Kärnten braucht einen “neuen Blick auf das Miteinander”
Bischof Alois Schwarz warnt in "Kleine Zeitung"-Interview vor Klima der Repression

Klagenfurt, 26.08.2012 (KATHPRESS) Nach Ansicht von Diözesanbischof Alois Schwarz sind in Kärnten in den vergangen Jahren Werte "wie Vertrauen, Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit" aus dem Lot geraten.
"Wenn man etwas nicht durchsetzte, machte man einfach neue Regeln", stellte der Bischof von Gurk-Klagenfurt in einem Interview für die "Kleine Zeitung" (Sonntag-Ausgabe) fest: "Dass das bei uns passiert ist, hat mich mit tiefer Trauer erfüllt, weil es einen christlichen Wertekonsens in diesem Land mit vielen Christen gibt." Schwarz warnte generell vor einem Klima der Repression und der Verspottung der politischen Gegner.
Der Bischof bekannte, dass er sich schon selbstkritisch gefragt habe, ob etwa der Wertekonsens nicht stark genug sei, um persönlichkeitsbildend zu sein. Bereits vor zwei Jahren hatte Schwarz viel beachtete Kritik an der Landespolitik geäußert und erklärt, dass "ein lähmender Nebel über dem Land" liege - mit undurchschaubaren Vorgängen, Unübersichtlichkeit, Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit. "Für dieses 'Nebelwort' wurde ich von manchen Politikern sehr kritisiert. Jetzt kommt Manches ans Licht, worauf ich angespielt habe, und wird von den Gerichten geklärt", resümierte der Bischof im aktuellen "Kleine Zeitung"-Interview.
Vorgänge, die ihn besonders mit Unbehagen erfüllt hätten - und weiter erfüllen -, seien der Umgang mit Geld und der respektlose Sprachstil bei politischen Aussagen. Es gehe aber nicht nur um Anstand, sondern auch "um die Verantwortung des Einzelnen vor Gott und den Mitmenschen, deren Würde zu respektieren ist".
So dürfe nicht sein, dass in Kärnten "friedliche Demonstranten verspottet" würden. "Wir dürfen nicht zulassen, dass sich in Kärnten ein Klima der Repression ausbreitet", warnte Schwarz.
Bei der Verantwortung des Einzelnen gelte, was Papst Benedikt XVI. sage: Für das Gemeinwohl brauche es als Zusatz zu dieser Verantwortung einen ethischen Rahmen. Vorgaben dafür seien Bibel, Bergpredigt, Humanismus und Aufklärung. Es existiere somit eine europäische Prägung des Menschseins und Lebens in Würde, und "dazu gehört der Respekt in der Sprache".
Der Bischof sieht das Muster des Überschreitens von Schranken - wie aktuell in der Causa Birnbacher-Martinz - bereits bei früheren Aktionen gegeben, wobei es im Interview konkret um den Gesetzesbruch Jörg Haiders bei den Ortstafeln ging: "Wenn Verantwortungsträger respektlos sind, sagen die Leute: Dann dürfen wir das auch. Die Vorbildwirkung ist zu wenig erkannt worden."
Geld habe zudem eine solche Macht erhalten, dass "manche meinen, Geld als Machtinstrument einsetzen zu können, nach dem Motto 'Eine Hand wäscht die andere'", so Schwarz im Blick auf den Korruptionsfall des 6-Millionen-Honorars für Anwalt Dietrich Birnbacher.
Weil böse Zungen eine neue Skulptur für Jörg Haider vor dem Gurker Dom ebenfalls "Eine Hand wäscht die andere" tauften, kam das Interview auch auf die umstrittene Plastik zu sprechen. Dazu der Bischof wörtlich: "Man musste es mit Verärgerung zur Kenntnis nehmen, dass sie auf öffentlichem Grund vor dem Gurker Dom aufgestellt wurde. Die Skulptur wird vielleicht im Laufe der Geschichte einmal einen anderen Platz haben. Der Gurker Dom mit seiner jahrhundertelangen Ausstrahlungskraft steht in jeder Hinsicht drüber."
Kritisch äußerte sich Schwarz auch über den "Kult", der am Unfallort Haiders in Lambichl betrieben werde. An sich sei dies eine Gedenkstätte, wie es viele in Kärnten gebe, wenn Menschen am Todesort ein Zeichen setzten oder ein Kreuz aufstellten. "Was jedoch dort in Lambichl passiert, geht über das in unserem Land übliche Maß hinaus und löst einen Kult aus, der den Formen der Pietät der Kärntnerinnen und Kärntner eigentlich nicht entspricht. Diese Gedenkstätte ist eine Inszenierung."
Befragt zur Wortmeldung des evangelischen Superintendenten Manfred Sauer, der Neuwahlen verlangt hatte und dafür scharfe Kritik der FPK erntete, sagte der Bischof: "Ich will kein Oberlehrer sein, ich mache keine Politik und keine Wahltermine."
Für Kärnten sei jetzt die Herausforderung, dass es Menschen gebe, die bereit seien, "den ehrenvollen Dienst des Politikers an der Gesellschaft zu leisten". Es gebe "sehr viele ehrenvolle Leute mit Charakter, die integer, erfolgreich und anerkannt sind, die man als Politikerinnen und Politiker für das Allgemeinwohl gewinnen sollte".
Ein Grundproblem sei, dass in Kärnten "viel zu oft nach rückwärts geschaut" werde. Das Land bräuchte hingegen "einen neuen Blick auf das Miteinander", sagte Schwarz: "Wir müssen weg davon, dass jeder nur auf sich selbst schaut. Mein Appell an die Verantwortungsträger lautet: Einsicht und Bereitschaft zur Veränderung sind Voraussetzungen für einen Neustart. Auf den Augenblick, die schöne Landschaft, oder darauf zu schauen und dass es einem gut geht, ist zu wenig."
Es brauche "eine Anstrengung der Herzenskraft und der Intelligenz", um das Leben auf die Zukunft hin zu gestalten. In christlicher Sicht gehe diese über das Diesseits hinaus; "die Kärntner haben einen Blick für Transzendenz, für das, was Ewigkeitswert hat".