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Internetredaktion der Diözese Gurk

Allianz gegen die Entsolidarisierung

Christentum und Sozialdemokratie im Gespräch

V.l.n.r.: KA-Präsident Hude, RI-Chef Kucher, Superintendent Sauer, Moderatorin Bergmann, LSR-Vizepräsident Altersberger, LHStv. Kaiser, Bürgermeister Nemec, Hochschulseelsorger Premur (© Foto: Internetredaktion / KH Kronawetter)
V.l.n.r.: KA-Präsident Hude, RI-Chef Kucher, Superintendent Sauer, Moderatorin Bergmann, LSR-Vizepräsident Altersberger, LHStv. Kaiser, Bürgermeister Nemec, Hochschulseelsorger Premur (© Foto: Internetredaktion / KH Kronawetter)

Die Katholische Hochschulgemeinde Klagenfurt, die Katholische Aktion Kärnten, die Gemeinde Krumpendorf und das Renner-Institut Kärnten luden am 8. November 2011 gemeinsam zu einem Podiumsgespräch über das (aktuelle) Verhältnis von Christentum und Sozialdemokratie in das Krumpendorfer Rathaus ein.

Die Menschen brauchen Hoffnung!

Die Veranstaltung erinnere ihn irgendwie an eine „Burnout-Party“, rief ein Mann mit lauter Stimme aus der letzten Reihe des Auditoriums, und er ergänzte: „Die Menschen brauchen Hoffnung!“ Die rege Diskussion zum Thema „Christentum und Sozialdemokratie - Kein Kreuz mit dem Kreuz?“, die Kirchenvertreter und Proponenten der Kärntner Sozialdemokratie auf einem Podium versammelte, relativierte die pessimistische Einschätzung des Fragenden und brauchte brennende gesellschaftliche Themen und Fragen ins Gespräch, an deren Beantwortung sowohl Kirche als auch Politik arbeiten.

Kleine-Zeitung-Redakteurin Andrea Bergmann, die mit Umsicht die Diskussion moderierte, verwies einleitend auf den sog. „Reformstau“ und auf das zunehmende „Empörungspotenial“ in Gesellschaft und Kirche. Sie stellte den Männern auf dem Podium die existentiell wichtige Frage, ob die Angebote und Anliegen beider Großinstitutionen noch stimmen und ob sie damit die Menschen auch erreichen können.

Landeshauptmannstellvertreter Dr. Peter Kaiser erinnerte in seinem Einleitungsstatement an „sozialistische Tendenzen“ im Urchristentum und führte zum Beleg die Essener an, eine Gruppe des antiken Judentums, die den Reichtum „für nichts“ erachtete. Ein kurzer historischer Überblick von der „Kirche der Herrschenden“ in der Feudalgesellschaft bis zur Feindschaft von Arbeiterschaft und Kirche im Ständestaat endete hoffnungsvoll, weil der Parteichef der Kärntner Sozialdemokraten auf die positive Entwicklung in der Beziehung von Sozialdemokratie und (katholischer) Kirche nach dem 2. Weltkrieg hinweis. Als Beispiel nannte er das offen Gesprächklima zwischen Kanzler Kreisky und Kardinal König. Kaiser nannte viele Parallelen bzw. gemeinsame Themenfelder wie Bildung, Soziales, Menschenrechte und Umwelt und stellte die These auf, dass Christentum und Sozialdemokratie in ihren Posistionen einander doch sehr nahe seien.

Superintendent Mag. Manfred Sauer erinnerte daran, dass seine Kirche aus einem Reformstau heraus entstanden sei, und ergänzte Kaisers Blick auf die christlichen Anfänge, indem er auf den sog. „Liebeskommunismus“ in der Apostelgeschichte verwies. ("Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam." Apg 4,32)

Mag. Wilfried Hude, Schuldirektor und Präsident der Katholischen Aktion in Kärnten, erinnerte an die wegweisenden Aussagen der katholischen Soziallehre, die mit der sog. Arbeiterfrage des 19. Jahrhunderts begann und heute noch wichtige sozialpolitische Akzente setzt. Bezüglich der Verhältnisbestimmung von Kirche und Sozialdemokratie sei er froh, dass die Zeiten des Standesstaates vorbei sind, wiewohl er anmerkte: „Sozialisten in der Kirche geht es besser als Katholiken in der SPÖ.“

Wir brauchen eine Aktivierung der Menschen guten Willens!

Der katholische Pfarrer von Krumpendorf, Hochschulseelsorger Mag. Hans Peter Premur, sprach davon, dass sich gesellschaftliche Bewegungen nur in einer Rückbesinnung auf ihren Ursprung erneuern können und nannte beispielhaft die Armutsbewegung des Mittelalters. Der von Diözesanbischof Dr. Alois Schwarz vor kurzem initiierte diözesane Leitbildprozess „Mit Jesus Christus den Menschen nahe sein“ sei, so Premur, bestens geeignet, wieder verstärkt die Anliegen der Menschen in den Blick zu nehmen. Dieser kirchliche Prozess sei auch ein deutliches Statement: „Wir wollen Volkskirche bleiben!“, betonte der Hochschulsorger. Und im Blick auf die Gesprächspartner am Podium forderte er: „Wir brauchen eine Aktivierung der Menschen guten Willens!“ Fragen der sozialen Gerechtigkeit, Fragen der Ökologie und auch die Migrantenfrage haben dabei oberste Priorität. Und im Sinne des französischen Schriftstellers Stéphane Hessel („Empört euch“, 2010) forderte er: Wir brauchen dazu keine neuen Vereine zu gründen, sondern müssen die alten richtig nutzen!

Eine Brückenfunktion zwischen den Kirchen und der Sozialdemokratie nimmt ACUS ein. Diese „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie“ war durch ihren Vorsitzenden Landesschulrats-Vizepräsidenten Mag. Rudolf Altersberger vertreten, der in seinem Statement von beiden Seiten eine stärkere und glaubwürdige Profilierung einforderte, um den Herausforderungen unserer Konsumgesellschaft besser gewachsen zu sein.

Christliche Spiritualität als Kraftquelle für gesellschaftliches Handeln

Der Ruf von Hochschulseelsorger Premur nach einem Mehr an Spiritualität stieß bei LHStv Kaiser zunächst auf Bedenken, die jedoch durch eine Verdeutlichung des Gemeinten (Spiritualität ist keine Weltflucht, sondern reale Verantwortung und Einsatz für Gerechtigkeit) entkräftet wurden. Auch Superintendent Sauer betonte, dass christliche Spiritualität kein Sichzurückziehen sei, sondern als Kraftquelle für gesellschaftliches Handeln gesehen werden solle.

KA-Präsident Hude plädierte für eine „Allianz gegen die Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft“. Wir müssen gegen den neuen Egoismus auftreten, sagte er - und ganz konkret forderte er die Anwesenden auf, am 8. Dezember, dem Fest Mariä Empfängnis, nicht einkaufen zu gehen, sondern vielmehr Freunde und Verwandte einzuladen.

Premur versuchte angesichts der beinahe totalen Herrschaft des Kapitals Hoffnung zu geben und verwies auf die kleinen jedoch beharrlichen Initiativen im Bereich der Alternativwirtschaft (Tauschkreise) umd im Bereich der Schöpfungsverantwortung. Die Religion kann hier die entscheidende Motivation liefern. Auch hier ließe sich in der Bibel vieles neu entdecken. Superintendent Sauer sprach in seinem Schlußwort von der „Hoffnungsleidenschaft“, die die Christen trägt. Auch Peter Kaiser gab sich optimistisch, indem er klar (wohl auch im Sinne der christlichen Soziallehre) den Primat des Gemeinwohles vor der Ökonomie hervorhob.

Beim anschließenden Linsensuppe-Essen an einem Global-Food-Buffet wurden die Gespräche des Podiums noch intensiv weiter geführt. (KHKro)