Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Die Loyalität des heiligen Josef – ein stilles Gegenbild zu unserer Zeit

Gedanken zum Sonntagsevangelium von Dechant Gerfried Sitar

Die Loyalität des heiligen Josef – ein stilles Gegenbild zu unserer Zeit

In einer Welt, in der Loyalität immer seltener zu den geschätzten Tugenden gehört, leuchtet das Beispiel des heiligen Josef umso heller. Josef, der Gerechte aus Nazareth, bleibt seinem Wort, seinem Glauben und seiner Berufung treu – obwohl alles in ihm dagegen sprechen könnte. Seine Loyalität ist keine blinde Unterordnung, sondern gelebte Treue, die aus Glaube, Liebe und Verantwortung erwächst.

Josef steht nicht im Rampenlicht. Er erhebt keine Anklage, sondern handelt in Stille und im Gehorsam gegenüber Gott. Als er von Marias unerwarteter Schwangerschaft erfährt, reagiert er nicht mit Eitelkeit, Zorn oder Empörung. Er entscheidet sich für das Gerechte, auch wenn es ihn selbst zurückstellt. Als der Engel ihn ruft, folgt er – uneigennützig, treu und gehorsam seinem Auftrag gegenüber. Diese Haltung der inneren Lauterkeit und des stillen Dienens ist die eigentliche Größe des heiligen Josef.

Heute jedoch scheint Loyalität vielen verdächtig. In einer Gesellschaft, die das schnelle Urteil liebt und Popularität mit Wahrheit verwechselt, gilt Beständigkeit als Schwäche. Auch in der Kirche ist diese Entwicklung spürbar – ja, vielleicht dort noch schmerzlicher. Wo einst Treue zum Evangelium und zur Berufung als höchste Tugend galt, haben sich vielerorts taktisches Denken und persönliches Kalkül breitgemacht. Nicht selten sind es gerade die Illoyalen, die wissen, wie man sich geschickt positioniert, die den Populismus des Augenblicks nützen, um Einfluss zu gewinnen. Wer schnell mit dem Maßstab der Zeit urteilt, wer sich den Medienströmen anpasst oder dem Beifall nachläuft, scheint mehr Erfolg zu haben als jener, der schlicht und still treu bleibt – und so verliert auch die Kirche ihre innere Glaubwürdigkeit.

Gerade in dieser geistlichen Krise braucht es das Beispiel des heiligen Josef. Seine Loyalität erinnert uns daran, dass Treue kein sentimentaler Wert ist, sondern der Prüfstein des Glaubens. Josef sucht keine eigene Bühne, kein Amt, kein Ansehen. Er trägt seine Verantwortung im Verborgenen – und wird gerade darin zum Werkzeug des Heils. In ihm zeigt sich, dass wahre Größe nie aus der Anpassung erwächst, sondern aus der Beständigkeit im Glauben. Doch die Treue Josefs ist nie unversöhnlich: sie heilt, wo andere trennen; sie trägt, wo andere richten. Seine Loyalität schließt die Bereitschaft zur Versöhnung ein – jene tiefe, göttliche Kraft, die Beziehungen heilt und Gemeinschaft neu schafft.

Die Kirche unserer Zeit wird wieder lernen müssen, wie heilsam das stille Zeugnis der Treue ist – jenseits ideologischer Lager, jenseits populistischer Tendenzen. Es ist die Treue, die bewahrt, was Gott anvertraut hat. Doch ohne Versöhnung bleibt auch sie unvollständig: nur wer treu bleibt und zugleich vergeben kann, baut wirklich Frieden auf. So mahnt uns der heilige Josef, dass echte Loyalität immer in Liebe wurzelt – und dass nur dort, wo Liebe stärker ist als Berechnung, Kirche glaubwürdig bleibt.