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Diözesanbischof

Zwischen Bangen und Hoffen

Fastenhirtenbrief 2022 von Diözesanbischof Dr. Josef Marketz

Zeichnung: Hanzej Čertov
golob miru - Friedenstaube (Zeichnung: Hanzej Čertov)

Liebe Schwestern und Brüder!

Sind wir das wirklich? – Schwestern und Brüder? Menschen der einen Welt? Christinnen und Christen, die sich in ihrem Leben und Glauben an dem einen Gott orientieren, den uns die Heilige Schrift offenbart?

Die Entwicklungen in unserer großen und kleinen Welt scheinen eine andere Sprache zu sprechen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine erfüllen uns mit großer Betroffenheit. Die Beziehungen zwischen Menschen und Institutionen sind zunehmend von Misstrauen geprägt. Gerechter Friede, Freiheit, Sicherheit, Solidarität und viele andere Werte unserer christlich geprägten Kultur werden zum Gegenstand kontroversieller Diskussionen, anstatt sie als unverzichtbare Grundlage unseres Zusammenlebens außer Streit zu stellen. Woher kommen die Emotionen, die unsere Verbundenheit untergraben?

Schon bei Adam und Eva am Anfang der Bibel wird deutlich, wie grundlegend das Misstrauen Beziehungen zerstören kann. Der Mensch will sein wie Gott – im Grunde seines Herzens hegt er also den Verdacht, Gott würde ihm das Gute nicht ohne Vorbehalte zugestehen, ja, ihn daran hindern, seine Freiheit zu entfalten. Dieser Argwohn führt letztlich zur Entzweiung: Gott und Mensch werden einander fremd, der Mensch versucht seine Mitmenschen zu beherrschen und schreckt auch vor Gewaltausübung nicht zurück. An Abraham, dem Urvater des Glaubens, wird sichtbar, wie mühevoll der Ausweg aus diesem Dilemma, der Weg des Glaubens und Vertrauens, sein kann. Im Grunde genommen ist dies ein lebenslanges Unterfangen, das uns immer wieder auf harte Proben stellt.

Ähnlich ist es auch Jesus ergangen. Am ersten Fastensonntag wird uns im Evangelium vor Augen gestellt, dass Jesus zu Beginn seines Wirkens vom Teufel versucht worden ist. Dies schließt mit ein, dass der Glaubende beharrlichen Widerstand leisten muss. Widerstand gegen die kleinen und großen Versuchungen, die eigenen Bedürfnisse absolut zu setzen: nach den Gütern der Erde, der Macht über andere und dem Geltungsdrang.

Wie kann der Ausweg aus dieser Spirale des Misstrauens gelingen? Jesus weist in seinem Dialog mit dem Teufel immer wieder auf Gott hin. Wenn wir ehrlich und konsequent wagen, uns in Gott zu verwurzeln, unser Leben von ihm her zu verstehen und zu gestalten, verändert sich auch unser Verhältnis zu den Mitmenschen. Wo dies gelingt, entstehen Orte der Geschwisterlichkeit, des Vertrauens und des Lebens.

Der Weg aus der eingangs benannten Widersprüchlichkeit unseres Zusammenlebens beginnt demnach bei uns selbst, im Hinhören auf unsere tiefsten Sehnsüchte nach Frieden und Versöhnung und in der Bereitschaft von anderen zu lernen. Ein bedeutender Beitrag dazu kann der synodale Gesprächsprozess sein, zu dem uns Papst Franziskus einlädt. Synodal bedeutet, gemeinsam auf dem Weg zu bleiben, wenn wir auf der Suche nach wahrer Menschlichkeit sind.

Der Papst fordert uns in dem Zusammenhang auf, zu überprüfen, wie in der Kirche Verantwortung wahrgenommen und Macht ausgeübt wird. In diesem Prozess wird uns wohl schmerzhaft bewusst werden, dass manches nicht im Evangelium gründet und daher im Geist der Umkehr neu zu gestalten ist. Zudem lädt uns der Heilige Vater ein, „ die Beziehungen zwischen den Gliedern der christlichen Gemeinschaften wie auch zwischen den Gemeinschaften und den anderen sozialen Gruppen wiederzubeleben“. Er bittet aber gleichzeitig die Gesellschaft in aller Demut, „die christliche Gemeinschaft als glaubwürdiges Subjekt und verlässlichen Partner anzuerkennen in Bezug auf den sozialen Dialog, die Heilung, die Versöhnung, die Inklusion und die Teilhabe, den Wiederaufbau der Demokratie, die Förderung der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft.“ In diesem Sinne lade ich alle Menschen und Einrichtungen in unserem Land in all ihrer Vielfalt ein: bleiben wir gemeinsam auf dem Weg, bleiben wir im Gespräch, wenn wir das Gute für uns alle suchen!

Liebe Schwestern und Brüder!
Im Vertrauen auf das Wirken Gottes mitten unter uns dürfen wir uns so nennen, wissend, dass es unter Geschwistern auch Spannungen geben kann. Ich wende mich Ihnen mit geschwisterlicher Liebe zu und lade Sie ein, als Zeichen der Verbundenheit an der Pfarrgemeinderatswahl am 20. März teilzunehmen und die neu gewählten Pfarrgemeinderäte zu unterstützen. Helfen Sie mit, dass durch unser Miteinander in den Pfarren sichtbar wird, dass wir als Brüder und Schwestern in Christus „mittendrin“ unter den Menschen Beispiel geben, dass der Glaube das Beste in uns zum Vorschein bringen kann, wie es in den Leitlinien für Pfarrgemeinderäte heißt: „Frauen und Männer im Pfarrgemeinderat pflegen einen Umgang, der ihre Orientierung an Christus erkennen lässt. Sie schätzen und ermutigen sich gegenseitig, achten die Meinung anderer, vertreten ihre Anliegen in offener und ehrlicher Rede, lernen mit- und voneinander, trauen einander etwas zu und übernehmen Verantwortung.“

Bischof Josef Marketz (Foto: Pressestelle)
Bischof Josef Marketz (Foto: Pressestelle)

Machen wir uns in dieser Fastenzeit miteinander auf den Weg eines neuen Dialogs. Bitten wir Gott, er möge uns dazu den langen Atem schenken, der die großen Gestalten unseres Glaubens geprägt hat.

+ Josef Marketz

Diözesanbischof

Klagenfurt a. W.
am 1. Fastensonntag
6. März 2022