu schätzen zu lernen, wieder mehr aufeinander zu hören und mehr miteinander zu leben. Ich hoffe es!

Mich hat Weihnachten heuer sehr nachdenklich gestimmt. Es hat sich mitunter sehr kalt angefühlt. Schuld waren nicht die mäßig besuchten Gottesdienste oder die gesamt angespannte Situation, sondern vielmehr die Erkenntnis, wie schnell wir Menschen uns mit Zuständen abfinden und kapitulieren. Für mich ist online ein Synonym der Kapitulation. Weshalb? Weil ich mir die Folgen vorstelle.

Stellen wir uns vor, was wäre, wenn die Sterndeuter aus dem Osten nur online an der Krippe gewesen wären …. Die Reise hätten sie sich erspart, ein online Geschenk wäre vermutlich billiger gekommen und der Besuch bei Herodes hätte sich auch erledigt. Auch die Hirten wären online dabei gewesen … hätten vielleicht ein „Like“ geschickt. Irgendwie schon skurril, wenn es manche Menschen gibt, die online inzwischen besser bewerten als die direkte Begegnung. Kürzlich hat mir ein Psychotherapeut gesagt, dass er die Online-Beratungen seiner Klienten sehr zielführend findet, weil sie weniger Emotionen aufkommen lassen. Das ist der Punkt! Weniger Emotionen. Man kann abdrehen, wenn es nicht mehr gefällt, zieht den Stecker und ist herrlich unverbindlich! Was wollen wir mehr? Ganz toll! Ich bin begeistert!

Ehrlich. Ich bin entsetzt!!!

Lassen wir in der Zeit des Lockdowns die Sehnsucht nach echten Begegnungen wachsen, damit wir dann – danach - auch noch in der Lage dazu sind und unser ganzes Leben am Ende nicht aus abstrusen Babyelefanten und gelben Linien und das Lachen erstickende Masken besteht.

Das gilt auch für unseren Blick auf die Welt. Es genügt nicht, die Menschen in Flüchtlingslagern zu bedauern und virtuell mit ihnen zu leiden, sondern wir müssen Räume für sie schaffen und etwas tun! Hier braucht es keine Online-Diplomatie, sondern konkrete Aktionen. Real und menschlich! Wie wäre es, wenn wir als Kirche in Kärnten etwas tun würden? Wer macht mit? Lasst uns handeln und nicht nur jammern! Lasst uns konkret darüber reden und einen brauchbaren Baustein anbieten!

Der Mensch braucht Wärme und Nähe, damit er nicht verkümmert.

Vergessen wir das nicht! Das ist doch Grund genug, das Fest der Heiligen Familie so hoffnungsvoll zu feiern, dass der Glaube an die Normalität und an die lebendige Gemeinschaft das Schreckensszenario einer Online-Gesellschaft verscheucht. Ich jedenfalls bete dafür und danke Gott, dass ich nicht nur online, sondern wirklich bin – Fleisch und Blut, lebendig, mit Ecken und Kanten genauso wie mit meinen Talenten und Fähigkeiten.

Ich bin! Du bist! Wir sind! Ihr seid!

Ich wünsche Euch viel Sehnsucht nach echten Begegnungen!

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar