Pfarre

Spittal an der Drau

Glaubenswoche 2017 “Die Freude der Liebe” Texte zum Nachlesen

Familienseelsorger Mag.Michael Kopp predigt von Montag 27.03. bis Freitag 31.03.2017 zum Thema Liebe im Evangelium

Es ist ein großes Sehnen …

Auch wenn Zahlen und Fakten dagegen sprechen (siehe die immer noch steigende Zahl von Trennungen und Scheidungen), auch wenn so mancher Zeitgeist Kind eines anderen Geistes ist – immer noch ist ein großes Sehnen in der Welt, eine Sehnsucht nach Heimat, Familie und Geborgenheit. Und das vielleicht aus gutem Grund. Denn je mobiler, flexibler und unberechenbarer die anderen Lebensbereiche wie zum Beispiel die Arbeitswelt werden, desto bedeutsamer wird auf der anderen Seite der Wunsch nach Treue, nach Verlässlichkeit, nach Heimat und Sicherheit. Im sicheren Hafen einer Beziehung zu landen, in der ich als Mensch zähle und nicht bloß als Nummer, in der ich ohne Wenn und Aber anerkannt und geliebt bin, das scheint als Gegengewicht zur technisierten und gewinnoptimierten Leistungsgesellschaft wieder größeres Gewicht zu bekommen. Ob jedoch eine Beziehung, egal, ob Ehe oder Lebensgemeinschaft, alle diese Sehnsüchte erfüllen kann? Ob wir nicht die eigene Partnerschaft überfordern, wenn sie alles aufwiegen soll, was wir an Lasten und Belastungen im Berufsleben zu tragen haben? Sicherlich: Ein „traumhafter“ Anfang ist für jede Beziehung wichtig. Und der Zauber der ersten gemeinsamen Zeit baut wesentlich mit am Fundament des zukünftigen Ehe- (und Beziehungs-)Hauses. Vielleicht aber ist dann einmal eine „Ent-Täuschung“ wichtig: zu erkennen, dass du und ich nicht eins sind und nicht eins bleiben können, dass auch unsere Beziehung nicht ohne Belastungen verlaufen wird und es darum geht, unsere Träume und Erwartungen auf ein realistisches Maß zu bringen.                                       (aus: Rudolf Weiß. HEIRATEN - wir TRAUEN UNS, Hsgb. Forum „Beziehung, Ehe und Familie, 2004, Seite 15

MO, 27.03. Die Liebe in der Ehe

Bibeltext: 1 Kor 13,4-7

In dieser Glaubenswoche werden wir uns mit zentralen Inhalten des Papstschreibens beschäftigen: als Überschrift nennt der Papst „Die Freude der Liebe“ – und damit beschreibt er die zentrale Botschaft des Evangeliums – nach den Worten Jesu: „liebt einander, wie ich euch geliebt habe … damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15).

Freude und Liebe sind Begriffe, die ein hohes Ideal darstellen – und dies ist immer nur für Augenblicke oder für manche Menschen überhaupt schwer erreichbar. Allein wenn wir die Worte aus dem 1. Korintherbrief hören – das „Hohelied der Liebe“ – dann haben wir den Eindruck: „das schaffen wir ja nie!“ – es klingt wie eine maßlose Überforderung – auch für Paare, z.B. wenn es heißt: „Die Liebe erträgt ALLES, die Liebe glaubt alles, die Liebe hofft alles, die Liebe hält allem stand.“

Sichtlich hat der Papst in den beiden Familiensynoden einen von der Kirche überhöhten moralischen Anspruch an die Ehe wahrgenommen und antwortet darauf! Er widmet dem „Hohelied der Liebe“ ein ganzes Kapitel (Kap. 4), das er überschreibt mit dem Titel „Die Liebe in der Ehe“.

Darin beschreibt er ganz konkret, wie das Lieben im Alltag aussehen kann – und dies nicht nur für Paare, sondern für jeden Menschen – weil wir ja ALLE zum Lieben berufen sind! Und dies nicht als Moralgebot, sondern weil Gott uns permanent liebt und diese Liebe in uns eingepflanzt ist! Deshalb können wir überzeugt sein davon, dass wir Liebe in uns haben! Und dass wir mehr oder weniger danach handeln, je nachdem, wie bewusst wir uns dessen sind – weil Menschen uns dies vermitteln. Im Grunde geht es um Freundschaft – mich jemandem öffnen und mich ihm vertraut machen: Vertrauen zu leben und Verantwortung zu übernehmen. Speziell findet sich dies auch im Wort „Trauung“: ich vertraue dir und vertraue mich dir an.

Es ist – wie bei einer Freundschaft üblich und bei der Ehe sogar im Trauungsspruch enthalten: „ich will – freiwillig! … mich dir anvertrauen, dich lieben …“

Lieben ist ein TUN-Wort (vgl. Nr. 93), kein abgehobenes Wort, das sich in Gefühlsduselei erschöpft, sondern im aktiven Tun werde ich selbst beschenkt, erfahre Wertschätzung und Geliebt-Sein.

Wenn dieses aktive Tun nur vom Anderen gefordert wird, dann ist es genau das Gegenteil von Freundschaft, Liebe und Ehe.

Zum Satz „die Liebe ist langmütig“ – sagt der Papst weiter: „Problematisch ist es, wenn wir verlangen, dass die Beziehungen himmlisch oder die Menschen vollkommen sind oder wir uns in den Mittelpunkt stellen und erwarten, dass immer nur unser eigener Wille erfüllt wird. .... sondern, wenn ich anerkenne, dass der Andere genauso ein Recht hat, auf dieser Erde zu leben, gemeinsam mit mir, so wie er ist. Es ist nicht wichtig, ob er eine Störung für mich ist, ob er meine Pläne durchkreuzt, ob er mir lästig ist mit seinem Wesen oder mit seinen Ideen, wenn er nicht ganz das ist, was ich erwartete.“ (Nr. 92)

Erwartungen gefährden jede Form von freundschaftlicher und partnerschaftlicher Beziehung! Sie schließen die Freiwilligkeit aus und damit die Liebe, die ja immer Geschenk ist und nicht einforderbar!

Ein Zeichen dieser Liebe ist, dass wir uns am Erfolg des Anderen mitfreuen können und ihn nicht als Bedrohung erleben. Wenn ich meine eigene Liebeskraft entdeckt habe, dann habe ich genügend Selbstliebe, um mich an der Freude des Anderen zu erbauen, anstatt neidig zu sein. (95) – wörtlich sagt der Papst: „Heute wissen wir, dass wir, um vergeben zu können, die befreiende Erfahrung gemacht haben müssen, uns selbst zu verstehen und zu vergeben. Ängste hindern uns oft, dass wir mit unserer eigenen Geschichte ins Reine kommen, uns selbst annehmen, mit den eigenen Begrenzungen leben zu können und auch uns auch selbst zu vergeben, um dieselbe Haltung (der Vergebung) auch den anderen gegenüber haben zu können.“ (107)

Dann beschreibt der Papst die liebenswürdige Freundlichkeit (Nr. 100): mit einem liebenswürdigen Blick auf den Anderen zu schauen, schafft wirkliche Begegnung. D.h. dass wir uns nicht bei den Begrenzungen des Anderen aufhalten, sondern Verbindungen schaffen, Bindungen pflegen und ein festes soziales Gefüge aufbauen – denn dies schafft uns ein Gefühl der Zugehörigkeit. Wörtlich heißt es: „In der Familie muss man die freundliche Sprache Jesu lernen“. – und wie geht das konkret?! Statt aus der Emotion heraus die Aggressivität zu schüren, ist es sinnvoller, einander im Herzen zu segnen, „Gutes übereinander zu denken“ und Frieden zu schließen. Dabei genügt eine zärtliche Geste – ohne Worte.

Die Liebe von Partnern (aber auch von Freunden) zeigt sich darin, dass sie immer gut voneinander sprechen und Schwächen und Mängel des Anderen nicht hervor-kehren (Nr. 113) – und dies als innere Haltung, dass wir alle eine „vielschichtige Kombination aus Licht und Schatten“ sind, aus Stärken und Schwächen. Niemand ist perfekt, aber die Liebe ist vollkommen und echt – sie kommt aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und ganzer Kraft.

Die Liebe ist immer ein Geschenk, sie kommt aus dem Herzen und kann nie erwartet oder eingefordert werden, aber nachdem sie jede/r in sich hat, hat jede/r immer die Möglichkeit, sie zu schenken! Sie ist auch die einzige Kraft, die mehr wird, wenn wir sie weitergeben!

Damit ist sie universal, göttlich und sie „hört niemals auf“. Sie ist letztendlich das, wovon wir Menschen leben und letztendlich die ganze Welt, weil sie auf ALLES Auswirkung hat!

DI, 28.03. Berufen zur Familie

Text: Es ist ein großes Sehnen … (Rudi Weiß)

Nr. 110 „Die Familie muss immer der Ort sein, von dem jemand weiß, der was Gutes im Leben erreicht hat, dass man es dort mit ihm feiern wird.“

Dies ist nach wie vor der größte Wunsch der Menschheit und auch in unseren Breiten in der heutigen Zeit die Sehnsucht aller jungen Menschen: dauerhafte Liebe, Geborgenheit und Zuwendung in der Partnerschaft. Und doch haben viele junge Menschen Ängste, dass sie dazu nicht fähig sind oder sie schätzen es einfacher ein, allein zu bleiben, weil ihnen Vorbilder fehlen, wo Ehe gelingt. Und manche entschließen sich nach dem Scheitern als „gebrannte Kinder“ fürs Single-Dasein – oder für den herausfordernden Weg alleinerziehender Eltern.

Der Papst ist sich dessen voll bewusst, wenn er über die verschiedenen Formen der Familie spricht, was wir auch als „Patchwork“ bezeichnen: Familie ist eine Collage aus vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten voller Freuden, Dramen und Träume (57).

Und in all diesen Formen leben wir unser Schöpfungsprinzip: die in uns grundgelegte LIEBE. Geliebtsein und Lieben als Grund-Berufung: füreinander da sein, wie es auch der Gottesname ausdrückt: „ich bin da“. Das wurde auch bei der PGR-Wahl für jeden Dienst an der Gemeinschaft formuliert: ich bin da.für …

Das ist Zentrum christlichen Lebens, es ist Inhalt jedes Zusammenlebens als Familie und die Basis-Realität des gemeinsamen Lebens überhaupt: füreinander da zu sein … die Liebe Jesu konkret im Alltag leben und damit unsere innere Bestimmung verwirklichen. Selbst die strengsten Schweige-Orden leben diese Berufung, füreinander da zu sein, in Gebet und Stille – und gerade im gemeinsamen Schweigen wird „Familie“ erlebbar und gestiftet.

Gerne verwende ich ein Rechenbeispiel dafür, um es sehr deutlich zum Ausdruck zu bringen, was es heißt „berufen zur Familie“:

Angenommen sie leben als Paar schon 20 Jahre miteinander in Höhen und Tiefen, in guten und bösen Tagen (wie sie es einander versprochen haben) und schenken damit einander Heimat und Angenommensein! Dann haben sie wohl mehr als 7.000 Tage lang nichts anderes gelebt als die Botschaft Jesu: liebt einander … damit meine Freude in euch ist (damit ich in euch bin und reiche Frucht bringe …) und ich bin da.für … dich …

Wenn sie als Familie Kinder ins Leben begleiten und dies schon 10 Jahre, dann haben sie wohl mehr als 3.600 Tage wiederum ihre Berufung im Alltag gelebt – und das Schönste dabei ist: sie haben sich selbst damit auch beschenkt, weil dieses Lieben ist teil-bar – es ist unendlich! Es atmet die Ewigkeit der göttlichen Liebe! Denn wenn sie 2 Kinder schon mehr als 10 Jahre begleitet haben, dann sind es bereits mehr als 7.000 Tage … JA! Diese „Berufung zur Familie“ gründet in der Unendlichkeit, im Schöpfungswerk Gottes, das unseren Herzen eingeschrieben ist. Wir können sagen: es ist ein SEGEN!

Aber auch wir Priester oder alleinstehende Menschen – jeder Mensch lebt diese Berufung zum Lieben und ist über das eigene Da-Sein, über Freundschaften, Beruf, Ehrenamt u.v.a.m. in diesen Quellgrund des Ewigen hineingenommen – ist TEIL vom Leib Christi und damit unverzichtbarer TEIL der Familie Gottes. Wie viel Fruchtbarkeit kommt gerade daraus, dass wir dies täglich im Alltag leben: „ich bin da.für“?! Es liegt ALLEM zugrunde – es braucht dafür wohl keinen Grund-Auftrag im PGR: wir leben es einfach! Ob als PGR, im PGR, in der Firma, in der Familie, im Beruf und in der Freizeit! JA, wir sind alle miteinander verbunden, einander zum Geschenk gemacht! Wir sind der „Leib Christi“ – die unsichtbar zusammengehörende Familie Gottes!! Unser Leben ist niemals ein EGO-Trip, obwohl ich immer wieder einmal höre: „Hauptsache, mir geht´s gut!“ – und doch mache ich dann die Erfahrung, dass jene Menschen am häufigsten unglücklich sind. „Ich bin nur für mich selbst verantwortlich und niemand etwas schuldig“ – ist das Gegenteil von Selbstliebe. Meist ist das Ergebnis einer solchen Haltung eine tiefe Einsamkeit. Selbstliebe hingegen meint die Achtung mir selbst gegenüber und den anderen gegenüber. Dadurch wird uns bewusst, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.

Wie viele Menschen beten täglich alleine das „Vater unser“ – und sind damit – ohne zu denken – miteinander unterwegs, füreinander da – VOR jeder Leistung, einfach aufgrund unseres Mensch-Seins!

Das ist der Inhalt des SEGENS! Wir sind ein Segen und wir sind berufen, ein Segen zu sein!

Der Papst spricht mit großer Wertschätzung über die Realität der Hauskirche – als Keimzelle der Gesellschaft (Die Familie und die Kirche): 86. »Mit innerer Freude und tiefem Trost blickt die Kirche auf die Familien, die den Lehren des Evangeliums (dem Beispiel von Jesu Liebe) treu bleiben. Sie dankt ihnen für ihr Zeugnis und ermutigt sie darin. Durch sie werden die Schönheit der … Ehe und ihre immer dauernde Treue glaubwürdig. In der Familie, die man als »Hauskirche« bezeichnen könnte (Lumen gentium, 11), reift die erste kirchliche Erfahrung der Gemeinschaft unter den Menschen, in der sich durch die Gnade das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit spiegelt. – d.h. wir sind Abbild Gottes und seiner unendlichen Vielfalt – in unserer Einmaligkeit!

„Hier lernt man Ausdauer und Freude an der Arbeit, geschwisterliche Liebe, großmütiges, ja wiederholtes Verzeihen …“ (Katechismus der Katholischen Kirche, 1657).« 87. Die Kirche ist eine Familie aus Familien. Sie wird ständig bereichert durch das Leben aller dieser „Hauskirchen“. Daher wird »kraft des Ehesakramentes […] jede Familie im umfassenden Sinn ein Gut für die Kirche.

Welche Wertschätzung spricht doch aus diesen Worten?! – Wie oft sind wir in der Kirche in der Versuchung, über Familie zu urteilen oder sie als Last zu bezeichnen?!

Weiter heißt es: In dieser Hinsicht wird es für die Kirche heute zum wertvollen Geschenk, die Wechselseitigkeit zwischen Familie und Kirche zu betrachten: Die Kirche ist ein Gut für die Familie, die Familie ist ein Gut für die Kirche. (Ohne sie gäbe es keine Kirche!) Die Bewahrung des vom Herrn empfangenen sakramentalen Geschenks bezieht nicht nur die einzelne Familie, sondern auch die christliche Gemeinschaft auf entsprechende Weise mit ein.« 88. Die in den Familien gelebte Liebe ist eine ständige Kraft für die Kirche. […] Die Schönheit des gegenseitigen und unverdienten Geschenks, die Freude über das Leben, das geboren wird, und die liebevolle Fürsorge aller Mitglieder, von den Kindern bis zu den alten Menschen, sind einige der Früchte, die die Antwort auf die Berufung der Familie einzigartig und unersetzlich machen, sowohl für die Kirche als auch für die gesamte Gesellschaft.

So werden wir füreinander zu Begleiter/innen – wie es im heutigen Evangelium geheißen hat: wir tragen einander – mit unseren Gebrechen – zur Quelle der Gnade (hebr. Bethesda heißt „Haus der Gnade“). Wir sind als Menschen und ganz konkret als Familie ein „Haus der Gnade“. DANKE dafür! Es ist ein wahrer Segen!

MI, 29.03. Die Herausforderung der Familie

Gestern haben wir den Segen der Familie betrachtet und dass wir alle berufen sind zum Miteinander: „ich bin da.für Dich …“

Heute schauen wir auf die Herausforderungen unseres Miteinanders. Der Papst meint, dass wir uns zugunsten der Ehe äußern sollen, weil das Wohl der Familie entscheidend ist für die Zukunft von Kirche und Welt (31). Ich füge dazu: es gäbe keine Kirche ohne Familien – wie Jesus sagt: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ – das ist UR-Kirche und der Grund-Sinn, warum Jesus sie eingesetzt hat!

Wörtlich sagt der Papst (36): „Zugleich müssen wir demütig und realistisch anerkennen, dass unsere Weise, die christlichen Überzeugungen zu vermitteln, und die Art, die Menschen zu behandeln, manchmal dazu beigetragen haben, das zu provozieren, was wir heute beklagen.“ D.h. wir haben Menschen nicht begleitet und sie wertschätzend als die wichtigsten Bausteine der Kirche behandelt, sondern wir haben sie mit Vorschriften, Gesetzen und harten Urteilen bewertet und damit ihre göttlich gestiftete Liebe und Einmaligkeit verdunkelt bzw. überhaupt nicht anerkannt. Vielen fällt es deshalb schwer, an ihre Liebeskraft zu glauben! Im Gegenteil: die Überbewertung der Morallehren zementiert in unseren Herzen ein schlechtes Gewissen und zerstört unsere Abbildhaftigkeit Gottes.

Weiter heißt es im Papstschreiben: „Daher sollte unsere Reaktion eine heilsame Selbstkritik sein. Wir haben häufig die Ehe so präsentiert, dass ihr Vereinigungszweck – nämlich die Berufung, in der Liebe zu wachsen, und das Ideal der gegenseitigen Hilfe – überlagert wurde durch eine fast ausschließliche Betonung der Aufgabe der Fortpflanzung.
Auch haben wir die Neuvermählten in ihren ersten Ehejahren nicht immer gut begleitet, etwa mit Angeboten, die auf ihre Zeitpläne, ihren Sprachgebrauch und ihre wirklich konkreten Sorgen eingehen. Andere Male haben wir ein allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe vorgestellt, das fast künstlich konstruiert und weit von der konkreten Situation und den tatsächlichen Möglichkeiten der realen Familien entfernt ist.“ – Das ist ja auch der Grund, warum Familien heute im Durchschnitt nicht in der Kirche präsent sind, weil wir Kirche nicht mit ihnen und für sie gestalten! – Wenn wir es aber z.B. 1x im Monat doch tun – bei einem Familiengottesdienst, wo viele Familien sich einbringen – da sind unsere Kirchen übervoll! Oder denken wir nur an die Kinder-Christmetten oder mit welchem Engagement und wie viel Liebe die jungen Familien die Tauf-Feste für ihre Kinder vorbereiten! Wie stolz sind sie dann, wenn das in der Kirche Beachtung findet und wie tief enttäuscht, wenn dies als „Event-Gesellschaft“ verurteilt wird. Ach, wenn wir uns doch endlich von unserer Besserwisserei bekehren würden und Wertschätzung geben würden! – viele Familien halten dann ihr Leben lang Kontakt, schicken Fotos oder Videos von ihren Kindern.

Wiederum das Papst-Zitat: „Diese übertriebene Idealisierung, vor allem, wenn wir nicht das Vertrauen auf die Gnade wachgerufen haben, hat die Ehe nicht erstrebenswerter und attraktiver gemacht, sondern das völlige Gegenteil bewirkt. (Nr. 37 heißt es): Lange Zeit glaubten wir, dass wir allein mit dem Beharren auf … moralischen Fragen … die Familien bereits ausreichend unterstützt haben, die Bindung der Eheleute gefestigt haben und ihr miteinander geteiltes Leben mit Sinn erfüllt haben. Wir haben Schwierigkeiten, die Ehe vorrangig als einen dynamischen Weg der Entwicklung und Verwirklichung darzustellen und nicht so sehr als eine Last, die das ganze Leben lang zu tragen ist. Wir tun uns ebenfalls schwer, dem Gewissen der Gläubigen Raum zu geben, die oftmals inmitten ihrer Begrenzungen, so gut es ihnen möglich ist, dem Evangelium entsprechen und ihr persönliches Unterscheidungsvermögen angesichts von Situationen entwickeln, in denen alle Schemata auseinanderbrechen. Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen.“ (2x) – es tut jeder nach seinen besten Möglichkeiten und Lebenserfahrungen – ich habe es NIE anders erlebt!

Als Herausforderungen heutiger Familien nennt der Papst die Konsum- und Wegwerfmentalität, die Geburtenfeindlichkeit, Ideologien, v.a. aber Armut, Migration, Behinderung, Alleinerziehende … Daher müssen wir die Vielfalt familiärer Situationen anerkennen (52) und für die am meisten Bedürftigen achtsam sein, um zu verstehen, zu trösten und einzubeziehen (49).

Der Papst dankt schließlich Gott, denn viele Familien, die sich beim weitem nicht für vollkommen halten, leben in der Liebe, verwirklichen ihre Berufung und gehen voran, auch wenn sie unterwegs viele Male fallen. (57) – sollte es nicht auch unsere erste Aufgabe sein, die Familien zu bedanken: dass es sie gibt und dass sich Menschen auf dieses Abenteuer einlassen!?

Immer wieder erleben wir als Menschen, besonders in der Partnerschaft, ständig wiederkehrende Höhen und Tiefen: Romanze, Enttäuschung, Entscheidung füreinander und daraus wieder Freude. Wir werden Enttäuschungen in unserem Leben nicht verhindern können, aber entscheidend ist, wie wir mit ihnen umgehen. Damit können wir die Dauer der Enttäuschungen drastisch verringern. D.h. es braucht in den alltäglichen Herausforderungen die Entschiedenheit zum Lieben: den MUT, mich ständig auf den Anderen einzulassen!, immer neu nach Verletzung aufzustehen und wieder daran glauben, dass das Heil möglich ist!! Es braucht das Zuhören und das Verzeihen. Lieben ist ein vielfältiges Tun-Wort!

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Vermutlich die Hälfte der Ehen auf der Erde sind arrangiert – im Gegensatz zu uns, wo nur Liebesehen üblich sind. Eine Langzeitstudie in Indien hat ergeben: Zuerst sind die Liebesehen glücklicher. Aber schon nach 5 Jahren beginnt die Umkehrung! Nach 10 Jahren ist die arrangierte Ehe glücklicher!

Warum? Das hängt auch zusammen mit der Neurobiologie der Liebe: im Verliebtsein ist alles „rosa“ und leicht!

Aber die dadurch entstandene BINDUNG ist nach einigen Jahren nicht mehr so emotional, an der müssen wir arbeiten! – das ist dann Sache der Vernunft und der Partnerschaftspflege; d.h. es braucht Kompetenzen, die für längerfristige Beziehungen notwendig sind, v.a. Engagement und Wille – das, was bei einer arrangierten Ehe selbstverständlich ist!

Prof. Lehner spricht auch von Schlüssel-Kompetenzen für die Liebe auf Dauer (bzw. Freundschaft)

•          Kommunikation: ein wertschätzendes, achtsames miteinander sprechen, um zu verstehen
•          Gefühle kontrollieren, sie zulassen und ausdrücken. d.h. mich zu verstehen geben
•          Intimität: Einswerden und körperlich angenommen sein
•          ausgeglichenes Geben und Nehmen
•          Die Bindung baut sich auf, wenn wir die Freiheit zu bewahren und nicht Bedürfnis-Erfüller füreinander sind
•          Lebensgestaltung miteinander

Ich empfinde große Dankbarkeit und Wertschätzung allen Familien gegenüber, die sich diesen Herausforderungen stellen und trotzdem bereit sind, FAMILIE zu leben, auf ihre je eigene Weise!
DO, 30.03. Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden und eingliedern (8. Kap.)

Wir schließen heute direkt an gestern an, wo wir die Herausforderung der Familie betrachtet haben. Der Papst sieht im Blick auf die Menschen eine „Logik der Barmherzigkeit“ (letzter Abschnitt im Kapitel 8) – insgesamt kommt das Wort mehr als 30 mal in seinem Schreiben vor! Nicht um Situationen zu vereinfachen oder einem Trend und Zeitgeist zu folgen, sondern um die Menschen ernst zu nehmen. In unserem Land nennen wir es „mit Jesus Christus – seiner Liebe – den Menschen nahe sein“

Ganz am Schluss – wie auch am Beginn des Schreibens (über die Freude der Liebe) – gleichsam als Rahmen für das Verständnis des Schreibens, warnt der Papst vor jeder Idealisierung der Beziehung und rückt damit auch theologisch das Zeichen der Ehe als Abbild Gottes in den irdisch-menschlichen Horizont.

Wörtlich (325): „Trotzdem erlaubt uns die Betrachtung der noch nicht erreichten Fülle auch, die geschichtliche Wegstrecke, die wir als Familie zurücklegen, zu relativieren, um aufzuhören, von den zwischenmenschlichen Beziehungen eine Vollkommenheit, eine Reinheit der Absichten und eine Kohärenz zu verlangen, zu der wir nur im endgültigen Reich finden können.
Es hält uns auch davon ab, jene hart zu richten, die in Situationen großer Schwachheit leben. Alle sind wir aufgerufen, das Streben nach etwas, das über uns selbst und unsere Grenzen hinausgeht, lebendig zu erhalten, und jede Familie muss in diesem ständigen Anreiz leben. …“

Der Papst sagt überdies (241), dass eine Trennung als äußerstes Mittel „… sogar moralisch notwendig werden kann“ und dann spricht er sehr wertschätzend über Wiederverheiratete (243): „Sie sind … Teil der Kirche und keineswegs „exkommuniziert“ und (sollen) nicht so behandelt werden. Diese Situationen verlangen eine aufmerksame Unterscheidung und von großem Respekt gekennzeichnete Begleitung, die jede Ausdrucksweise und Haltung vermeidet, die sie als diskriminierend empfinden könnten.“

„Die Zerbrechlichkeit begleiten, unterscheiden und eingliedern“ (291-312 Kap. 8) ist unsere Aufgabe als Kirche: es geht um Differenzierung (292) und Gradualität, d.h. stufenweise Verwirklichung der Ehe in der seelsorglichen Begleitung (293ff.). Wichtig sind ihm die Unterscheidung der komplexen Situationen, der Verweis auf das Gewissen jedes Menschen und die Integration in die Gemeinde! Bahnbrechend ist der Verweis auf pastorale Einzelfalllösungen, für die jede generelle gesetzliche Regelung zu kurz greift. – d.h. es gibt nicht schwarz oder weiß, richtig und falsch, wenn wir in das konkrete Schicksal der Menschen eintauchen.

(304) „Es ist kleinlich, nur bei der Erwägung stehen zu bleiben, ob das Handeln einer Person einem Gesetz oder einer allgemeinen Norm entspricht oder nicht, denn das reicht nicht aus, um eine völlige Treue gegenüber Gott im konkreten Leben eines Menschen zu erkennen und sicherzustellen.“ – d.h. wenn wir Menschen in konkreten Situationen ernst nehmen, schaffen wir keine neue Normen (304) – und das verlangt auch niemand, der um einen Segen bittet im Blick auf die Wiederheirat! Alle wissen um die Lebensgeschichte der Menschen und es besteht niemals die Gefahr einer Verwechslung oder einer Gefährdung vom Sakrament der Ehe.

305: „Daher darf ein Hirte sich nicht damit zufrieden geben, gegenüber denen, die in „irregulären“ Situationen leben, nur moralische Gesetze anzuwenden, als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft. Das ist der Fall der verschlossenen Herzen, die sich sogar hinter der Lehre der Kirche zu verstecken pflegen, »um sich auf den Stuhl des Mose zu setzen und – manchmal von oben herab und mit Oberflächlichkeit – über die schwierigen Fälle und die verletzten Familien zu richten«“

Auch in der objektiven Situation der Sünde … könne jemand in der Gnade Gottes leben (Nr. 305)

In der Fußnote (351 zu Nr. 305) gibt der Papst zu erkennen, dass dies auch auf die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zur Kommunion (bzw. Versöhnung) angewendet werden könne, weil die Eucharistie nicht eine Belohnung für die Vollkommenen ist, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die „Schwachen“, d.h. für alle Seelen!

Das Leben ist wunderbar komplex (309) und „manchmal fällt es uns schwer, der bedingungslosen Liebe in der Seelsorge Raum zu geben.“ (311)

(312) Gegen eine „kalte Schreibtisch-Moral muss die vorherrschende Logik der Kirche“ sein: „uns vielmehr in den Zusammenhang einer pastoralen Unterscheidung voll barmherziger Liebe versetzen, die immer geneigt ist zu verstehen, zu verzeihen, zu begleiten, zu hoffen und vor allem einzugliedern.“ – genau in dieser Reihenfolge!

Gläubige, die in komplexen Situationen leben, lädt der Papst zum vertrauensvollen Gespräch ein und Seelsorger ermutigt er, liebevoll und gelassen zuzuhören mit dem aufrichtigen Wunsch, mitten in das Drama der Menschen einzutreten und ihren Gesichtspunkt zu verstehen, um ihnen zu helfen, besser zu leben und ihren eigenen Ort in der Kirche zu erkennen (Nr. 312).

Das ist DER ENTSCHEIDENDE UNTERSCHIED zur bisherigen Praxis: Statt einem Zugeständnis ist es ein Auftrag / eine Mission. Einige haben dies „eigen-verantwortlich“ getan, haben mit betroffenen Menschen geredet und Wege in der Aussprache gefunden, um wieder-versöhnt mit der „Kommunion (Gemeinschaft) der Kirche“ zu leben.

Bisher wurde das als Anmaßung einiger Seelsorger gewertet, dass sie „den Leuten nach dem Mund reden“, dass sie das Sakrament der Ehe gefährden oder Ähnliches …

Jetzt ist es ein Auftrag an alle, d.h. es sollte keine fadenscheinigen Ausflüchte mehr geben, z.B. „geh in der Nachbarpfarre zur Kommunion, wo dich keiner kennt …“ – und dadurch sind viele seelische Schmerzen für die Menschen entstanden und Gewissenskonflikte oder die Menschen sind der Willkür der Priester ausgeliefert.

Ich glaube, dass uns als Kirche wenig bewusst ist, wie sehr verletzend wir dadurch an den Menschen handeln bzw. gehandelt haben!

Schon seit vielen Jahren gibt es die sogenannten 5 Aufmerksamkeiten von Kard. Schönborn, die als Hilfe für die Kommunikation gelten:

Aufmerksamkeit 1 gegenüber den Kindern  Wie ist die Situation eurer Kinder? (werden die Rechte der Kinder wahrgenommen?)

Aufmerksamkeit 2 gegenüber dem getrennt lebenden Partner / der getrennt lebenden Partnerin: Wie ist euer Verhältnis zum getrennt lebenden Partner / zur getrennt lebenden Partnerin?

Aufmerksamkeit 3 gegenüber der „Schuldfrage“: Sind Schuld und Schuldgefühle bewältigt? (Anm. von Betroffenen: es gibt nur „Beteiligte“ – Schuld ist oft unbewusst und deshalb formal keine Schuld sondern Unwissenheit! Bsp.: junge Frau hängt sich 6 Monate nach der Hochzeit ganz auf das Neugeborene; sie schenkt dem Mann und der Beziehung weder Zeit, Aufmerksamkeit, noch Nähe, Zärtlichkeit und Kommunikation. Er geht fremd und weiß gar nicht genau „warum?“ – sie gesteht ein, dass es von ihr aus ein „Fremd-Gehen“ mit dem Kind war, bevor der Mann schließlich fremd gegangen ist … Es sind auch andere Formen der „UNTREUE“ möglich: Partner können auch mit der Firma, dem Job, dem Hobby (v.a. Sport, aber auch Kirche) fremd gehen. TREUE ist eine Frage von Zeit miteinander verbringen bzw. Zeit dem anderen zu schenken.

Aufmerksamkeit 4 gegenüber treuen Ehepaaren: Wie könnt ihr eure Beziehung vertiefen und noch glücklicher machen?

Aufmerksamkeit 5 gegenüber dem Gewissen und Gott: Was sagt mein Gewissen? Was will Gott von mir?

HÖREN; HÖREN; HÖREN … das ist unser Auftrag als Kirche und eine wirkliche Entscheidung für ALLE Menschen, weil ALLE die göttliche Liebe in sich haben (wie schon am Montag näher ausgeführt). Das bedeutet Christ-Sein: diese göttliche Liebe stirbt NIE – egal wie viele Fehler wir im Laufe des Lebens machen. Deshalb sollen wir als Christ/innen jedem Menschen wertschätzend würdevoll begegnen!

Dies ist christliche Pflicht und führt uns morgen zur Spiritualität des Alltags in Ehe und Familie.

FR, 31.03. Spiritualität des Alltags in Ehe und Familie (vgl. Kap. 9)

Gerade nach dem Blick auf die Zerbrechlichkeit geht es dem Papst im abschließenden 9. Kap. um die Spiritualität des Alltags in Ehe und Familie! – aber auch im Rückgriff auf die eheliche Liebe (Caritas – Kap. 4) und das Wachsen in ihr.

Nach der Liebe zu Gott ist die eheliche Liebe die größte Freundschaft, geprägt durch die Ausschließlichkeit auf einen konkreten Menschen hin und durch die Dauerhaftigkeit (123). Diese Treue füreinander schließt auch die Sexualität ein (125), sowie Freude und Schönheit, die Fähigkeit zu genießen und Zärtlichkeit zu leben (126f.) Die Liebe öffnet die Augen und ermöglicht, jenseits von allem zu sehen, wie viel ein Mensch wert ist (128). Der Papst spricht ganz konkret: „Jene Gesten, die diese Liebe ausdrücken, sollten ständig gepflegt werden, ohne Engherzigkeit, voller großherziger Worte. In der Familie ist es »nötig […], drei Worte zu gebrauchen. Ich will es wiederholen. Drei Worte: „darf ich?“, „danke“ und „entschuldige“. Drei Schlüsselworte!« »Wenn man in einer Familie nicht aufdringlich ist und „darf ich?“ fragt, wenn man in einer Familie nicht egoistisch ist und lernt, „danke!“ zu sagen, und wenn in einer Familie einer merkt, dass er etwas Hässliches getan hat, und es versteht, „entschuldige!“ zu sagen, dann herrschen in jener Familie Frieden und Freude.« Seien wir nicht kleinlich mit dem Gebrauch dieser Worte, seien wir großzügig, sie Tag für Tag zu wiederholen, denn sie schützen und nähren die Liebe Tag für Tag (133).

Dann spricht der Papst wörtlich vom Dialog – und dabei wiederum sehr konkret von Haltungen und dem richtigen Ton, z.B.:

Sich Zeit lassen, aufmerksam zuzuhören, denn oft geht es nicht um Lösung von Problemen, sondern darum, angehört zu werden (137).

Dem anderen wirkliche Bedeutung beimessen, seine Würde anerkennen und sich in ihn (sie) hineinversetzen ermöglicht eine Erkenntnis selbst hinter aggressiven Worten (138).

Dann: geistige Weite und Flexibilität, die eigene Meinung zu ändern, um „Einheit in der Vielfalt“ zuzulassen. Schließlich geht es um die Fähigkeit, die eigenen Empfindungen auszudrücken, ohne zu beleidigen – es geht um die liebevolle Haltung in dem Sinne: „mein Gegenüber ist mir ganz wichtig“. (139)

Schließlich spricht der Papst sehr wertschätzend über die leidenschaftliche Liebe, über Erotik und Sexualität, die Kunst zu genießen und die Zärtlichkeit im Alltag zu leben – in verschiedenen Dimensionen: als Kuss, Umarmung, Liebkosung und der geschlechtlichen Vereinigung (157). Was in der Zeit der Romanze selbstverständlich ist, wird in der Liebe im Alltag leicht vergessen und damit vermindert sich das Miteinander – es entsteht eine Leere, die Kinder drängen sich dazwischen und der Partner ist bald nicht mehr die Nummer 1.

Die erotische Liebe ist keineswegs ein geduldetes Übel, sondern ein „Geschenk Gottes“, das die Begegnung der Eheleute verschönert (152). Es bringt Stabilität in die Beziehung und baut Vertrauen auf – ist also gleichbedeutend und genauso wichtig wie der Dialog! Es sind kommunizierende Gefäße!

Wenn diese Haltungen der Liebe im Alltag bewusst gemacht werden und alltäglich gelebt werden, ist dies die Spiritualität in Ehe und Familie! Und darin ist der Papst wieder sehr konkret und verbindet das Göttliche mit dem Menschlichen, das Himmlische mit dem Irdischen!

314. …Wir … sagen, dass die Dreifaltigkeit im Tempel der ehelichen Gemeinschaft gegenwärtig ist. 315. Die Gegenwart des Herrn wohnt in der realen, konkreten Familie mit all ihren Leiden, ihren Kämpfen, ihren Freuden und ihrem täglichen Ringen. … d.h. für mich: Gottes Liebe wohnt in jeder Familie in jeglicher Form! – diese Überzeugung macht es möglich, die Herausforderungen (s. gestern) zu bestehen – obwohl es Vielen nicht bewusst ist – und wir als Kirche den Familien kaum helfen, diesen Schatz zu entdecken und präsent zu haben!

(315) „Die Spiritualität der familiären Liebe besteht aus Tausenden von realen und konkreten Gesten. In dieser Mannigfaltigkeit von Gaben und Begegnungen … hat Gott seine Wohnung. Diese Hingabe ist es, die »Menschliches und Göttliches in sich eint«, denn sie ist erfüllt von der Liebe Gottes.“

316. …. „Die Spiritualität nimmt im familiären Miteinander Fleisch und Blut an. Wer also ein tiefes Verlangen nach Spiritualität hat, soll nicht meinen, die Familie halte ihn von einem Wachstum im Leben des Geistes fern“ (sie ist vielmehr ein Weg, den der Herr verwendet, um ihn auf die Gipfel der mystischen Vereinigung zu führen.). Im Gegenteil: Sehnsucht nach Spiritualität meint hier nicht, jeden Tag (mehr) zu beten, um die Beziehung (en) auszuhalten, sondern heißt: im alltäglichen Tun mit der liebevollen Haltung zu leben – z.B. wertschätzend miteinander zu reden, hilfsbereite Gesten, umarmen, verzeihen und nicht nachtragend sein (s. 1 Kor). Es heißt: die Anders-Artigkeit der anderen (Familienmitglieder) annehmen, weil ja ich selbst dieselbe Sehnsucht habe, so angenommen zu sein, wie ich bin (vgl. die goldene Regel: handle so, wie du selbst behandelt werden möchtest …).

In diesen Worten des Papstes liegt auch ein bedeutender Perspektivenwechsel, weil die zölibatäre Lebensform nicht von sich aus spiritueller ist als die Ehe und Familie. Überdies verwendet die Sprache der Mystik dieselben Worte wie die Erotik und körperliche Vereinigung.

Es geht also wieder um das bewusste Leben der christlichen Grund-Geheimnisse. In Höhen und Tiefen des Lebens und des Miteinanders im Paar oder der Familie ereignet sich immer wieder Leiden, Tod und Auferstehung. Ein konkretes Mittel, dies bewusst zu leben, ist das Aussprechen, das Ausdrücken der schweren Gefühle, aber auch das Ausdrücken der Dankbarkeit füreinander. Dieses „Gebet“ ist Ausdruck des Vertrauens und der Hingabe aneinander. Und genau in diesem freien Hingeben löst sich ein Mensch von seiner Ich-Zentriertheit und wächst über sich hinaus – zum anderen hin und damit hinein ins Göttliche, ins Unverfügbare! Dies stärkt die Ehrfurcht vor der Verschiedenheit des anderen und den Respekt vor seiner Einzigartigkeit, die göttlich gewollt ist. So wird der andere ins rechte Licht gerückt – ins Licht der Liebe, d.h. ins Licht Gottes! Und dies ist ein Grund-Prinzip christlicher Ehe und Familie: der andere ist nicht „mein Eigentum“ und nicht dazu da, „meine Bedürfnisse vollkommen zu befriedigen“. (320)

So paradox es klingt: im exklusiven sich – Binden an einen konkreten Menschen, eröffnet sich die göttliche Dimension des Lebens: ich empfange die Liebe Gottes, fühle mich geliebt und der andere erfährt sich von mir geliebt und erkennt darin die Liebe Gottes – auf menschliche Weise und doch „vollkommen“ – mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kr