Pfarre

Klagenfurt-St. Martin

Das Fastentuch von St. Martin zu Klagenfurt

Das Tuch hängt vom Aschermittwoch bis Karfreitag in der Kirche vor dem Hochalter

Fastentuch von St. Martin - (Foto Cech Norbert)
Fastentuch von St. Martin - (Foto Cech Norbert)

„Am Hungertuch nagen“: Wer von uns würde diese Redewendung mit einem Fastentuch in Verbindung bringen? Etwa um 1000 n. Chr. kam der Brauch auf, während der Fastenzeit den Altarraum durch einen Vorhang - auch Hungertuch genannt - vom übrigen Kirchenraum abzutrennen. Das Hungertuch war ein Vorhang aus weißem Leinen (Fastenvelum), das immer wieder zusammengenäht werden musste, nachdem es zuvor am Mittwoch der Karwoche während der Hl. Messe bei den Worten „velum templi scissum est“ symbolisch zerrissen worden war. Daher hieß es ursprünglich „am Hungertuch nähen“. Als man den Sinn des Begriffs „Hungertuch“ nicht mehr verstand, wurde aus „nähen“ „nagen“, weil man sich in Verbindung mit Hunger und Fasten vorstellte, dass diese durch „nagen“ wohl besser gestillt werden konnten als durch „nähen“.
Im 15./16. Jahrhundert begann man das früher schmucklose Tuch mit Bildern und Symbolen der Passion zu versehen. Meist verzierte man es mit gemalten oder gestickten Bildern zum Leiden Christi, gleichsam als „biblia pauperum“. In der Fastenzeit wurden damit im Sinn des „Fastens der Augen“ Altäre und Kruzifixe verhüllt. Die meisten Fastentücher waren während der Umgestaltung der bislang gotischen Kirchen in barocke entsorgt worden, Kärnten blieb jedoch von dieser Entwicklung aus historischen Gründen weitgehend verschont, und so stehen hierzulande die Fastentücher seit Jahrhunderten in ununterbrochener liturgischer Verwendung.
Heutzutage erleben Fastentücher gleichsam ein „Comeback“ in ihrer ursprünglichen Bedeutung. So entstanden auch in der Gegenwart Fastentücher wie beispielsweise in Maria Saal, in Klagenfurt-St. Peter und nunmehr vor genau 10 Jahren auch in Klagenfurt-St. Martin. Die neuen Hungertücher sind oftmals gemeindeeigene Schöpfungen, das heißt Mitglieder der Pfarrgemeinde entwerfen und gestalten ein Tuch. Das St. Martiner Fastentuch mit seinen detaillierten figuralen Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament ist kein abstraktes Werk, sondern verfolgt ein gut durchdachtes ikonographisches Konzept. Der St. Martiner Pfarrgemeinderat Norbert Cech hat dabei moderne Motivverarbeitung mit populären Akzenten umgesetzt und mit diesem Werk einen bedeutenden Beitrag zur lebendigen Tradition der Kärntner Fastentücher geleistet.

Die Idee zu dieser Arbeit entstand im Herbst 1995 bei einem Pfarrausflug zu den Wehrkirchen der Saualpe, wo Norbert Cech von der Frauenrunde St. Martin mit Frau Wiedermann an der Spitze gefragt wurde, ob er sich vorstellen könnte, für die Kirche ein neues Fastentuch zu entwerfen und zu malen, um das bisher in Verwendung stehende schlichte, einfärbig-violette Tuch zu ersetzen. Die Pfarre und die Frauenrunde übernahmen die gesamten Materialkosten, KR Walter Dermuth stellte einen passenden Arbeitsraum im Andreitzhaus zur Verfügung. Die ersten Entwürfe auf Backpapier mit Tafelkreide fertigte Norbert Cech am Aschermittwoch des Jahres 1996 an. Anfang Oktober 1998 war das Tuch nach rund zwei Jahren Arbeit und 1.600 Arbeitsstunden fertig. Auf einer Fläche von 3,2 m x 3,8 m zeigt es in 36 Bildern 12 Darstellungen aus dem Alten und 24 aus dem Neuen Testament. Gearbeitet wurde auf Leinen mit Acryl Deckfarben.

Seit dem Aschermittwoch 1999 verdeckt das Fastentuch während der Fastenzeit den Hauptaltar der St. Martiner Kirche. In einzelnen Bildmeditationen erschließt sich der Sinn des Tuches, wobei sich der Bogen von der Erschaffung der Welt bis zum Pfingstwunder spannt. Die Auswahl der Motive wurde vom Maler so getroffen, dass Parallelen vom Alten zum Neuen Testament entstehen. Norbert Cech nennt sowohl das Gurker als auch das Millstätter Fastentuch als Vorbilder für sein Werk.

Norbert Cech, Jahrgang 1944, verheiratet, Vater von 4 Kindern und „Vereinsmensch“ ist Autodidakt und stufenweise ging auch seine künstlerische Entwicklung voran. Er malte unter anderem Bildstöcke in Diex und Glantschach, Heiligendarstellungen auf Häusern sowie Hinterglasbilder, von denen auch zwei in der St. Martiner Kirche hängen. Das Fastentuch in St. Martin stellt sicherlich das herausragende Werk in seinem künstlerischen Schaffen dar.

Während der Fastenzeit bis einschließlich Karsamstag lädt die Kirche St. Martin ein, sich beim Betrachten des Fastentuches auf Ostern einzustimmen.

(Elisabeth Poller)