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Kärntner Kirchenzeitung - „Sonntag”

Wunder-Nahrung vor der Haustüre

Ernährungsberaterin Karin Zausnig über das "Super-Food"-Marketing und Super-Lebensmittel vor der Haustür

Bildunterschrift (Bildrechte sind zwingend anzugeben!)
Karin Zausnig bei ihrem "Superfood"-Vortrag in Pörtschach/W (mit Martin Assam, Porv. Joseph Mula, PGR Josef Wienerroither) @ heschl

Warum denn in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah? – Zum Beispiel „regionales Superfood“ vor der eigenen Haustüre. Doch was ist das eigentlich, werden sich viele fragen. Für die Ernährungsexpertin Karin Zausnig sind es heimische Pflanzen, die ganz natürlich und oft sogar ohne unser Zutun in der freien Natur wachsen und nur so strotzen vor Vitaminen und wertvollen Nährstoffen. Das ist die eine, kostengünstige Variante, sich „supergesund“ zu ernähren. Auf der anderen Seite boomt eine Superfood-Industrie, die immer wieder aufs Neue das Wundermittel XY auf den Markt bringt. Die Werbung tut das ihre dazu und die Kunden sind schnell bereit, dafür viel Geld auszugeben.

Ewige Jugend und Fitness - nur Marketing
Doch zurück zu den heimischen Power-Lebensmitteln. Warum behandeln wir sie so stiefmütterlich? Es hat wohl etwas mit unserer schnelllebigen Zeit zu tun. Kochen und womöglich im Vorfeld selbst Wildkräuter sammeln gehen? Womöglich einen eigenen Garten bearbeiten? Da schon lieber das Fast food um die Ecke kaufen oder ein Fertigprodukt in die Mikrowelle schieben. Und dazu ein asiatisches Präparat, das übers Internet bestellt wurde, schlucken.
Der Begriff „Superfood“ kommt aus der Marketingbranche. Gemeint sind damit angeblich sehr gesunde und vor allem weit gereiste Lebensmittel. Besonders „in“ sind zurzeit exotische Beeren namens Goji, Acai oder Aronia. Die Goji-Beere gilt in China seit Jahrhunderten als die „Beere des Lebens“. Sie soll einen außergewöhnlich hohen Vitamin- und Mineraliengehalt haben. Das angepriesene Superfood soll auch reich an Antioxidantien sein. „Eine wirklich heilsame Wirkung ist wissenschaftlich nicht erwiesen“, so Karin Zausnig. Typisch für diesen Ernährungstrend sind die Versprechen der Werbung: Anti-Aging, Detox, Vitalität, leichtes Abnehmen etc. Kein Wunder, dass der Umsatz dieser Industrie in nur zwei Jahren von 1,5 Mio. auf ca. 43 Mio. angestiegen ist! Nicht berücksichtigt werden beim Konsum dieser vielversprechenden Substanzen die Arbeitsbedingungen in den armen Ländern des Südens, ungerechte Besitzverhältnisse, ökologische Aspekte und lange Transportwege. Dabei sind unsere heimischen Beeren doch auch wahre Kraftspender. Auf dem Weg vom Strauch direkt in den Mund liefern sie uns schnell wertvolle Gratis-Nährstoffe. „Frische Lebensmittel, Obst, Früchte und Gemüse sind echte Nährstoffbomben“, so Zausnig. Dagegen kommt ein getrocknetes Pulver nicht an. Antioxidantien – also die Vitamine A, E, C, B, die Mineralstoffe Selen, Zink und sekundäre Pflanzenstoffe – schützen uns bzw. unsere Zellen u. a. vor oxidativem Stress, auch verursacht durch äußere Einflüsse wie z. B. radioaktive Strahlen, Pestizide, Abgase, Zigarettenrauch, Medikamente und Drogen.

Regionale Superhelden

Genau hier greifen unsere „regionalen Superhelden“ ein. „Alles, was blau, violett oder rot ist“, so Zausnig, fällt in diese Kategorie. Trauben, Himbeeren, schwarze Ribisel zählen dazu, aber auch die Felsenbirnen, Holunderbeeren, Brombeeren oder Heidelbeeren. Die darin enthaltenen Pflanzenstoffe, Polyphenole und Anthocyane, stärken das Immunsystem, schützen die Gefäße und machen den Krebszellen den Garaus. Alles, was braun ist – z. B. Buchweizen, Leinsamen, Hanf, Kürbiskerne oder Walnüsse – liefert uns viel Vitamin E und jede Menge Ballaststoffe. Das grüne regionale Superfood wie Spinat, Sprossen, Broccoli oder Wildkräuter etc. versorgt uns mit Vitamin C, Flavonoiden und vielem mehr. „Ich muss aber gar nicht wissen, wie viele Vitamine, Eiweißstoffe und dergleichen in einem Lebensmittel enthalten sind. Wichtig ist, dass es mir guttut und mich gesund hält“, so Zausnig. Bei regelmäßiger Anwendung spürt man ohnehin die positive Wirkung.

Einflussfaktor Lebensstil

„Ernährung hat auch viel mit Lebensstil zu tun“, betont sie. Oft fehle einfach die Wertschätzung für die Lebensmittel. Und der „Mut zur Einfachheit“. Zausnig: „Wir müssen einfache Dinge wieder mehr schätzen lernen!“ Gemeinsames Gärtnern, gemeinsames Kochen, gemeinsames Mahl halten ist keine Selbstverständlichkeit in den Familien. Die Zeit, die man sich dafür bewusst nimmt, lohnt sich. Die Wirkung nachhaltig. Auch unsere Kinder werden sich an solche Rituale und Momente immer gerne zurückerinnern. Der Gesundheit zuliebe sollte das Thema Ernährung einen hohen Stellenwert haben. Gesund essen heißt vor allem, „passend essen“. Dazu braucht man wieder einen guten Draht zum Körper. „Immer wieder Pausen einlegen“, rät die Ernährungsexpertin, nicht nur beim Essen, sondern überhaupt im Alltag. Der neuerdings propagierten 16/8-Methode kann sie einiges abgewinnen. „In nur ein paar Fastenstunden kann der Körper wichtige Reparaturmaßnahmen vornehmen.“ Zausnig empfiehlt eine vorrangig pflanzenreiche Kost. „Warten Sie nicht auf das eine Wundermittel – es ist alles schon da!“ so Zausnig. Sie vertraut der Natur: „Wir haben genug Vorräte, die wir für den Winter sammeln können!“ Aber jetzt im Frühling warten schon der Löwenzahn, die Brennnessel und die Schafgarbe darauf, von uns entdeckt zu werden.