Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Die Geschichte von Mut und Angst

Gedanken zum 19. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Mut und Angst sind ein ungleiches Paar, das in unserem Leben nicht selten im Widerstreit steht. Mut wächst aus der Vision, dem Wollen, etwas bewegen zu können, Neues zu schaffen, während die Angst auf dem Fundament der Realitätserfahrung und der Begrenztheit steht. Die Jünger hatten Angst, als sie in Seenot gerieten. Nur zu gut wussten sie aus ihrer Alltagserfahrung, wie unberechenbar das Wasser, das eigentlich Lebensader für sie war, im aufgepeitschten Zustand sein konnte. Und da wandelt Jesus über das Wasser. Ein Gespenst? Wie kann das sein? Glaube und Zweifel ringen miteinander und die Gefühle gehen hoch. Erleben wir das nicht auch oft? Wir leben mitten im Durcheinander der Realität. Die Lebenswogen stehen auf Sturm, wo wir Angst vor der Zukunft haben, weil uns negative Meldungen den Optimismus nehmen, Streitereien schaffen düstere Wolken in Beziehungen, Krankheit setzt sich wie eine Kröte auf den Lebensimpuls, massive Grenzen nehmen uns die Leichtigkeit, Neid und Missgunst vergiften den Brunnen des täglichen Miteinander ... und da sollen wir glauben?

In diesem Chaos ruft Jesus dem Petrus zu: „Komm!“

Ausgerechnet dem Petrus, der aus Angst Jesus drei Mal verleugnete, der nicht unter dem Kreuz stand und sich aus dem Staub gemacht hatte und aus Angst die Türen versperren ließ. Ausgerechnet diesem Petrus traut Jesus den Mut zu, etwas gegen die Vernunft zu tun.

Das Wasser trägt! Glaube kann Berge versetzen, heißt es.

Häufig mischt sich in dieses entschlossene Glauben allerdings die berechnende Vernunft, die alles hinterfragen möchte. Fürchtet euch nicht! Das Boot unserer Zeit wird durch gewaltige Stürme ordentlich erschüttert und wir fühlen uns wie dieses zusammengekauerte Häufchen der Apostel. Die Angst macht sich breit. Jesus begegnet aber auch uns im Heute und hält dieses „Fürchtet euch nicht“ aufrecht. Er fordert uns auf, das Boot zu verlassen und ihm entgegen zu gehen. Glaube braucht heute wie damals sehr viel Mut, weil er bedingungslos sein muss, um tragfähig zu werden. Er braucht die Fähigkeit, gegen alle Vernunft anzutreten, um gegen jedes bessere Wissen den Fuß auf einen unsicheren Untergrund zu stellen und zu hoffen, dass er trägt. Mancher würde das als verrückt bezeichnen – aber ver-rückt schaffen wir das Laufen gegen die Spurrillen des Gewöhnlichen.

Ich wünsche Ihnen tragfähiges Lebenswasser und Mut, das Wagnis mit Gott immer wieder neu einzugehen!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar