Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Konklave - Ort des Hl. Geistes?

Schweigen? Nein, danke!

Das Konklave, als Inbegriff kirchlicher Entscheidungsfindung, ist in der öffentlichen Wahrnehmung von einem Schleier des Geheimnisvollen und Heiligen umgeben, doch wer als kritischer Geist nüchtern auf die Geschichte blickt, erkennt rasch, dass es sich dabei weniger um ein reines Wirken des Heiligen Geistes als vielmehr um ein komplexes Geflecht aus menschlichen Interessen, politischen Strategien und kirchlichen Machtspielen handelt. Seit dem Mittelalter, als das Konklave eingeführt wurde, um äußeren Einfluss und endlose Sedisvakanzen zu verhindern, hat sich das Verfahren zwar formalisiert, doch die eigentlichen Dynamiken blieben stets von den jeweiligen Zeitumständen geprägt: Nepotismus, also die Bevorzugung von Verwandten und Freunden, spielte ebenso eine Rolle wie die Absicherung von Machtpositionen, der Schutz von Privilegien und die Sicherung kirchlicher wie weltlicher Interessen. Die fromme Formel, der Heilige Geist leite die Wahl, steht dabei in einem Spannungsverhältnis zur Realität der Abstimmungen, bei denen nicht selten taktische Bündnisse, geheime Absprachen und Blockadehaltungen den Ausschlag gaben. Die Vorstellung, dass Gott durch menschliche Schwäche und politische Ränkespiele hindurch seinen Willen durchsetzt, ist theologisch zwar nicht auszuschließen, bleibt aber rational kaum nachvollziehbar und wird von vielen Gläubigen als Vertröstung empfunden. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass die Kirche in ihren höchsten Entscheidungsgremien keineswegs frei von Angst, Unsicherheit und Menschenfurcht agiert: Viele Kardinäle wagen es nicht, offen zu sprechen, aus Sorge um ihr Ansehen, ihre Karriere oder schlicht aus Angst vor der Spaltung. Das führt dazu, dass im Konklave häufig ein Klima der Vorsicht, des Schweigens und der diplomatischen Floskeln herrscht, in dem echte prophetische Stimmen und klare Positionen selten Gehör finden. Die letzten Pontifikate illustrieren diese Entwicklung auf eindrückliche Weise: Während Johannes Paul II. noch als charismatischer Führer galt, der klare Linien vorgab, wirkte Benedikt XVI. bereits zurückhaltender, intellektuell, aber wenig durchsetzungsstark. Das Pontifikat von Franziskus schließlich ist bei aller guter Absicht geprägt von einem Mangel an strategischer Klarheit, von widersprüchlichen Initiativen und einem synodalen Prozess, dessen Zielvorgaben unklar bleiben und der die bestehenden Konfliktlinien innerhalb der Kirche eher sichtbar macht als überwindet. Die Folge ist eine zunehmende Spaltung zwischen Reformern und Bewahrern, zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen theologischer Tiefe und pastoraler Pragmatik. Die Kirche verliert sich in endlosen Debatten, die oft mehr von Aktionismus als von echter Erneuerung geprägt sind, während das eigentliche Mysterium des Glaubens, das Vertrauen auf das Wirken Gottes im Unverfügbaren, immer mehr in den Hintergrund tritt.

Ein Gott, der sich vollständig erklären, planen und kontrollieren lässt, wäre kein Gott mehr.

Das eigentliche Geheimnis des Glaubens besteht gerade darin, dass Gott sich dem Zugriff des Menschen entzieht und dennoch im Unvollkommenen, im Schwachen, im scheinbar Banalen wirkt. Das Konklave ist so gesehen weniger ein Ort der reinen Inspiration als vielmehr ein Spiegel der Kirche selbst: menschlich, fehlerhaft, von Ängsten und Hoffnungen gleichermaßen geprägt, und gerade darin offen für das Unerwartete, das sich nicht machen oder erzwingen lässt. Vielleicht liegt die größte Herausforderung für die Kirche darin, wieder mehr Mut zum Mysterium, zur Stille und zum Vertrauen zu finden – und weniger auf Strategien, Programme und menschliche Berechnung zu setzen. Denn vieles von dem, was im Konklave gesprochen, beraten und beschlossen wird, bleibt letztlich Stückwerk, während das eigentliche Wirken Gottes sich oft im Verborgenen, im Unspektakulären und im Schweigen ereignet.

Das Konklave ist damit ein Symbol für die Spannung zwischen menschlicher Schwäche und göttlichem Geheimnis – eine Spannung, die die Kirche immer wieder neu aushalten und gestalten muss, wenn sie ihrem Auftrag treu bleiben will.

Gerade im aktuellen Konklave verdichten sich diese Erwartungen und Hoffnungen: Nach den Jahren der Unsicherheit, des Richtungsstreits und der ausbleibenden Reformen wächst der Wunsch nach einem Papst, der endlich klare Ziele formuliert, die Bedürfnisse der regionalen Kirchen ernst nimmt und die drängenden Themen offen anspricht, über die bisher nur getuschelt wurde. Die Weltkirche hofft auf eine Führungspersönlichkeit, die nicht nur moderiert, sondern mit Entschlossenheit und Transparenz die Herausforderungen der Gegenwart anpackt, die Spaltung überwindet und der Kirche eine neue Richtung gibt – damit das Konklave nicht nur ein Ritual bleibt, sondern zum Ausgangspunkt einer echten Erneuerung wird. Das Konklave zur Wahl des neuen Papstes beginnt am 7. Mai 2025 in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. 135 wahlberechtigte Kardinäle (rein rechtlich sind es maximal 120 – offenbar war man etwas zu übereifrig bei der Ernennung) aus aller Welt versammelten sich in streng abgeschirmter Atmosphäre, um in einem ritualisierten Verfahren den Nachfolger von Papst Franziskus zu bestimmen. Die Tage vor dem Konklave sind geprägt von intensiven Generalkongregationen, in denen die Kardinäle offen über die Herausforderungen der Kirche, die Spannungen zwischen den regionalen Kirchen und die Notwendigkeit klarer Leitlinien diskutierten. Trotz der jahrhundertealten Traditionen und dem feierlichen Rahmen ist die Atmosphäre von großer Unsicherheit und Zurückhaltung geprägt. Viele Kardinäle halten sich mit klaren Aussagen zurück, da die Kirche tief gespalten ist und die Erwartungen an den neuen Papst hoch und vielfältig sind. Die Wahl wird von der Weltöffentlichkeit mit Spannung verfolgt; der berühmte Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle signalisiert nach jedem Wahlgang, ob ein Ergebnis erzielt wurde. Schwarzer Rauch bedeutet weiterhin keine Einigung, weißer Rauch kündigt die Wahl eines neuen Papstes an. Die Hoffnung vieler Gläubiger liegt auf einer Führungspersönlichkeit, die klare Ziele formuliert, die regionalen Bedürfnisse ernst nimmt und mutig die bislang tabuisierten Themen anspricht und Schritt für Schritt umsetzt. Es wird erwartet, dass der neue Pontifex nicht nur redet und das populär wirksam, sondern mit Entschlossenheit und Transparenz die drängenden Herausforderungen der Kirche angeht, die Spaltung überwindet und der Weltkirche eine neue Orientierung gibt. Dieses Konklave steht somit exemplarisch für die Spannung zwischen Tradition und Erneuerung, zwischen menschlicher Schwäche und göttlichem Geheimnis, die die Kirche auch in Zukunft prägen wird.

Eine tiefgehende Lösung der aktuellen Kirchenkrise (wohl auch eine Krise der Gesellschaft schlechthin) erfordert die Unterscheidung zwischen weltkirchlichen und regionalen Herausforderungen.

Weltkirchlich stehen Fragen wie Glaubwürdigkeit, Missbrauchsskandale, die Rolle der Kirche in einer säkularisierten Welt und die Suche nach neuer geistlicher Autorität im Vordergrund. Aber auch Kirche als Korrektiv in einer zunehmenden Beliebigkeit und Legitimation des Irrsinns am politischen Parkett ist gefragt - nicht zusehen und schweigen, sondern aufzeigen und Einhalt gebieten! So kann es doch in unserer Welt nicht weitergehen! Es brennt überall und keiner schreit: Feuer! Regional hingegen prägen soziale, kulturelle und pastorale Unterschiede das Bild: In Europa etwa der Priestermangel und die Entfremdung von der Liturgie, in Afrika und Asien das Wachstum und die Integration traditioneller Spiritualität, in Lateinamerika der Einfluss evangelikaler Bewegungen. Oft wird in den Debatten das Thema Frauenpriestertum oder die Rolle der Frau in der Kirche als Hauptproblem dargestellt, doch die eigentliche Krise ist viel tiefer: Es ist die Entmythologisierung und der Verlust der eucharistischen Mitte. Die Eucharistie ist nach katholischem Verständnis nicht nur ein Symbol, sondern die reale Gegenwart Christi in Brot und Wein, Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens, das Herz der Kirche. Diese Mitte wird heute vielfach durch Strukturdebatten, Aktionismus und eine „gestaltete Mitte“ oder Sesselkreise ersetzt, die das Geheimnis nicht tragen können.

Die Kirche lebt von der Eucharistie, von der lebendigen Begegnung mit Christus, nicht von endlosem Diskurs.

Das Priestertum ist dabei nicht das Problem, sondern der Schlüssel: Es ist notwendig, das priesterliche Amt wieder als geistliche Berufung und Dienst an der Eucharistie zu profilieren, anstatt es schlechtzureden oder nur funktional zu betrachten. Attraktivität entsteht nicht durch Anpassung an äußere Erwartungen, sondern durch die Glaubwürdigkeit und Tiefe des gelebten Glaubens und die Ausstrahlung einer Gemeinschaft, die sich um die Eucharistie sammelt. Die Kirche muss sich daher auf ihre sakramentale Identität besinnen, die Eucharistie als Quelle und Ziel ihres Lebens neu entdecken und das Priestertum als Dienst an dieser Mitte stärken. Nur so kann sie in den unterschiedlichen Regionen der Welt glaubwürdig und lebendig bleiben. Dabei sollte auch darüber gesprochen werden, wer zum Priestertum berufen ist - und dabei kann, der Apostelgeschichte folgend, nicht nur an Männer gedacht werden. Es braucht aber echte Berufungen mit einem gesunden Zugang zur Demut und echtem geistlichen Tiefgang - nicht nach Anerkennung heischende Selbstoptimierer, die die Kirche als Bühne ihrer zweifelhaften Selbstinszenierungen missbrauchen!

Auf einer Hausmauer in Berlin fanden sich die Worte: Gott ist tot. Nietsche. Darunter stand: Nietsche ist tot. Gott. Die Kirche lebt! Das hängt nicht vom Konklave ab! Gott sei Dank!

Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein!

Ich wünsche uns allen ein Konklave aus dem Geist für eine geistreiche Kirche!

Herzlich

Ihr

P. Gerfried Sitar