Pfarre

Spittal an der Drau

Neujahr

Geistlicher Impuls von Stadtpfarrer Mag. Ernst Windbichler

Nachdem heuer nicht so viele Raketen verglüht aber wahrscheinlich doch einige Flaschen geleert sind, rät uns das Evangelium dieses Tages fast ernüchternd: Lasst uns nach Bethlehem eilen. Kaum hat das Jahr angefangen, da gilt es schon wieder zu eilen. Manchmal öffnet der Papst in Rom die Heilige Pforte und ein Heiliges Jahr wird ausgerufen, das Evangelium aber ruft ein eiliges Jahr aus. Und diese Eile beginnt schon im Himmel, sozusagen an höchster Stelle. Das göttliche Wort eilt vom Himmel hernieder, der Engel Gabriel tritt bei Maria ein, die drei Weisen aus dem Morgenland brechen auf und laufen dem Stern nach, der ihnen am Himmel vorauseilt. Die Engel singen eilig ihr Gloria und die Hirten eilen von den Herden hin zum Kind. Die ganze Weihnachtsgeschichte ist eine Geschichte mit einem atemberaubenden Tempo, die Kinder würden heute sagen, voller Action.

Das ist aber das Gute bei dieser himmlischen Eile im Unterschied zu unserem menschlichen Stress: sie hat ein Ziel. Die Ankunft Gottes bei den Menschen. Unsere menschliche, irdische Eile ist oft so ziellos und sinnlos. So ganz nach dem Motto: I was zwoa net, wohin i will, aba Hauptsach, i bin schnella dort! Die Hirten wissen genau, wohin sie wollen, und sie kommen auch an. Sie fanden Josef und Maria und das Kind, und alles war so, wie es ihnen der Engel gesagt hatte, so heißt es.

Am Beginn dieses Jahres fragen uns diese eilenden Hirten, wie es denn mit uns steht: hat uns diese Botschaft auch Beine gemacht? Hat sie uns bewegt? Haben auch wir uns wie die Hirten ein wenig weglocken lassen von unserem liebgewordenen Gedankenstall? Oder ist Weihnachten nur wie eine vorbeizischende Silvesterrakete, wie ein „Alle Jahre wieder-Lied“ an uns vorbeigeflogen? Die Hirten möchten uns mitnehmen nach Bethlehem, sie möchten uns beweisen: wer sich von Gott treffen und rufen lässt, der findet, was er sucht. Er kommt an. Sie haben das Kind nicht abgehakt, wie so viele Menschen heute. Sie haben es auch nicht bloß registriert, wie vielleicht die Statistiken des Kaisers Augustus. Sie haben es entdeckt. Und sind nicht enttäuscht. Nein, sie sehen und hören, sie staunen und erzählen, sie rühmen und preisen Gott.

Und mitten drin in dieser heiligen Eile Maria, wie ein ruhender Pol. Ihr ist ja dieser Tag besonders geweiht. Der bewahrenden Maria. Zuerst hat sie die Botschaft des Engels bewahrt, und dann bewahrt sie das Kind in ihr, und jetzt, so heißt es, bewahrt sie alles, was geschehen war in ihrem Herzen und denkt darüber nach, und später, unter dem Kreuz, da bewahrt sie die Hoffnung und verliert sie nicht. Sie zeigt uns, dass eine heilige Eile auch eine Eile mit Weile sein muss. Manchmal wünschte ich mir auch so eine geistliche Festplatte, auf der alles gespeichert wird, was wirklich nötig ist, oder einen Filter, der Wichtiges von Unwichtigem trennt. Maria speichert nicht totes Wissen, sammelt keine Reliquien, keine Milchzähne und Haarlocken Jesu, kein Foto, kein Video, kein Selfie, nein, sie rettet ihn und seine Botschaft vor dem Vergessen, sie ist das vitale Gedächtnis der Kirche.

Das wäre eine gute Überschrift für diesen neuen Zeitabschnitt, der jetzt beginnt. Alles, was geschieht, im Herzen bewahren. Nicht im Magen soll es uns liegen und nicht über die Leber laufen und auch nicht im Hals stecken bleiben, sondern unter die Haut muss uns mehr gehen und im Herzen liegen bleiben. Im Herzen, dort, wo auch der liebende Gott seinen bevorzugten Aufenthaltsort im Menschen hat. Dort soll alles eine Weile ruhen. Ohne Hast und ohne Hektik. Das macht uns Maria vor.

Und dann handelt sie: und sie gibt dem Kind den Namen Jesus, wie es ihr gesagt worden ist. Jesus, das ist ein ganzes Lebensprogramm. Jesus heißt auf deutsch: Gott rettet, Gott handelt, Gott greift ein. Wer es eilig hat, wer „hudelt“, wie die Kärntner sagen, der macht oft Fehler, ist schlampig, übersieht Vieles und v.a.: er nimmt sich selbst so wichtig. Maria aber bewahrt alles im Herzen und dann sagt sie: Jesus soll er heißen, d.h.: Gott handelt, Er ist der Schrittmacher, er der Herzschrittmacher, Er steht im Mittelpunkt, nicht ich.

Das müssen wir auch wieder lernen in dieser nachweihnachtlichen Zeit, wo die Abfallcontainer so voll sind wie das ganze Jahr nicht: voller Geschenkpapier, voller abgetakelter Weihnachtsbäume und manchmal ist ein unerwünschtes Geschenk auch dabei. Lernen, dass das größte Geschenk Gottes an uns nicht verglüht wie ein Sternspritzer, sondern bleibt. Seine Treue bleibt. Seine Nähe bleibt. Seine Zuneigung bleibt. Auch im neuen Jahr. Weil Gott weiß, wie schnell wir beim Wegwerfen sind, gibt er uns seine Geschenke nicht alle auf einmal. Er gibt sie uns nur Tag für Tag. Unser tägliches Brot gib uns, und zwar nur für heute. Jeder Tag im kommenden Jahr ist immer wieder neu sein Geschenk, jeder Tag eine kleine weihnachtliche Bescherung.

Gottes Geschenke sind oft gut verpackt. Auch da braucht es die Bedächtigkeit Mariens. Sie dürfen nicht aufgerissen werden in aller Eile. Behutsam müssen sie geöffnet werden, Tag für Tag. Und schon gar nicht wollen sie ungeöffnet weggeworfen werden. Denn eines Tages könnte genau das drinnen sein, was du immer schon gebraucht und gewollt hast.

Eines aber haben alle diese Geschenke gemeinsam: sie haben denselben Beipackzettel, denselben Geschenksanhänger. Ein Anhänger, auf dem der Name „Jesus“ steht, d.h.: Gott rettet. Auch wenn es oft ganz und gar undefinierbare Geschenke sind, die uns Gott auch im kommenden Jahr Tag für Tag auf unseren Gabentisch legt, irgendwie tragen sie alle den Namen: Jesus- Gott rettet.

Lassen wir uns trotz aller Restmüdigkeit und Coronaresignation anstecken von der himmlischen heiligen Eile, lassen wir uns von Maria anstecken zur Eile mit Weile, anstecken zum Bewahren im Herzen und lassen wir uns von Gott selber anstecken, seine Rettungspakete zu öffnen und anzuwenden. In diesem Sinne ein gutes, ansteckendes, Neues Jahr.