Pfarre

St. Andrä im Lavanttal

Das Kluge und das Törichte

Gedanken zum 32. Sonntag im Jahreskreis von Dechant P. Gerfried Sitar

Was ist klug? Was ist töricht? Angesichts unserer zunehmend pluralen Gesellschaft wird es immer schwieriger, klar zu unterscheiden und eine Antwort auf diese Frage zu finden. Es ist, wie alles, eine Frage der Perspektive und die scheinbare „Coolness“ unserer Zeit lässt vernünftige Antworten mitunter nicht mehr gelten. Ein Blick auf die US-Wahl zeigt sehr deutlich, wovon hier die Rede ist. Offensichtliche Torheit wird durch dummen Populismus zum Heldentum hochstilisiert und das Gemäßigte durch lautes Gepolter für töricht erklärt. Das ist aber nicht nur in Amerika so. Der Blick für die Realität ist zusehends verlorengegangen.

Das heutige Evangelium fordert aber klaren Weitblick!

Die klugen Jungfrauen gehen sorgsam mit den Reserven um, während die törichten in den Tag hineinleben. Zunächst scheint es eine nette Geschichte zu sein, die keinerlei Aussage für unseren Alltag hat – sie ist aber tatsächlich ein Spiegel, der sich vor jedes Gesicht schiebt und die Frage stellt: Wie gehst du mit deinen Kräften um? Darin liegen viele Themen des täglichen Lebens, die aufscheinen. Wie gehen wir mit den Ressourcen der Erde um? Wie nützen oder vergeuden wir unsere Zeit? Wie steht es mit der Work-Life-Balance – leben wir oder werden wir gelebt? Die törichten Jungfrauen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt und in ihrer Eitelkeit gefangen, dass sie alles um sich herum vergessen und taub werden für die Stimme des Bräutigams – die klugen sind hellhörig!

Die Hellhörigkeit schafft eine gewisse Unaufgeregtheit, die es braucht, um nicht als Getriebene außer sich zu sein. Hellhörigkeit schafft Distanz und Nähe gleichermaßen und ist in der Beurteilung von Lebenssituationen unerlässlich.

Sie schafft das richtige Maß, das vor allem auch in Zeiten einer Pandemie notwendig ist, um nicht die Spur zu verlieren. Die brennende Lampe wird zum Symbol der Lebensweisheit, die notwendig ist, um Erfahrungen richtig einzuordnen und daraus gereift hervorzugehen. Für Diogenes wird die brennende Lampe zum Instrument der Sichtbarmachung des Menschen. Sichtbar zu sein bedeutet mehr, als bloß nicht unsichtbar zu sein, es bedeutet Präsenz im Alltag und couragiertes Handeln. Wer mit seiner Lebenslampe sorgsam umgeht, kann dann, wenn es notwendig ist, zum „Leuchtturm“ werden und anderen zur Orientierung verhelfen. Das mag nun vielleicht etwas pathetisch klingen, doch angesichts der immer stärker werdenden psychischen Belastung der Menschen in der Gegenwart, ist es wichtig, dass es solche gibt, die die Ruhe bewahren und als Lichtträger zur Hilfe werden, um den Weg aus dem Chaos zu finden. „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ Wer diese Stimme hört, kann als klug gelten, denn am Ende entscheidet das Leben.

Ich wünsche Ihnen einen "klugen" Sonntag!

Herzlich, Ihr P. Gerfried Sitar