Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Der Seele neue Kleider

Gedanken zum 28. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Der verstorbene Modezar Karl Lagerfeld bezeichnete die Jogginghose im öffentlichen Raum als die Aufgabe des eigenen Selbst. Was Kleidung tatsächlich ausdrückt unterschätzen wir oft, weil wir uns, ohne nachzudenken, den Trends und Modeströmungen unterwerfen. Früher gab es am Land das Sonntagsgewand, durch das man zum Ausdruck brachte, dass der Sonntag ein besonderer Tag ist. Man zog sich festlich an, wenn man zum Gottesdienst ging und wollte damit gleichzeitig eine innere Haltung zeigen. Heute hat sich vieles geändert. Wenn man sich bei Firmungen oder Erstkommunionen umsieht, dann staunt man oft, wie „abgerissen“ manche Menschen an solchen Feiern teilnehmen. Ich erinnere mich gerne an einen liebenswürdigen Ordensbruder, der seine im Zerfallen begriffene Schuhe immer mit Draht zusammengebunden hatte. Als er vom Abt darauf angesprochen wurde, meinte er: „Das ist Armut!“ Worauf der Abt mit aller Deutlichkeit antwortete: „Das ist nicht Armut, das ist Schlamperei!“ Das kann man heute quer durch die Gesellschaft beobachten. Früher erschien man im Anzug oder adrett gekleidet zum Vorstellungsgespräch – heute sind zerrissene Jeans und seltsame Accessoires keine Seltenheit mehr. Es ist scheinbar alles erlaubt und niemand traut sich, etwas zu sagen, weil das „uncool“ oder gar intolerant wäre.

Hier greift das Sonntagsevangelium. Wie drücken wir unsere innere Haltung nach außen aus? Ist alles gleichgültig? Werte gehen schnell verloren und werden durch Unverbindlichkeit und Oberflächlichkeit ersetzt. Dabei geht es nicht nur um das äußere Gewand, sondern um Haltungen, um den „Habitus“.

Kleider haben eine unglaubliche Ausdrucks- und Symbolkraft.

Das Taufkleid drückt die Reinheit aus und die Zugehörigkeit zu Christus – diese wird symbolisch durch das Erstkommunionskleid erneuert. Wenn Trachtenvereine das Gewand ihres Tales tragen, drücken sie dadurch ihre Heimatverbundenheit und Zusammengehörigkeit aus. Ordensleute tragen ihre Ordenstrachten und sind daher für den, der sich bei der Vielfalt an Ordenskleidern auskennt, sofort zuordenbar – wenn sie den Habit öffentlich tragen, wollen Ordenschristen dadurch ihre Christusnachfolge offen zeigen und ein Zeugnis dafür ablegen. Symbolisch steht der Habit aber auch für das Ablegen des alten Menschen. Freilich macht dieser noch nicht den Mönch oder die Nonne aus, sollte aber für eine innere Einstellung stehen, die auf den ersten Blick nicht sichtbar ist. Uniformen zeigen ebenso die Zugehörigkeit zu einer Organisation und sollen gleichzeitig Respekt einfordern, verleiten aber auch gelegentlich zu Machtmissbrauch und zur Überheblichkeit. Liturgische Kleider wollen anzeigen, dass die handelnde Person den Alltagsmenschen abgelegt hat und ganzheitlich in der kultischen Aufgabe steht. Wenn ein Fußballer seinen Dress trägt, dann ist er sofort für einen Verein identifizierbar. Kleider haben also für unseren Alltag eine ganz bestimmte Bedeutung. Nicht selten dienen sie auch als Fassade, um sich dahinter zu verstecken. Nicht zuletzt boomt der Industriezweig der Mode, der eine nicht einzuschätzende Manipulationskraft besitzt. Rachel Zoe, eine US-Amerikanische Stylistin drückt es perfekt aus:

Stil ist eine Art zu zeigen wer du bist – ohne sprechen zu müssen.

Das ist es, was uns das Sonntagsevangelium sagen möchte. Du bist ohne Festkleid gekommen? Hier wird nicht das Fehlen des Kleides angeprangert, sondern die mangelnde innere Einstellung, der schlechte Stil, die Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit und das Nichternstnehmen. Das Kleid steht synonym außen für das Innen.

Haben wir unser Sonntagsgewand an, wenn wir SEIN Wort hören?

Ich wünsche Ihnen einen schönen und erholsamen Sonntag und Zeit, um das Seelengewand wieder in Ordnung zu bringen.

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar