Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Der Ruf in der Wüste ...

Gedanken zum 3. Adventsonntag von Dechant P. Gerfried Sitar

Wer hört und nicht versteht - überhört, hört vorbei und ist eigentlich taub.

Verstehende braucht unsere gegenwärtige Zeit, die in manchen Facetten wohl an die Wüste erinnert, die oft recht unsanft auf das Wesentliche aufmerksam macht. Was braucht einer, der in der Wüste gestrandet ist? Wohl kaum einen flotten Sportwagen oder ein IPad, eine Yacht oder ein Riesenhaus mit sämtlichen Spielereien oder den Luxus des viel gepriesenen Dolce Vita. Auch Facebook wird unbrauchbar. Da geht es einfach ums Überleben, um die banalen Dinge, die so selbstverständlich in unserem Alltag sind, dass wir sie gar nicht mehr wahrnehmen. Wer schon einmal das Drückende und im wahrsten Sinne des Wortes Atem-beraubende einer Wüste erfahren hat, weiß, dass der Mensch, wenn er an die Grenzen stößt, ganz andere Notwendigkeiten sucht: Wasser, Nahrung und vor allem einen Ausweg. Orientierung!

Wüstenerfahrungen können heilsam sein, wenn es darum geht, das Wesentliche für sich selber neu zu entdecken.

Wüste bedeutet aber auch, den Lebensversuchungen ausgesetzt zu sein – mit allen Halluzinationen des Glücks. Manche Fatamorgana scheinbarer Ziele wird sichtbar und entpuppt sich als Trugbild, das nicht lebensfähig ist. Ganz bewusst haben sich in der christlichen Frühzeit Menschen in die Wüste zurückgezogen, um sich selbst und die Tiefe ihres Glaubens auf den Prüfstand zu stellen, und um mehr über sich selbst zu erfahren. Die Gegensätze sind dort viel klarer: Heiß oder kalt. Hell oder Dunkel. Hoffnung oder Verzweiflung. Glaube oder Unglaube. Leben oder Tod. Und nicht zuletzt steht über allem die Frage nach dem Durchhalten oder dem Aufgeben. Der Maler Hieronymus Bosch schildert den dramatischen Kampf des hl. Antonius in der Wüste in den beeindruckenden Farben. Eine Unmenge monströser Gestalten, die allerlei Versuchungen versinnbildlichen, zerren an dem armen Mann und wollen ihn auf ihre Seite ziehen. Ein klares Entweder Oder ist gefragt. Versuchungserfahrungen sind uns vielfach fremd, weil wir ein Christsein aus Kompromissen leben und die Radikalität der Wüste meist gar nicht erst zulassen. Wir haben Angst vor dieser Erfahrung und meiden sie daher, wo immer es möglich ist. In der eigenen Mitte zu sein bedeutet aber vor allem, sich selber wieder neu kennenzulernen – nicht nur mit der berühmten Schokoladenseite, die man gerne präsentiert, sondern auch mit dem, was sich auf der Rückseite der Schaubühne abspielt. Zu sich selber ehrlich zu sein, erfordert ein großes Quantum Mut, denn Ehrlichkeit verzichtet auf Schminke und Kaschierung. Wüste im eigenen Leben zu erfahren geht Hand in Hand mit dem sich auf sich selber zu reduzieren und Leere mit Leere zu füllen und sie zuzulassen. Sich wieder zu spüren mit all dem, was die eigene Persönlichkeit ausmacht, ist ein Prozess, der nicht immer angenehm ist, aber zu einer völlig neuen Selbsterfahrung und Definition des eigenen Ich führt. Wer sich selber neu erfährt und auch die persönlichen Defizite erkennt, wird auch großzügiger in den Begegnungen mit anderen, wird vielleicht genießbarer und lebensbejahender. Der heilige Benedikt schreibt nicht umsonst, dass das ganze Leben eine „Advent- und Fastenzeit“ sein soll und meint damit, dass wir Wüstenerfahrungen von Zeit zu Zeit zulassen dürfen, um in und an ihnen zu reifen.

So kann die Adventzeit im Weniger zu einem Mehr werden – weniger an Habenmüssen – mehr an Zufriedenheit, weniger an sinnlosen Worthülsen – mehr an echten Inhalten, weniger an übersteigerter Konsumgier – mehr an persönlichem Engagement und Einsatz für das Allgemeinwohl, weniger an Reden und klugen Konzepten – mehr an Tun und Verwirklichen, weniger an Oberflächlichkeit – mehr an Tiefgang und Reife.

Die Liste, wo aus dem Weniger ein Mehr wird, scheint unendlich und begleitet uns durch die Zeit der Wüste. Wüste bedeutet daher, die Fähigkeit des Loslassens zu erlernen. Wer die Wüste so erfährt, wird sie nicht mehr als etwas Trostloses sehen, sondern ihre Schönheiten entdecken und vom Tauben zum Hörenden werden. So kann die Wüste zum Ort des Aufatmens und nicht zuletzt zu einem Ort der intensiven Begegnung mit Gott werden. Es scheitert aber oft am eigenen Aufbruch – am Exodus – dem Auszug aus den liebgewordenen und sicher scheinenden Gewohnheiten. Es scheitert an den vielen Wenn und Aber die wir als plausible Entschuldigungen vor uns her schieben.

Ephraim Kishon hat es so formuliert, dass man es treffender nicht ausdrücken könnte: Der Mensch bringt die Wüste zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand leistet, ist die in seinem Herzen.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen eine frohe und bereichernde Adventzeit und einen guten Aufbruch in die Wüste und nicht zuletzt ein gutes Hinhören auf den Rufer in der Wüste!

Herzlich, Euer P. Gerfried Sitar