Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Das Schweigen der Lämmer oder der Sprung der Lemminge?

Corona reflektiert!

Was ist die Lehre aus der Leere?

Diese Frage mag man sich angesichts der Vorgänge rund um Covid19 immer öfter stellen.

Vom immensen Zahlenchaos der Statistik, mit dem wir täglich gefüttert werden, bis zum "Eiertanz" auf dem Olymp der Gesetze reicht das Spektrum der täglichen Berührung mit dem omnipräsenten Virus. Dazu kommen schwerwiegende Maßnahmen, die unseren Alltag regulieren – teils sinnvoll, teils zu hinterfragen. Es war wohl das Schweigen der Oster-Lämmer, weil sich bis vor Kurzem kaum jemand etwas zu sagen traute, geschweige denn, sachliche Kritik zu üben. Auch die Kirche nicht. Ich habe für meine Statements im März und Anfang April einiges an Widerspruch einstecken müssen, weil ich skeptisch aufzuzeigen wagte, was mir an all den teilweise maßlos gewordenen Regelungen missfiel und wo ich langfristige Gefahren und Folgen für die Gesellschaft ortete, die vielleicht nicht auf den ersten Blick evident gewesen sind, aber im Fokus der Langzeit eine Bombe darstellen, auf der wir als Gemeinschaft sitzen. Die Verhältnismäßigkeit hat einfach den sorglosen Umgang mit Grundrechten des Menschen nicht gerechtfertigt und da zu schweigen wäre nicht jenes der Lämmer, sondern eher der nicht nachvollziehbare Sprung der Lemminge, die sich blind, dem Vorbild des Anführers folgend, in den Abgrund stürzen. Mich besorgt auch, wie unkritisch die Kirche mit all den Erlässen und vagen Definitionen umgegangen ist.

Mir fehlt bis heute eine klare Ansage, wie es mit den Gottesdiensten wirklich weitergeht.

Die Betonung liegt auf klar. Alles, was nun „erlaubt“ wird, ist eine erbärmliche „Augenauswischerei“.
Ein Messbesucher pro 10m2 Gesamtfläche, das heißt konkret, in eine Kirche mit einer Länge von 30 Metern und einer Breite von 15 Metern dürfen insgesamt maximal 44 Besucher - und das ist hoch gerechnet. Dabei ist das schon eine der größeren Kirchen Kärntens mit einer Gesamtaußenlänge von fast 40 Metern – denn oft nimmt der Altarraum mindestens sieben – zehn Meter ein. Dieser Bereich kann nicht zum Raum, der den Gottesdienstteilnehmern zur Verfügung steht, gerechnet werden – oder sorgt - wie bei vielen Auslegungen rund um vage Covid19-Verordnungen - für Verwirrung.

Nun gibt es allerdings noch eine Zusatzverordnung, der zufolge mindestens zwei Meter Abstand zwischen den einzelnen Gottesdienstbesuchern eingehalten werden müssen. Das geht sich dann allerdings – nach Adam Riese (1492 – 1559) - mit den 10m2 pro Person beim besten Willen nicht aus. Würde man radial rechnen, sind es 12,5 m2 und würde man pro Person quadratisch rechnen, dann wären es 16m2. Also, was gilt nun? In den meisten Kirchen Kärntens wären das zwischen 15 und 35 Personen. In der Basilika Maria Loreto, die flächenmäßig eine der größten Kirchen in Kärnten darstellt, dürften demnach maximal 80 bis 100 Personen die hl. Messe mitfeiern. Es hat dort bereits Gottesdienste mit 1300 Menschen gegeben. Allein dieses Bild zeigt, dass eine Gottesdienstgemeinschaft so nicht möglich ist und zur Farce verkommt. 80 Personen verlieren sich in diesem Gotteshaus und der eine oder andere müsste sich wohl mit dem letzten Winkel zufrieden geben oder sich gar in eine der Seitenkapellen verkriechen. Das ist völlig inakzeptabel! Noch dazu sollen alle Masken tragen. Ich bin auch sehr gespannt, wie man das in die Praxis umsetzen will …. 1,2,3, … Stopp. Und ihr müsst draußen bleiben! Und drinnen? Klebebänder markieren 10 m2-Felder (oder gelten doch zwei Meter Abstand?), die bei Strafe nicht überschritten werden dürfen? Wer bestraft? Das Auge des Gesetzes? Und die Pfarren sollten eine „Truppe“ zusammenstellen, die all diese Maßnahmen überprüft.

Bei aller Liebe, aber für derart unausgegorene Pläne und der Realität abgeneigte Strategien fehlt mir jegliches Verständnis. Alles schön und gut, dann werden wir weiter die „Herde“ vor den Bildschirmen nach dem aktuellen Lieblingswort „online“ versammeln, das widerspricht allerdings so ganz dem, was ich unter Kirche verstehe. Mit guten Einschaltquoten aufzuwarten und vielleicht noch zu prahlen, das trotzt jeglichem Realitätssinn – erinnert ein bisschen an die viel gepriesenen Freunde auf Facebook, die meistens dann nicht da sind, wenn man sie braucht. Wenn wir uns in diese Zone der Bequemlichkeit und Scheinexistenz verdrängen lassen, wird eine Rückkehr zur „Normalität“ auch in der Spiritualität weitgehend eingeschränkt bis unmöglich bleiben - und das über einen langen Zeitraum, wenn nicht für immer.

Alle lobenswerte Kreativität, die sich jetzt zeigt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass das zentrale Element unseres Glaubens die Feier der Eucharistie ist – und das nicht irgendwie, sondern als physische Gemeinschaft um den Altar versammelt.

Durch die permanente Präsenz der Krise in den Medien und deren Dämonisierung hat sich das Verhalten der Menschen zueinander dramatisch und beängstigend verändert. Für mich ist das wirklich erschreckend! Das ist brandgefährlich! Es kann kein Dauerzustand sein, dass wir mit Masken herumlaufen und dadurch einen großen Teil unserer Persönlichkeit einbüßen.

Das Wesentliche des Menschen fehlt: sein Lächeln, seine Herzlichkeit.

Man kann das alles mit vielleicht unangebrachtem Humor hinnehmen, aber am Ende ist es bitterer Ernst, weil wir versteinert werden und der zwischenmenschliche Umgang kälter wird, auch wenn es gute Gesten der Solidarität gibt. Die Verhältnismäßigkeit (natürlich sind gewisse Maßnahmen für einen gewissen Zeitraum sehr sinnvoll und notwendig) ist völlig verloren gegangen und was vor kurzer Zeit vielleicht noch eine leise Warnung gewesen ist, steht heute wie die berühmte Schrift an der Wand (Daniel 5,1-31). Da gibt es kein Schönreden oder Abschwächen. Man ist mit den Grundrechten – auch des Glaubens - sehr salopp umgegangen – und hat sich, vielleicht aus Panik, zu Verhaltensformen hinreißen lassen, die so nicht im Raum stehen bleiben können. Vielleicht ist diese Panik dem Mangel an Erfahrung geschuldet, vielleicht auch dem Mangel an Kompetenz – falsch wäre es nun, daraus ein Politikum zu konstruieren. Der Schaden ist jetzt bereits unüberschaubar! Vielmehr sollte diese Zeit für uns alle eine Lehre sein, dass so etwas künftig nicht mehr geschehen darf. Weite Teile der Wirtschaft liegen in Scherben, die Kirchen sind leer und werden sich auch so schnell nicht wieder füllen, Beziehungen sind zerbrochen, Freundschaften konnten nicht gepflegt werden, Vereine sind ihrer Seele beraubt, Patienten, die dringend behandelt gehörten, sind bereits an den totgeschwiegenen Folgen der Maßnahmen gestorben (man liest seltsamerweise nichts davon) und andere sind vielleicht kurz davor, weil sie keinen Platz im Krankenhaus hatten, das fast leer stand für Covid19 – fast leer stand! Ein leeres Lazarett in Wien kostet täglich über 60.000,-€ und das schon über Wochen – und es steht leer. Täglich. Der Tourismus ist ruiniert, Gastronomie und Hotelerie werden sich kaum erholen und die Arbeitslosigkeit hat Rekordzahlen erreicht und damit unzählige Menschen in existentielle Nöte gestürzt. Fakten, die leider eine sehr klare Sprache sprechen und auch durch kluge und lobende PR nicht schön zu reden sind. Alle schweigen und zucken mit den Achseln! Es mag schon stimmen, dass bald jeder jemanden kennen wird, der an Covid 19 gestorben ist – allerdings - ich kenne jetzt schon mindestens 20 Personen – diese sind nicht physisch gestorben, sondern seelisch und wirtschaftlich und stehen vor den Trümmern ihrer Existenz.

Für mich ist die Krise allerdings auch in vielem eine heilsame Bremse des Wahnsinns, der zuvor betrieben wurde.

Die USA bezahlen beispielsweise den Preis für ein eklatantes wirtschaftliches Ungleichgewicht und ein totgespartes Gesundheits- und Versicherungssystem. Da schließen sich Italien, England und Spanien nahtlos an. Nun werden die Superreichen dringend gefordert sein, Solidarität mit den Armen zu üben, die eine beängstigende Überzahl der Bevölkerung darstellen. Es wird plötzlich klar, dass markige und vollmundige Sprüche allein nicht reichen, um einen Staat zu lenken und Dummheit der größte Feind einer vernünftigen und an der Zukunft orientierten Entwicklung ist. Wir in Österreich müssen lernen, dass es ein Mehr an Verhältnismäßigkeit brauchen wird. Menschen, die dafür sorgen, dass unsere Basics erhalten bleiben, müssen auch entsprechend entlohnt werden. Ich denke dabei an sämtliche Pflegeberufe, aber auch an die oft verächtlich behandelten Dienstleister des Alltags – in den Geschäften und im täglichen Leben. Gagen von mehreren Millionen Euro im Sport (Fußball zB), in der Unterhaltung oder im Management der Banken, in der Politik und in der Wirtschaft wird es künftig nicht mehr geben dürfen, weil sie in höchstem Maß unverhältnismäßig sind. Am Ende werden die, die nun Verantwortung hatten, Rechenschaft ablegen müssen. Das ist ein normaler Vorgang. Die Gefahr besteht allerdings darin, jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben. Alleine die Tatsache, dass das Rundherum der Krise weltweit, mit wenigen Ausnahmen, ähnlich gehandhabt wurde, mindert diese Gefahr allerdings. In manchen Staaten wird wohl ein totalitäres Regime die Zeit von Corona überdauern. Und alle haben dazu geschwiegen. Keiner traut sich den Mund aufzumachen, weil es diplomatisch unklug wäre, oder weil man zu feige ist.

Es gilt allerdings als gewiss, dass das Virus nicht weg sein wird – wie viele andere Viren auch nicht (die wir vielleicht noch gar nicht mit Namen kennen) -, sondern eine zweite Welle im Winter folgen wird, eine dritte und eine vierte ....

Durch den Lockdown hat sich vieles nur auf die sprichwörtliche Lange Bank verschoben. Die Lehre sollte allerdings sein, weiteren Wellen anders zu begegnen.

Ein Da Capo würden weder die Wirtschaft, noch die Gesellschaft, noch die Kirchen verkraften. Vielmehr gilt es, mit Maß sinnvolle Maßnahmen zu setzen, die unter dem viel zitierten Strich nicht zum größeren Chaos führen, als es das Virus per se verursacht hätte. Das war dieses Mal leider der Fall. Die Zahlen werden das am Ende sehr eindrucksvoll und unverblümt belegen. Ich finde es sehr traurig, dass es zur Zeit verpönt ist, kritische Standpunkte zu vertreten. Wer anders denkt, wird ausgegrenzt und beschimpft – virtuell und reell – kein schönes Zeichen in dieser so oft gepriesenen demokratischen und modernen Gesellschaft. Ob wir es wollen oder nicht: das Denunziantentum hat Hochkonjunktur! Panik schafft Kurzschluss. Und Kurzschlüsse führen ins Chaos! Und das hatten wir nicht nur ein Mal in der Geschichte.

Das sollte für uns alle DIE Lehre aus der Leere sein!

Ein paar Zahlen zum Nachdenken:

Corona

Infizierte: 4,29 Mio; Tote: 288.368 (Stand 12.5.)

Influenza

Infizierte: 500 Mio; Tote: 290.000 bis 650.000 jährlich

HIV

Infizierte: 41,7 Mio; Tote heuer: 612.097

Krebs

2,99 Mio (2020 bis 12.5.)

Rauchen

1,8 Mio (2020 bis 12.5.)

Alkohol

910.681 (2020 bis 12.5.)

Verkehr

491.515 (2020 bis 12.5.)

Selbstmord

390.456 (2020 bis 12.5.)

Diese Zahlen sprechen für sich:

In Österreich gab es heuer im Jahresschnitt bis zur 16. Kalenderwoche 27.971 Tote – 2015 waren es im gleichen Zeitraum 28570, 2017 28.527 und 2018 28.822.

Quelle: Statistik Austria

Ich wünsche uns trotz allem, dass wir den Glauben nicht verlieren und aus der Hoffnung auf einen Neuanfang neue Kräfte schöpfen. Das ist christlich!

Ich wünsche Ihnen allen den Segen Gottes und gutes Zusammenhalten. Uns allen wünsche ich einen kritischen Blick und das gute Gespür für das richtige Maß.

Herzlich, Ihr

P. Gerfried Sitar