Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Advent: Worauf warten wir?

Wie Christen heute auf das Weihnachtsfest zugehen können

Herwig Büchele, Wirtschaftswissenschaftler und Theologe, engagierter Praktiker und Glaubender, überlegt, wie Christen heute auf das Weihnachtsfest zugehen können.

Durch die Botschaft des Advent Weihnachten näher kommen. Ein SONNTAG-Gespräch mit Herwig Büchele SJ (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
Durch die Botschaft des Advent Weihnachten näher kommen. Ein SONNTAG-Gespräch mit Herwig Büchele SJ (© Foto: SONNTAG / Georg Haab)
 (© Foto: privat/Haab)
(© Foto: privat/Haab)

Welche Bedeutung hat die Adventzeit für Sie?
Büchele: Der Advent öffnet den Weg zu Weihnachten. Daraus folgt die nächste Frage: Was ist aber Weihnachten? Weihnachten ist die Botschaft von einem Licht, das unsere Welt erleuchtet – ob wir es wahrnehmen oder nicht. Indem der Advent den Weg zur Weihnachtsbotschaft öffnet, ist er eine Zeit des Trostes mitten in einer Zeit, die voller Wirrnisse ist.

Wie können wir uns auf dieses Licht vorbereiten – um schließlich Gott zu begegnen, der Mensch werden will?
Büchele: Wir Menschen sollen in dieser Zeit des Advents offenen Herzens dem Weihnachtsfest entgegengehen. Das Herz öffnen heißt: uns auf den Weg einlassen, auf dem die Texte im Advent uns führen. Es bedeutet auch: unseren Lebenswandel prüfen. Kann ich dieses oder jenes lassen, kann ich auf dieses oder jenes verzichten?

Gottes Heilszusage, die uns in den Lesungen des heutigen Sonntags und durch den ganzen Advent hindurch begleitet – was sagt sie uns heute?
Büchele: Das Buch Baruch sagt uns: Lege das Kleid der Trauer ab, zieh den Mantel der Gerechtigkeit an. Paulus erinnert uns im Brief an die Philipper an die Freude, ein Christmensch sein zu dürfen. Johannes der Täufer ebnet Jesus die Wege –so Lukas im Evangelium. Johannes predigt die Umkehr zum Gott der Freude und der Freiheit. Das ist sein Aufruf an uns, das Kommen Gottes durch unser eigenes Verhalten vorzubereiten: Bereitet dem Herrn den Weg, ebnet ihm die Straßen, beseitigt, was Freude und Freiheit im Weg steht.

Woraus die Kraft schöpfen, um das Gewand der Trauer gegen das Freudengewand zu tauschen?
Büchele: Die Kraft kommt aus dem Glauben selber, wenn wir uns darauf einlassen: Wir schöpfen Kraft in dem Maße, wie wir der Gegenwart des Himmels in unserem Leben vertrauen und aus diesem Vertrauen heraus unseren Alltag zu gestalten versuchen.

Für Johannes bedeutete das ein sehr konkretes Eintreten für soziale Gerechtigkeit. Wo sehen Sie heute soziale Ungerechtigkeiten?
Büchele: Sich der sozialen Gerechtigkeit zu vergewissern, ist zu aller Zeit Menschenpflicht. Heute ist es vor allem unsere Aufgabe, die Menschenrechte und -pflichten allerorts in Erinnerung zu rufen. Ja, das zählt heute wohl zu den dringlichsten Pflichten, zu denen das Evangelium aufruft: uns aus der Passivität herausrufen zu lassen und aktiv zu werden, uns in unserem eigenen Umfeld zu bemühen, dass kein Mensch in seiner Menschenwürde verletzt wird.

 

Wir schöpfen Kraft in dem Maße, wie wir der Gegenwart des Himmels in unserem Leben vertrauen und aus diesem Vertrauen heraus unseren Alltag zu gestalten versuchen.

Die Schere zwischen reich und arm klafft immer weiter auseinander. Wie beurteilen Sie die wirtschaftlich-politische Problematik aus theologischer Sicht?
Büchele: Die Antwort auf diese Frage gibt uns der Hohepriester Kajaphas, als er im Hohen Rat über Jesus urteilt. Er sagte – übersetzt in die heutige Zeit: Retten wir das Ganze dadurch, dass wir den Einzelnen opfern. Den Einzelnen opfern, das bedeutet, in allen Bereichen des Lebens – die ökonomischen und politischen nicht ausgenommen – den Einzelnen der Macht der Willkür und der systemischen Zwänge auszusetzen.

Sind wir diesen Mächten und Zwängen hilflos ausgeliefert?
Büchele: Wir können sie in dem Maße überwinden, wie es uns gelingt, vor allem die kontinentalen und weltweiten Strukturen in Strukturen der Kommunikation und der Kooperation zu verwandeln. Billiger geht es nicht!

Sind wir als Einzelne dazu überhaupt in der Lage?
Büchele: Der Einzelne kann sich in einem Netzwerk engagieren. Es sind Netzwerke, die eine Reihe von Menschen versammeln. Sie verkörpern eine Stärke, die oft in der Lage ist, Regierungen und politische Parteien sehen zu lehren, dass gewisse Fragen einer dringenden Antwort bedürfen.

Sie sind selber in einem solchen Netzwerk engagiert?
Büchele: Das Netzwerk von Christen zur Unterstützung der Global Marshall Plan Initiative (GMPI) wurde im Herbst 2006 von fünf Christen gegründet. Einer davon war ich selbst. Unser Ziel war es, die GMPI mit grundlegenden Imperativen der Reich-Gottes-Botschaft zu konfrontieren. Dazu gehören z. B. die Option für die Gewaltfreiheit, dann die Option für die Ausgegrenzten und Entrechteten und die Option zur Überwindung des Freund-Feind-Denkens. Das sind Dinge, in denen eine enorme Kraft steckt.

Advent konkret: Was legen Sie unseren Leserinnen und Lesern ans Herz?
Büchele: Der sozialen Gerechtigkeit das Wort zu reden, ist nicht nur eine abstrakte Pflicht. Es ist eine Pflicht, die wir als Staatsbürgerinnen und Staatsbürger auch in der kleinsten Zelle unseres Daseins zu erfüllen haben. Die Frage, welche politische Qualität einem Bundesland zukommt, misst sich insbesondere daran, welche Standards in einem Bundesland der Bekämpfung der Korruption und der Willkür zugrunde gelegt werden.

 

Zur Person:

Herwig Büchele SJ, geb. 1935 in Feldkirch, studierte Wirtschaft und Theologie in Innsbruck und Louvain/Löwen. 1972 bis 1983 Leiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs, 1978 bis 2001 Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Innsbruck, 1995 bis 1999 dort Dekan der Theologischen Fakultät. Seit 2001 emeritiert. Der Jesuit ist Autor zahlreicher Publikationen zu Wirtschaft, Ethik und Spiritualität.

Das Buch „Gewaltfrei leben: Die Herausforderung der Bergpredigt – Utopie oder Chance?“ befragt die Bibel zu den drängendsten ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit.