Organisation

Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Zeugnis geben, wie Leben gelingen kann

Es gibt viel mehr kirchliche Berufe als Priester und Religionslehrerin. Alexandra Gfreiner und Johannes Thonhauser skizzieren Berufsbilder, Möglichkeiten und Motivationen. Mit Video zum THEOTAG 2022

Foto: Haab
Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)

Statt dem TheoTag, zu dem sonst an die 100 Schülerinnen und Schüler nach Klagenfurt kommen, gibt es heuer ein Video, das den Schulen zur Verfügung gestellt wird. Worum geht es da?
Gfreiner: Der sogenannte TheoTag findet alle zwei Jahre statt. Er möchte jungen Menschen, die Allgemein- und Berufsbildende Höhere Schulen abschließen, näherbringen, was Kirche beruflich bieten kann. Nicht das Pauschalbild von Pfarrer, Ministranten und Religionslehrerin, sondern dass es auch Pastoralassistent*innen gibt. Oder die Möglichkeit, auf kategorialer Ebene zu arbeiten, wie z. B. in der Krankenhausseelsorge oder in der jungenKirche mit Kindern und Jugendlichen – eben ein weitgestreutes Bild kirchlicher Arbeit.
Darüberhinaus vermittelt der TheoTag immer auch ein konkretes Thema, mit dem die jungen Erwachsenen selbst weiterarbeiten können. Heuer: „Was soll ich tun?“ mit dem herausfordernden Untertitel: „Wie wir uns morgen wünschen würden, heute entschieden zu haben“. Es geht um das Thema Entscheidung, das in diesem Alter sehr virulent ist.

Der Film zum THEOTAG 2022

https://youtu.be/I_cWTX-SCM8

In welcher Weise haben Sie diese komplexen Fragestellungen nun aufgegriffen?
Thonhauser: Um das Anliegen des TheoTags in eine andere Form zu übersetzen, haben wir uns für ein Video entschieden. Wir haben die Menschen, die wir für den TheoTag gewonnen hatten, nun für das Video interviewt. Menschen in den verschiedenen angesprochenen Berufen, die in ihrem Leben wichtige Entscheidungen getroffen haben, haben wir gefragt, wie sie dabei vorgegangen sind. Dabei haben wir erkannt, dass oft auch scheinbare Umwege zum Ziel führen. Gesprächspartner*innen dabei waren z. B. der Grazer Sozialethiker Kurt Remele; die Wernberger Ordensschwester Silke Mallmann; Monika Loibnegger, die das Jugendzentrum Avalon in Wolfsberg leitet und zugleich Religionspädagogin ist, und auch Bischof Josef Marketz. Wir haben uns außerdem entschieden, auch Menschen zu fragen, die nicht in unmittelbar kirchlichen Berufen stehen, aber wichtige Entscheidungen treffen müssen: z. B. einen Richter, der über Jugendliche urteilt, oder eine Schulsozialarbeiterin. Daraus ist ein Video entstanden, das unter diesem Link auf Youtube angesehen werden kann. Ziel des Projekts ist, dass das Video in die Schulklassen wandert und dort Impuls für ein, zwei Unterrichtseinheiten ist.

Im Umfeld der Missbrauchsskandale usw.: Was macht kirchliche Berufe trotz alldem interessant und erstrebenswert?
Thonhauser: Dinge sprechen uns an und faszinieren uns, wenn es Menschen gibt, die dafür stehen. Im Video stellen wir deshalb nicht die Berufe selbst vor, sondern Menschen, die zu einem bestimmten Thema etwas zu sagen haben, auch zu Krisen. Sie tun das auf sehr persönliche Weise, indem sie auch von eigenem Scheitern erzählen. Das Erzählen von Krisen, wie das ist, wenn man einmal „auf die Schnauze fällt“, wie einer der Gesprächspartner sagt, und wie sie zu Entscheidungen beigetragen haben: Das kann beim Zuhörenden „Resonanz“ auslösen, ein In-Beziehung-Treten, Etwas-Zum-Schwingen-Bringen.
Gfreiner: Ich finde, dass die Kirche trotz aller Vorbehalte einen ethischen Standpunkt vertritt, der Orientierung bietet. Ein weiterer Punkt ist für mich die Sinnsuche, bei der Kirche als Institution Hilfe bietet. Daran mitarbeiten zu dürfen, finde ich schon erfüllend. Man ist selbst am Weg, geht miteinander.

Welche Ausbildungen führen zum Berufsziel?
Gfreiner: Für Religionslehrer*in-nen bietet sich das Institut für Religionspädagogik an. Für Pas-toralassistent*innen gibt es verschiedene Wege. Neben dem klassischen Studium der Fachtheologie gibt es eine Ausbildung, die wir in unserer Diözese selbst anbieten. Und dann gibt es noch eine als berufsbegleitendes Zusatzstudium „Grundlagen theologischer Wissenschaft“ in Graz über die Universität.

Was ist die konkrete Arbeit z. B. eines Pastoralassistenten, einer Pastoralassistentin?
Gfreiner: Das bedeutet nicht, die rechte Hand des Pfarrers zu sein, wie manchmal vermutet wird, sondern ist ein selbstständiger Beruf mit sehr fundierter Ausbildung. Je nachdem kann der Schwerpunkt auf Jugendarbeit liegen, auf der Gestaltung von Gottesdiensten, Organisation ... im Prinzip alles außer der Spendung von Sakramenten.

Seelsorgliche Arbeit hat viel mit Gesprächen zu tun. Was unterscheidet ein pastorales Gespräch von einem Kaffeeplausch?
Gfreiner: Es hat eine andere Zielsetzung, es geht um Seelsorge. Das bedeutet: Wie geht es diesem Menschen, was braucht er, was möchten wir gemeinsam angehen?

Gibt es Qualitätsrichtlinien, die ein seelsorgliches Gespräch ausmachen?
Gfreiner: Im seelsorglichen Gespräch wird sozusagen die Hand gereicht, um den eigenen geistlichen Weg zu gehen. Der Seelsorger, die Seelsorgerin sagt nicht: Ich weiß, wo es langgeht, sondern kann sagen: Aufgrund meiner Ausbildung kann ich dir die Hand geben, um deinen Weg mit dir zu gehen.
Thonhauser: Das gefällt mir gut, es erinnert mich an den Paradigmenwechsel in der Religionspädagogik. Man geht nicht mehr davon aus, dass der Lehrer weiß, was zu sein hat, sondern dass der Lehrer ein Stück weit mehr Begleiter ist und als solcher Fragen stellt, um gemeinsam nach Antworten zu suchen. Der den anderen auch in seinem Zweifeln, Suchen, Glauben ernst nimmt und sich voll auf ihn einlässt. Das ist für Pastoralassistent*innen wie für Religionspädagog*innen gleich wichtig. Auch das hat wieder mit „Resonanz“ zu tun.

Das klassische Bild dafür ist der Gang nach Emmaus: Jesus geht mit den beiden Jüngern, stellt Fragen, und auf einmal geht ihnen der Himmel auf.
Gfreiner: Es muss nicht immer gleich der Himmel aufgehen, es sind ja oft sehr kleine und alltägliche Schritte auf dem Weg, die manchmal auch erst in weiterer Folge zu einem Aha-Erlebnis führen. Vielleicht muss man erst einmal darüber schlafen, um sich dann daran zu erinnern: Darüber haben wir ja geredet!
Thonhauser: Wobei dieses seelsorgliche Begleiten dann falsch verstanden wird, wenn man glaubt, da muss jetzt etwas passieren: Sobald Druck oder Zwang in einer Beziehungssituation ist, verhindert das die Resonanz-Möglichkeit.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Thonhauser: Das große Thema Entscheidungen. Wir leben in einer Zeit, in der wir Entscheidungen treffen müssen, die niemand sich vor 80 Jahren erträumt hat. Das ist Segen, aber auch Fluch – dieser unausgesprochene Zwang, dass wir uns selbst verwirklichen müssen. Oder theologisch: dass wir einer Berufung folgen sollten. Das hat sich in allen Interviews des Videos gut gezeigt: dass man das mit viel Gelassenheit angehen und auch in Kauf nehmen soll, einmal falsch zu liegen und Umwege zu machen.

: Für mich ist es der Mut, davon wegzukommen, perfekte Entscheidungen treffen zu müssen. Es braucht vielmehr das stetige Hören auf mich selbst und auch den Mut zur Korrektur.

Interview: Georg Haab

Zur Person: Dr. Johannes Thonhauser, geb. 1981, ist stellvertretender Leiter des Klagenfurter Instituts für Religionspädagogik der Privaten Pädagogischen Hochschule Augustinum Graz.
Mag.a Alexandra Gfreiner, geb. 1971 ist diözesane Ausbildungsleiterin für Theologiestudierende.