Working Poor – wenn Menschen trotz Arbeit arm sind
Immer mehr Menschen in Österreich stolpern in die Armutsfalle

23.000 Erwerbstätige in Kärnten leben unter der Armutsgrenze, das heißt sie verdienen weniger als € 1.000 im Monat, und ihre Zahl ist im Steigen. Sie sind „arbeitende Arme“ – „working poor“.
von Georg Haab
Hersteller von Luxuslimousinen haben im vergangenen Jahr Rekordgewinne gemacht; gleichzeitig leben in Österreich mehr Menschen unter der Armutsgrenze als je zuvor. Ein Trend, der europaweit zu beobachten ist: Die Zahl der Armen nimmt stetig zu, der Reichtum der Superreichen ebenfalls. Was liegt näher, als zu fragen: Wer profitiert von der Finanzkrise? Und: Wer sind die Verlierer, was sind die Folgen?
Die Zunahme von „Working Poor“, von Erwerbsarmut, ist eine der Folgen. Armut ist zu einem Massenphänomen geworden, das mittlerweile die arbeitende Bevölkerung trifft. Es gibt selbst Akademiker, die sich mit 5-Euro-Jobs über Wasser halten. Das reicht auch bei 40 Arbeitsstunden in der Woche kaum für das Nötigste aus: Verschlissene Kleidung kann nicht ersetzt werden, zum Heizen ist es zu wenig, eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist nicht möglich.
Kärnten, reich an Armut
Etwa 8 Prozent aller Kärntner Erwerbstätigen leben unter der Armutsschwelle, Kärnten hat damit in Österreich eine der höchsten Quoten. Zu den Hauptursachen zählen „prekäre Arbeitsverhältnisse“; diese betreffen vor allem Frauen, Beschäftigte mit Niedriglöhnen wie Gastronomie- und Reinigungspersonal, aber auch immer mehr Erwerbstätige im Sozial- und Kulturbereich. Viele haben „atypische“ Anstellungen (Werkverträge, freie Dienstnehmerverträge, geringfügige Beschäftigungen) und verzichten damit auf bestimmte Schutzbestimmungen, die Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen bieten.
„Die Tendenz zur Umverteilung von unten nach oben ist nicht neu, wie der Oskar-prämierte Film über Margaret Thatcher, ‚Die Eiserne Lady‘, aufzeigt“, verweist Leo Kudlicka von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung KAB auf Zusammenhänge. Nach ihr ist das TINA-Syndrom („there is no alternative“ – es gibt keine Alternative) benannt: übrigens auch das Hauptargument heutiger Regierungen für Budgetkürzungen.
Alternative Wirtschaftssysteme
Zu Recht taucht immer wieder die Frage auf, ob es nicht doch Alternativen gibt, die Umverteilung nach oben zu stoppen? – „Ja“, antwortet Kudlicka, „Wahrheit ist eine Sache des Blickwinkels. Es gibt Alternativen, und mit Informationsveranstaltungen möchten wir dieses Wissen auch in die Öffentlichkeit bringen“ (siehe Infobox). Die KAB ist eine von zahlreichen renommierten Einrichtungen, die sich für die Bekämpfung von Working Poor und für ein gerechtes Wirtschaftssystem einsetzen. Mit der Universität Klagenfurt, der AVS (Arbeitsvereinigung der Sozialhilfe Kärnten), der Caritas, der Diakonie und derArbeiterkammer, um nur einige zu nennen, bildet sie zum Beispiel das „Kärntner Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung“.
Netzwerk gegen Armut
„Armut steht in engem Zusammenhang mit gesellschaftlicher Ausgrenzung“, erläutert Karoline Dertschei, die das Netzwerk koordiniert. „Mängel im Bereich von Wohnung, Ernährung, Gesundheit und Bildung haben Folgen. Irgendwann ist es nicht mehr möglich, Freunde zum Essen einzuladen oder kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, der Kontakt zur Öffentlichkeit geht verloren.“ Warum junge Frauen, Alleinerzieherinnen und Alleinverdienerinnen deutlich öfter von Armut bedroht sind als andere? „Ihr Problem ist die Teilzeit-Falle: Einmal in Teilzeitarbeit, schaffen sie den Sprung zurück ins volle Erwerbsleben nicht mehr. Und das hat wiederum Folgen für ihren Pensionsanspruch. Besonders schlecht ist die Lage für Migrantinnen.“ Studien stellen auch fest, dass Armut „erblich“ ist, sie wird durch zahlreiche Faktoren an die Kinder weitergegeben. Erwerbsarmut ist schleichend zu einem eigenen sozialen Milieu geworden.
Ausstellung „Working Poor“
Anschaulich zeigt das die Ausstellung „Working Poor“ mit Fotos und Texten von vier Betroffenen, die noch bis 9. April in der Cafeteria des Diözesanhauses (Tarviser Straße 30) zu sehen ist. „Wir sind froh, dass wir diese Ausstellung gemeinsam mit der Katholischen Frauenbewegung zu uns holen konnten“, freut sich Leo Kudlicka. Die Kirche hat Vorbildfunktion in dem, was sie tut, und jeder einzelne Christ ist gefordert, sich für eine bessere Welt einzusetzen: „Gerechtigkeit ist das Mindestmaß der Liebe. Das muss sichtbar werden in gerechten Löhnen, die für ein Leben ohne Armut und soziale Ausgrenzung ausreichen“, so Kudlicka.
Veranstaltungstipps:
Working Poor. Lebenswelten Betroffener im Bild. Ausstellung der Arbeiterkammer und des Armutsnetzwerks. Cafeteria des Diözesanhauses, Tarviser Straße 30, Klagenfurt, noch bis 9. April.
Steuergerechtigkeit als Alternative zu Kürzungspaketen. Vortrag und Diskussion mit Peter Fleissner und Alexandra Strickner. Donnerstag, 22. März 2012, 19:00 Uhr, ÖGB/AK Bildungsforum, Saal 6, Bahnhofstr. 44, Klagenfurt.
Weiterführende Informationen:
Katholische Arbeitnehmerbewegung KAB
Kärntner Netzwerk gegen Armut und soziale Ausgrenzung